Pappa ante Portas - Humor ist Zeitgeist

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: Pappa ante Portas
Tobis/moviepilot
Aktion Lieblingsfilm: Pappa ante Portas
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Loriot ist der Meister des Humors in Deutschland, Pappa ante Portas sein vielleicht bestes Werk. Dieser Meinung ist ein moviepilot-User auf jeden Fall, wie sein Text zur Aktion Lieblingsfilm zeigt.

Humor ist eine ernste Sache. Und wie viele kulturelle Phänomene unterliegt auch der Humor an sich dem Wandel der Zeit. Wo einst noch der Feingeist seine Kreise zog, herrscht ein andermal das schenkelklopfende Proletariat der Bourgeoisie. Humor entwickelt sich mit den Jahren, mit dem Zeitgeist. Und gerade in den heutigen, von Fernsehsendern und Online-Portalen überfluteten Zeiten, ist der Humor primär bei den Medienunternehmen Mittel zum Zweck geworden. Zum Zweck der Profitmaximierung. Und so kommt es, dass man beim voreiligen Fernseh- oder Filmkonsum immer häufiger von Menschen wie Mario Barth oder Ausbilder Schmidt belästigt wird, die vor einem aufgepeitschtem Studiopublikum ihre Stammtischwitzchen in die Welt brüllen und sich dafür von Millionen feiern lassen.

Da bleibt ein manches Mal nur die Flucht zurück. Zurück zu den Wurzeln. Und wenn man sich mit den vergangenen Unterhaltungsgrößen der Bundesrepublik befasst, dann landet man sehr zügig bei Vicco von Bülow, oder, wie man ihn besser kennt: Loriot.
Ja, genau. Der mit der Nudel. Oder mit Wum und Wendelin. Weihnachten bei den Hoppenstedts, aber natürlich. Großartige Sketche. Aber funktioniert das auch auf Spielfilmlänge?

Und wie. Und es ist auch zwanzig Jahre nach der Kinopremiere und der drölfzigsten Sichtung auf DVD ein wahrer Genuss, sich in die Hände des heute fast 80jährigen Humoristen zu begeben. Mit heutzutage unglaublichem Feingefühl seziert und karikiert Loriot gemeinsam mit seiner langjährigen Kollegin Evelyn Hamann in Pappa ante Portas das Dasein als Rentner und das Eheleben als solches. Dabei glänzt er in seinen Rollen regelrecht.

So führt sich die Figur des Heinrich Lohse bereits in den ersten Filmminuten grandios ein, als er an seinem Schreibtisch einem ausländischen Kunden das Lieferprogramm nahebringen will, sich stakkatoartig in gebrochenem Englisch etwas zurechtstottert, nur um dann kurz zu verstummen und festzustellen, dass er sich verwählt hat.
Alleine die Mimik: Grandios.
Natürlich beherrscht Heinrich Lohse auch die Kunst der Untertreibung. Beispiele? Stellt Euch vor, Ihr stolpert fast über den mitten im Wohnzimmer liegenden Köter. Was wäre Euer einzig angebrachter Kommentar?
„Der Hund liegt hier wirklich sehr ungünstig.“
Na klar. Jeder von uns würde so reagieren.
Und wenn uns unser Chef in den Vorruhestand schickt, weil wir aufgrund des maximalen Rabatts Schreibmaschinenpapier für die nächsten vierzig Jahre bestellt haben, umschreiben wir das natürlich so: „Es ist eine neue, mehr ins Private zielende Tätigkeit.“
Ergänzend zum grenzenlosen Understatement versteht es Heinrich Lohse natürlich auch, Kernkompetenzen trotz völliger Ahnungslosigkeit an den Tag zu legen: „"Michael Jackson (Michael Jackson)":/people/michael-jackson—4… Der war Boxweltmeister im Halbschwergewicht, aber dann hat ihn Eddie Ahlersmeier nach Punkten geschlagen. Das war 1952. Komisch, für so was hab ich’n Gedächtnis.“

Da fällt es schwer, nicht der Versuchung zu erliegen, alles Potenzial in eine Figur zu stecken. Dennoch schlüpft Loriot während des Films in mehrere kleinere Nebenrollen, die allesamt an Schrulligkeit nicht zu überbieten sind. So spielt er beispielsweise einen Dichter, der auf seiner Lesung zunächst folgendes Poem zum Besten gibt: „Krawehl, Krawehl, Taubtrüber Ginst am Musenhain, trübtauber Hain am Musenginst. Krawehl, Krawehl.“
Und das Auditorium staunt und bleibt todernst, während der Zuschauer am Fernseher vor Lachen fast vom Sofa rutscht.
Pappa ante Portas ist für mich so was wie ein liebgewonnener Freund, ein Film wie ein Zufluchtsort. Die Dialoge werden teilweise auswendig mitgesprochen, die Handlung kennt man aber so was von auswendig, aber über die Witze lache ich wie am ersten Tag. Loriots fantastischer Wortwitz kommt wie in seinen Sketchen teilweise knochentrocken, doch immer perfekt pointiert. Immer den Blick auf die nebensächlichen Kleinigkeiten, die ins Abstrakte überdreht werden.

„Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein.“
Das muss man erstmal bringen im örtlichen Supermarkt.


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