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Prinzessin Mononoke: Heimatgefühle

16.10.2016 - 18:05 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Der Waldgott und seine Heimat
Universum Film
Der Waldgott und seine Heimat
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Im zweiten Teil meiner Ghibli-Reihe befasse ich mich mit einer Frage, welche im Film "Prinzessin Mononoke" nur im Hintergrund gestellt wird: Was ist Heimat? Auch hier eine Spoilerwarnung an diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben.

Wenn man eine Artikel-Reihe beginnt ist es nicht der erste Artikel, der am schwierigsten zu bewerkstelligen ist. Für mich ist es bzw. war es sein Nachfolger. Mit welchem Film knüpft man am besten an? Prinzessin Mononoke ist ohne Zweifel einer der beliebtesten Filme des Studios, weshalb er sicherlich besser als Höhepunkt der Reihe gewählt gewesen wäre. Dennoch passt er gerade gut, weil es meine eigenen Gedanken sind, die mich erst auf die Idee gebracht haben dieses zentrale Thema in meinem Kopf mit dem Film zu verschmelzen und so mal einen anderen, weniger offensichtlichen Aspekt des Films zu beleuchten.


Auf den Spuren von Studio Ghibli Teil 2: Prinzessin Mononoke

Zwischen Bergen und Wäldern

In alten Zeiten war das Land mit Wäldern bedeckt, wo Geister und Götterwesen aus längst vergangenen Zeiten wohnten. Damals lebten Mensch und Tier in Harmonie miteinander, aber im Laufe der Zeit wurden die meisten großen Wälder zerstört. Diejenigen, die geblieben sind, wurden von gigantischen Tieren bewacht, die den großen Waldgott huldigten. Es waren die Tage der Götter und der Dämonen.


Dem Schicksal mutig entgegen - Wehmut


Zu Beginn des Films lernen wir Prinz Ashitaka kennen, welcher bei der Verteidigung seines Dorfes von einem hasserfüllten Dämon mit einem Fluch belegt wird. Sein Todesurteil wird ihm von der Seherin vorausgesagt, was ihm dazu veranlasst das Dorf, seinen Status, seine Zukunft und letztendlich auch seine Heimat zurück zu lassen, um sich auf die Suche nach dem Herkunftsort des Dämons zu gegeben und so seinem schicksalhaften Todesurteil entgegenzutreten.

Vor Ashitakas Abreise übergibt ihm ein junges Mädchen aus dem Dorf ein Geschenk. Der Dolch, den jede junge Frau dem Brauch nach erst bei ihrer Hochzeit verschenken darf, wird ihm als Zeichen dafür zum Geschenk gemacht, dass er seine Heimat nicht vergessen sollte.

Ein toller Ausblick
Dem Schicksal kannst du nicht entgehen, mein junger Prinz, aber du kannst ihm mutig entgegentreten, wenn das dein Wunsch ist.

Als ich vor einigen Monaten meine Sachen zum Umzug gepackt hatte, kam kaum ein Gefühl auf. Doch der Abschied entfachte dann doch langsam die Wehmut, die sich erst im Laufe der Reise in mir ausbreitete und mich lange in ihren Fängen hielt. Die Worte meiner Großmutter sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben: "Vergiss nicht, woher du kommst." Auch wenn diese Worte wohl an das Nichtvergessen der Menschen gerichtet war, empfand ich diesen Satz als äußerst vielsagend.

Mit vielsagend meine ich die Auslegungsmöglichkeiten, die sich bieten:
Sind es die Menschen, meine Familie und Freunde, die ich nicht vergessen soll, meinen Ursprung, meine Vergangenheit zwischen Wäldern, Bergen und Seen oder alles gemeinsam? Spricht da die Angst des Unbekannten oder meiner möglichen zu großen Veränderung aus meiner Großmutter? Wird das Landei, dass zuvor schon Stadtluft geschnuppert hat zu einem vollwertigen Städter?

Eines veränderte sich schon als ich über all das nachdachte: Alles was diesen Ort meiner Kindheit und auch den Großteil meiner Jugend als Zuhause ausgemacht hatte, würde nun nicht mehr als selbstverständlich gelten, die Lage würde ich viel mehr als einen Ort der Erholung sehen, dem ich mehr Wertschätzung als zuvor entgegenbringen möchte. Mir wurde in diesem Moment klar, dass vieles im Leben auch in dieser Hinsicht vergänglich ist. Ob es Sichtweisen sind, die man bisher hatte, selbstverständliche Kleinigkeiten wie frisches Quellwasser, die Waldluft, die durch mein offenes Fenster strömt, ein roter, wohl zufriedener, schnurrender Kater, oder die Entzückung bei der Beobachtung eines Spontanbesuches einer Rehfamilie im Garten. Es sind Erlebnisse, die ich in meinem neuen Zuhause nicht erleben werde, was sie zu Erinnerungen macht, die mich gern an mein altes Zuhause denken lassen und mich mit Freude erfüllen, dass es Dinge gibt die immer noch bei jedem Besuch auf mich warten.

Ashitakas Gefühle in der Hinsicht werden jedoch kaum großer Bedeutung zugemessen. Sein Inneres wird natürlich offenbart, vermehrt aber im Bezug auf den wenig verbleibenen Lebenssand in der Uhr, jedoch auch die aufkommenden Zweifel, die ihn stets begleiten und Fragen in seinem Kopf ansammeln, auf die keine Antworten folgen wollen. Dennoch ist es wohl klar, dass ihm der Abschied von allem bisherigen nicht ganz leicht gefallen sein dürfte.


Heimat ist, wo dein Herz ist - Freiheit

So lautet ein wohl bekannter Satz, doch entspricht er tatsächlich immer der Wahrheit?
Ashitaka rettet während seiner Reise zwei Männern, die verletzt im Wasser liegen das Leben und bringt sie sogar zurück zu ihrem Zuhause. Der Weg dorthin führt sie durch einen verwunschenen Wald, durch den Wald des Waldgottes. Zuvor begegnet er der Titelheldin das erste Mal. Aus der Ferne beobachtet er, wie sie die Wunde einer großen Wölfin reinigt. Wie wir später erfahren werden, handelt es hierbei um ihre Ziehmutter, die Wolfsgöttin Moro.

Die Heimat der verwundeten Männer ist eine Eisenhütte, wo u.a. Eisenwaffen hergestellt werden. Die leitende Position belegt eine Frau, die ehrgeizig ein Ziel verfolgt und dabei auch mit den Bewohnern des Waldes in Konflikt gerät. Die Rohdung der Wälder erzürnt die Tiere und Gottheiten, was sowohl ihr Ziel als auch die Heimat der Waldbewohner gefährdet.

San und ihre Ziehmutter Moro
I'm not afraid to die. I'd do anything to get you humans out of my forest!

Das Wolfsmädchen San ist der zum Wesen gewordene Zenit des Zwist, denn als Mensch, der von Tieren aufgezogen wurde, ist sie natürlich daran interessiert ihren Lebensraum zu schützen, nämlich den Wald des Waldgottes.

Selbst der unausweichliche Tod würde sie in ihrem Bestreben, den Wald zu retten, nicht aufhalten. Der Hass für die menschliche Rasse ist durchaus groß, Erfahrungsbehaftet und macht sie anfänglich blind für anders gesinnte Menschen wie Ashitaka, die den Einklang zwischen Mensch und Natur bewahren bzw. wiederherstellen möchten.


Der Kreislauf des Lebens - Sicherheit

Der Kampf um Rohstoffe, Unsterblichkeit und Heimat ist auf seinem Höhepunkt, als der Waldgott, der Herrscher von Leben und Tod, Symbol für die stetige Erneuerung der Natur, im wahrsten Sinne des Wortes seinen Kopf verliert. Kopflos verwandelt sich sein Körper in ein giftiges Serum, welches auf der Suche nach seinem Kopf nach und nach das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt, denn die bloße Berührung würde den Tod bedeuten.

In letzter Sekunde wird der Kopf seinem rechtmäßigen Besitzer von San und Ashitaka übergeben. Die Zerstörung des Landes ist zwar nicht mehr abzuwenden, allerdings ist sie Teil des ewig währenden Kreislaufes, denn aus ihr heraus kann etwas Neues entstehen. Die Natur heilt sich selbst und wächst, erneuert sich, was auch die Menschen dazu veranlasst neu zu beginnen.

ein Neuanfang
Können der Wald und die Menschen nicht in Frieden miteinander leben?
Ashitakas Fluch wurde durch den Waldgott aufgehoben und ermöglicht ihm so sein Leben neu auszurichten, und das ohne Angst vor der Zukunft zu haben. Die neu erbaute Eisenhütte wird sein Zuhause während San, immer noch durch die Taten der Menschen verletzt weiterhin den Wald bewohnt.

Ist Heimat also auch eine Frage von Sicherheit?

Heimatlose, innerlich nicht sesshafte Menschen würden wohl das Freiheitsgefühl bevorzugen, aber existiert selbst Freiheit nicht nur, weil man sie mit der Sicherheit in der richtigen Waage hält? Heimat ist jedenfalls nicht immer nur ein Ort. Heimat ist vieles mehr, möchte sagen eher ein Gefühl der Zugehörigkeit, eine wohlige Wärme im Herzen, und ja, für mich ist es auch eine Frage von Sicherheit.

Momentan bin ich noch genauso wie San und Ashitaka in der Erneuerungsphase, denn ein Wechsel des Wohnortes bedeutet natürlich nicht, dass auch dort nun auch deine Heimat ist.

Als Ashitaka den Dolch an San weiterverschenkt, könnte man meinen, dass sich seine Heimat neu verlagert hätte. Das Geschenk könnte aber auch nur der Wertschätzung wegen gewesen sein.

Ob es sich ändert, oder ob das Heimatherz für den Ort, aus dem man kommt für immer schlagen wird, kann ich jedenfalls nicht beantworten, aber zur Zeit schlägt meines noch immer für den Ort, welcher zwischen Wäldern, Seen und Bergen liegt.

Was bedeutet für euch Heimat?

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