Oxenfree im Test — Poltergeist trifft auf Telltale Games

15.01.2016 - 18:01 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Unser Review zu Oxenfree
Night School Studio
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Auf den Spuren von Telltale Games und gängigen Horrorklischees schafft es das minimalistische Indie-Game Oxenfree, frischen Wind in das Genre der Point & Click-Adventures zu bringen. Wie dem übernatürlichen Thriller das gelingt, erfahrt ihr in unserem Test.

Eigentlich hätte es nur ein entspannter Abend unter Freunden fernab elterlicher Aufsicht werden sollen... Mittlerweile fangen so viele Horrorgeschichten auf diese Art an, dass es zu einem belächelten Klischee geworden ist. Die verlassene Hütte im Wald, die stillgelegte Anstalt, die abgeschiedene Villa, die einsame Insel: Es sind alles Orte, an denen sich junge Leute versammeln, um etwas Spaß zu haben — kurz bevor sich ihre Leben für immer ändern.

Im Fall des Indie-Spiels Oxenfree fiel die Wahl auf eine kleine Insel, auf der nach dem Tod der einzigen Bewohnerin niemand mehr lebt und deren Tourismus-Branche auch schon bessere Tage gesehen hat. Dort soll über Nacht eine Party stattfinden, doch letztlich finden sich nur fünf Jugendliche zusammen: Alex, ihr neuer Stiefbruder Jonas, ihr bester Freund Ren, Klassenkameradin Nona und deren gewöhnungsbedürftige beste Freundin Clarissa, die mit Alex Bruder zusammen war, bevor dieser ums Leben kam.

Die Begeisterung aller über die Situation hält sich in Grenzen, doch da die letzte Fähre bereits abgelegt hat, versucht die kleine Gruppe das Beste aus der Nacht zu machen. Während einige von ihnen am Strand entspannen wollen, macht sich der Rest auf, die abgesperrten Höhlen zu erkunden. Von ihnen heißt es, dass sich mit der richtigen Radiofrequenz mysteriöse Stimmen hören lassen. Dass das noch nicht alles ist und noch ganz andere Wesen die Insel heimsuchen, müssen die ungleichen Freunde am eigenen Leib erfahren, denn sie setzen eine Kette von Ereignissen in Gang, der sie nicht entkommen können.

Bildstörungen durch unbekannte Mächte sind an der Tagesordnung


Oxenfree steigert nach und nach die Anspannung und den Einsatz. Was mit Neugier und Legenden begann, wird ein Kampf gegen unbekannte Mächte ums reine Überleben. Der unterscheidet sich allerdings stark von dem, was wir ansonsten von einer ähnlichen Prämisse erwarten würden. Auf seine Art gleicht der Indie-Titel hier Spielen wie Until Dawn, die ebenfalls mit Horrorklischees spielen, nur um sie dann zugunsten einer sich nach und nach entfaltenden Geschichte zurückzulassen.

Ähnlich wie Until Dawn und auch die Adventures von Telltale Games, spielen eure Entscheidungen in Oxenfree eine größere Rolle als das eigentliche Gameplay. Das ist sehr minimalistisch gehalten und erinnert eher an klassische Point & Click-Adventures, nur ohne die dazugehörigen Rätsel. Stattdessen setzt Oxenfree auf seine Charaktere und deren Beziehung zueinander, was dank gut geschriebener, lebendiger Dialoge und Sprecher (im Englischen Veteranen, die vor allem Telltale-Charakteren ihre Stimmen liehen) hervorragend funktioniert.

Ihr spielt Alex, die noch immer unter dem Tod ihres Bruders Michael leidet. Nach der Scheidung ihrer Eltern heiratete ihre Mutter erneut, was ihr ihren Stiefbruder Jonas einbrachte, dem sie nun etwas näher kommen will. Ob das gelingt liegt in eurer Hand, denn was ihr sagt und tut, beeinflusst nicht nur die Art, wie ihr von den anderen Charakteren gesehen werdet, sondern auch, wie sie sich gegenseitig sehen.

Verschiedene Dialogoptionen in Oxenfree


In der Regel werden euch zwei bis drei Dialogoptionen geboten, die allerdings nicht immer klar deutlich machen, wie die Reaktion der anderen darauf ausfallen wird. Es gibt keine richtigen oder falschen, guten oder bösen Antworten. Manchmal werden euch nur drei verschiedene Arten "Nein" zu sagen geboten. Die Dialoge formen in erster Linie Alex Persönlichkeit und mit ihr den Verlauf der Handlung.

Ähnlich wie in The Wolf Among Us oder The Walking Dead wird angezeigt, dass sich die Charaktere etwas merken, allerdings nicht, ob sich ihre Meinung gerade positiv oder negativ verändert hat. Erst das Ende gibt in einem kurzen Abspann mit dazugehörigen X-Spieler-haben-sich-auch-so-entschieden Aufschluss darüber, welchen Einfluss ihr auf die Beziehungen der Freunde genommen habt – falls sie dann noch Freunde sind.

Alex und Jonas vor einer malerischen Kulisse


Oxenfree ist ein sehr minimalistisches Spiel – sowohl in seiner Präsentation als auch in seinem Gameplay. Das beschränkt sich in erster Linie auf die Dialoge, das Einstellen des Radios und viel, viel Laufen. An einigen Punkten hatte ich das Gefühl, die Spielzeit hätte locker halbiert werden können, wenn ich nicht gezwungen gewesen wäre, mich im Schneckentempo über verschlungene Pfade von einem Ende des Bildschirms zum anderen zu bewegen.

Visuell erinnert es durch seine malerische Optik an eine Mischung aus Spielen wie Broken Age oder sogar Kinderbüchern wie Der Regenbogenfisch. Entwickler Night School Studio setzt auf große Hintergründe und kleine Charaktere. Das bringt eine neue Art von Konzentration in den Indie-Titel, die es den Übernatürlichkeit ermöglicht, sich noch besser zu entfalten.

Ab und zu dreht sich der Blickwinkel


Bildstörungen, Besessenheit, Zeitschleifen, plötzlich umgedrehte Bildschirme, Stimmen aus der Vergangenheit – Oxenfree beginnt mit der Prämisse eines Teenie-Slashers und bietet stattdessen einen an Poltergeist erinnernden Thriller. Das Spiel ignoriert gängige Erwartungen und erzählt so eine spannende Geschichte, die nicht auf plötzliche Plottwists oder Schockmomente setzen muss, um zu funktionieren.

Fazit

Oxenfree ist eine kleine, aber feine Mischung aus Broken Age, Until Dawn, Telltale, Poltergeist und Coming-of-Age-Geschichte, die erstaunlich gut funktioniert. Es wäre leicht gewesen, in gewohnte Klischees abzudriften und sich darin zu verlieren. Stattdessen gelingt es Oxenfree, sie elegant zu umfahren und für ein Entscheidungs-basiertes Adventure zu sorgen, von dem sich vielleicht auch die langsam aber sicher stagnierende Telltale-Formel noch eine Scheibe abschneiden könnte.

Oxenfree wurde uns in Form eines Steam-Keys vom Publisher zur Verfügung gestellt. Zum Testen wurde auf Anraten des Entwicklers ein Xbox-Controller verwendet.

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