Peter Sellers ist der Partyschreck!

29.12.2010 - 08:50 Uhr
Peter Sellers in Der Party Schreck
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Peter Sellers in Der Party Schreck
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Ein 60s Haus, ein Babyelefant, eine Party – und mittendrin Peter Sellers als personifiziertes Chaos! Unser DVD-Kolumnist Thomas Groh empfiehlt den ultimativen Silvesterpartyfilm: Blake Edwards’ großartiges 60s Slapstickspektakel Der Partyschreck.

Als ich Anfang Dezember mit dem Moviepilot-Team die kommenden DVDs für meine DVD-Kolumne absprach, kam für mich nur ein Film für die Silvesterwoche in Frage: Der Partyschreck (im folgenden, man möge mir das verzeihen, aber der deutsche Verleihtitel ist zu grässlich: The Party) von Blake Edwards mit dem unvergleichlichen Chamäleon Peter Sellers. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Kaum ein Film ist irrsinniger und wahnwitziger – und welcher Film passt besser zu einem Silvesterabend als ein Film, der fast ausschließlich während einer Hausparty spielt? Dass sich bis dahin noch ein recht trauriger Anlass ergeben würde, war da noch nicht abzusehen: Am 15. Dezember starb Edwards im Alter von 88 Jahren und damit ein Meister der klassischen Hollywoodkomödie, der mit Frühstück bei Tiffany, Der rosarote Panther und eben The Party unbestritten Filmgeschichte geschrieben hat. Die folgende Würdigung seines grandios anarchischen The Party ist deshalb auch als Vorschlag zu verstehen, sich von Edwards gebührend – also Tränen lachend – zu verabschieden.

Peter Sellers spielt Hrundi V. Bakshi, einen Bilderbuch-Klischee-Inder, der in Hollywood Fuß fassen will und sich dabei vor allem selbst im Weg steht. Als er beim Schuhezubinden das gesamte Set eines gigantischen Breitwand-Epos in den Orkus befördert, scheint seine Karriere beendet – doch eine zerstreute Notiz katapultiert ihn direkt ins Herz der Industrie, bzw. auf die prestigereiche Gästeliste der Party eines Hollywoodmagnaten. Bakshi packt, zum baldigen Missfallen aller Beteiligten, die Gelegenheit beim Schopfe: Der Abend beginnt – und nimmt seinen Lauf …

Birdie Num Num!

The Party ist der beste Beweis dafür, dass es für einen guten Film keine elaborierte Story braucht, sondern nur eine gesunde Portion anarchischer Lust an mutwilliger Zerstörung und ein Improvisationstalent von Gottes Gnaden wie Peter Sellers, der hier als deppert-tollpatschiges Katastrophenepizentrum Hrundi V. Bakshi zu vollen Touren aufläuft. Es ist ein irrer Spaß dabei zuzusehen, wie Sellers hier mit der Unbeholfenheit eines Menschen, dem immer nur die Sonne aus dem Herzen scheint, ein riesiges Haus (ein 60s Traum wie aus einer Folge Mad Men) beinahe schon in Trümmern legt und dabei, zumindest womöglich, noch im Vorbeigehen die Liebe seines Lebens findet.

Eigentlich hatte Blake Edwards ja eine Stummfilm-Slapstickkomödie im Sinn – und in der Tat kommt The Party über weite Strecken ohne Dialog aus oder degradiert diesen, wie bei Jacques Tati, oft zum Hintergrundrauschen -, weshalb Improvisationen größter Raum zugestanden wurde: Zahlreiche Gags wurden vor laufender Kamera entwickelt, darunter der berühmteste (der zudem – von wegen Stummfilm – rein auf Tonebene funktioniert): Als Bakshi das Näpfchen mit Papageienfutter entdeckt, steht da in großen Lettern “Birdie Num Num” darauf – und aus Sellers Munde, der mit indischem Akzent spricht, ist dies Stück minimalistischer Wortabsurdität, zu unpassendsten Gelegenheiten angebracht, schon fast abendfüllend.

Ein Dokument gesellschaftlichen Umbruchs

Entstanden ist The Party 1968, zu Zeiten eines umfassenden gesellschaftlichen Umbruchs also. Dass man dem Film dies ansieht, ist fast untertrieben: Minutiös wird hier die bürgerliche Welt samt ihrer Werte aus der Geschichte verabschiedet bis am Ende schließlich sämtliche Ordnungen in einem kunterbunten, schaumdurchfluteten Chaos über Bord geworfen sind und mittendrin ein psychedelisch angemalter Babyelefant seine Runden dreht. In gewisser Hinsicht geht The Party damit auch eine Wahlverwandtschaft mit dem europäischen Autorenkino ein: Nur wenig später ließ Michelangelo Antonioni in Zabriskie Point ein ganz ähnliches Haus spektakulär in die Luft fliegen. Mit dem einen Unterschied freilich, dass Antonioni weitaus grimmiger zu Werke geht: Während The Party noch den naiven Charme eines Hippie Happenings zwischen LSD, Gruppenpetting und Schaumschlacht versprüht, kündet sich bei Antonioni schon der verbitterte Terrorismus der 70er an.

Unbedingt zur britischen Special Edition greifen

In Deutschland ist der Film derzeit eher schwer und dann nur zu lächerlich überteuerten Preisen über den Amazon-Marketplace erhältlich. Hier empfiehlt sich ein Privatimport aus Großbritannien, z.B. über Play.com oder das britische Amazon. Die britische Special Edition ist nicht nur fast geschenkt günstig, sie verfügt auch über eine deutsche Tonspur und bringt auf einer zweiten Scheibe kiloweise hochinteressantes Bonusmaterial mit sich, z.B. die Featurette Inside the Party, in der zahlreiche Beteiligte an der Produktion teils haarsträubende Anekdoten von den Dreharbeiten erzählen (legendär sind natürlich die Auseinandersetzungen zwischen Peter Sellers und Blake Edwards). Enorm spannend für alle mit einem Faible für Filmtechnik und deren Geschichte dürfte The Party Revolution: A New Technology sein: So erfährt man hier, dass The Party der erste Film ist, der mit einer in die Filmkamera eingebauten Videokamera gedreht wurde. Da der Film über weite Teile improvisiert ist, war es nicht nur enorm wichtig, die Szenenkontinuität zu wahren, sondern auch, sich umgehend von der Qualität der einzelnen Shots überzeugen zu können. Das übliche Warten auf erste Prints (die “Dailies”) war viel zu zeit- und im Fall von nötigen Nachdrehs viel zu kostenintensiv: Die in die Kamera über Spiegeltechnik integrierte Videokamera würde die Filmgeschichte fortan prägen. Ganz wunderbar ist auch ein ausführliches Interview mit Peter Sellers, in dem sich der Komiker auf seine typisch überdrehte Art zu seiner Arbeit äußert.

Zum Schluss noch der Trailer

Der Film ist z.B. bei play.com portofrei für 6,99 Euro erhältlich.

Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt etwa die Doku Begegnungen am Ende der Welt, den surrealen tschechischen Märchenhorrorfilm Valerie – Eine Woche voller Wunder und den japanischen Antikriegsfilm Barfuß durch die Hölle.

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