Regisseur Laurent Tirard über Der kleine Nick

26.08.2010 - 08:50 Uhr
Regisseur Laurent Tirard und sein Hauptdarsteller Maxime Godart
Central Film Verleih
Regisseur Laurent Tirard und sein Hauptdarsteller Maxime Godart
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Der französische Regisseur Laurent Tirard hat sich an den Kinderbuchklassiker Der kleine Nick gewagt. Jetzt, wo der Familienfilm auch in unsere Kinos kommt, hat Laurent Tirard Zeit für ein Interview.

Die Abenteuer des kleinen Nick gab es bislang als Comics, Bücher und seit einigen Jahren auch als Hörbücher. Den Weg auf die Kinoleinwand fanden der Lausbub und seine Freunde allerdings erst im vergangenen Jahr in Frankreich. Heute läuft Der kleine Nick bei uns an. Der Regisseur, dem wir das zu verdanken haben, ist Laurent Tirard. Was den Franzosen so an den Geschichten fasziniert und wie die Dreharbeiten mit den zahlreichen Kinderdarstellern waren, verrät er im Interview.

Auszüge aus dem Interview mit Laurent Tirard:

Wie kam dieses Projekt zustande?
Laurent Tirard: “Die Produzenten Marc Missonnier und Olivier Delbosc hatten die Idee, den kleinen Nick fürs Kino zu adaptieren und fanden, dass ich derjenige sei, der das am besten könnte – und fragten mich. Es handelte sich insofern um kein Projekt, das ich schon lange mit mir herumgetragen hätte. Als sie mich anriefen, kam es mir aber gleich ganz zwingend vor. Ich bin mit dem kleinen Nick aufgewachsen. Ich habe es als Junge gelesen. Diese Geschichten passten zu mir und sie sprachen zu mir. Ich wusste sofort, wie der Film aussehen müsste.”

Wie erklären Sie es sich, dass die Geschichten des Duos Jean-Jacques Sempé und René Goscinny so viele Menschen auf der ganzen Welt ansprechen?
Laurent Tirard: “Ich finde es schwierig, das auszudrücken. Jean-Jacques Sempé und René Goscinny verstanden es einfach, da eine Saite anzuschlagen. Das ist wirklich das, was wahre Künstler ausmacht: dass es ihnen gelingt, zum kollektiven Unterbewusstsein vorzudringen. Sie verstanden es, einen bestimmten Duft, eine Musik einzufangen, die aus dem Buch steigt und den Leser berührt: das Thema der Kindheit. Jeder erkennt sich in dieser ganz eigenen Mischung aus Ironie und Poesie wieder, dieser Blick, der gleichzeitig ein sehr kindlicher ist, aber mit dem Verständnis eines Erwachsenen. Wenn Spielberg Filme für Kinder gedreht hat, ist es ihm immer gelungen, mit ihnen auf Augenhöhe zu bleiben. Ich habe mir sehr viele von seinen Filmen angeschaut, um zu verstehen, wie ihm das gelungen ist – es geht ja nicht nur darum, den Blickwinkel der Kamera auf Kindersicht zu bringen, sondern auch aus ihrer Sicht die Geschichte zu erzählen und dabei doch Erwachsener zu bleiben und auch Erwachsene anzusprechen.”

Wie sind Sie mit dem Aspekt umgegangen, dass die Geschichte auf zwei Ebenen funktionieren und sowohl Kinder als auch Erwachsene auf bestimmte Art und Weise ansprechen musste?
Laurent Tirard: “Diese Doppeldeutigkeit ist ja schon in den Originalgeschichten vorhanden, und ich mag das sehr daran. Auch in den Hollywoodfilmen der 30er bis 50er Jahre hatten die Drehbuchautoren gar keine andere Wahl, um die behördliche Zensur zu umgehen, als das Entscheidende in den Subtext zu verlagern. Wenn man diese Filme mit einigem zeitlichem Abstand wiedersieht, erschließt sich einem erst die wahre Bedeutung der Dialoge, die an der Oberfläche so harmlos und glatt wirken. Die Zensur hat diese Doppeldeutigkeit überhaupt erst hervorgebracht. Darum geht es beim kleinen Nick natürlich nicht, weil sich die Figuren alle sehr gut zu benehmen wissen. Aber man spürt ihre Fehler, ihre Enttäuschungen, ihre Schwierigkeiten. Wenn man den kleinen Nick als Kind liest, erkennt man längst noch nicht alles das, was man als Erwachsener dort entdeckt. Das zeigt für mich den Reichtum und die Intelligenz des Werkes.”

Hat es den Dreh sehr kompliziert gemacht, so viele Kinder am Set zu haben?
Laurent Tirard: “Die erste Szene im Film ist das Klassenfoto: Die Erwachsenen tun so, als ob sie die Kinder unter Kontrolle hätten, dabei werden sie von ihnen völlig in den Sack gesteckt. Und genau so ist es bei den Dreharbeiten gewesen: Die Kinder haben uns irre gemacht! Jeden Tag dasselbe Spiel: Morgens fing alles noch gut an, aber im Laufe des Tages geriet alles immer mehr außer Kontrolle! Wir haben uns die Haare gerauft und versucht, eine konzentrierte Atmosphäre aufrechtzuerhalten, aber das war vergebliche Liebesmüh! Jeden Abend war man völlig fertig, und doch hat es uns an jedem Morgen wieder aufs Neue Freude gemacht, sie wiederzusehen. Das liegt einfach in der Natur der Kinder. Wenn ich gefragt werde, wie man sich das vorzustellen hat, mit Kindern zu arbeiten – und wir hatten schließlich acht davon – sage ich einfach: als ob man allein erziehender Vater von acht Kindern ist, und zwar an dem Tag, an dem man in die Ferien fährt! Aber sie waren wirklich großartig, und der Vergleich mit einem allein erziehenden Vater ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Sie waren meine Kinder, und ich fand sie wundervoll!”

Was haben Sie als Regisseur bei den Dreharbeiten gelernt?
Laurent Tirard: “Ich weiß jetzt, dass ich mit Kindern arbeiten kann, dass ich es hinbekomme – oder es zumindest überlebe – und dass ich auch großen Spaß dabei habe. Mit ihnen hat man keine Probleme, was aufgeblasene Egos und Machtspielchen betrifft. Wenn ein Kind mit einer Szene nicht zurecht kam, dann nicht, weil es sich fragte, was die Motivation seiner Figur in dieser Szene sein könnte oder die Autorität des Regisseurs in Frage stellte. Wenn ihnen etwas misslang, dann war es, weil sie noch keinen Zugang gefunden hatten, den Kniff, mit dem sich die Blockade aufheben ließ. Wenn sie einmal nicht konzentriert waren, dann deshalb, weil sie nun einmal Kinder sind und man von ihnen nicht sechs Stunden ununterbrochene Konzentration verlangen kann.”

Was kann das Publikum vom fertigen Film erwarten?
Laurent Tirard: “Eine Rückkehr in die eigene Kindheit, hoffe ich, zumindest einen kleinen Hauch davon. In welcher Epoche auch immer man groß geworden ist, man kann sich hoffentlich durch den Film noch einmal in seine eigene Kindheit stürzen und die Unschuld, die Naivität und die Begeisterungsfähigkeit dieser Zeit wieder erleben. Und vielleicht bringt der Film ja auch Menschen verschiedener Generationen dazu, sich über ihre Kindheit auszutauschen. Ich bin sicher, ein Großvater und sein Enkel, die sich zusammen den Film anschauen, werden genau dasselbe empfinden!”

Mit Material von Central Publicity

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