Reise durch die Spielegeschichte im Test zu Evoland 2

25.08.2015 - 16:00 Uhr
Evoland 2
Shiro Games
Evoland 2
0
0
Evoland 2 ist der spirituelle Nachfolger von Evoland, der uns diesmal nicht nur an Final Fantasy und Zelda erinnert, sondern sich als Hommage an sämtliche große Titel der Spielegeschichte präsentiert — und ich schwebe in der süßen Wolke der Nostalgie.

Mit Evoland setzten die französischen Indie-Entwickler von Shiro Games im jahr 2013 den Keimling für die wundervolle Idee, einen Mix aus RPG und Action-Adventure zu erschaffen, der uns die Entwicklungsgeschichte beider Genres von der Darstellung in 8-Bit bis hin zur Dreidimensionalität spielerisch näher bringt. Diese Idee ließ im ersten Versuch der Umsetzung jedoch nicht mehr als einen soliden und kurzweiligen Rückbesinnungs-Trip erwachsen, der vor allem daran krankte, dass ich ihn nie als Teil eines vollständigen Spiels wahrnahm.

Evoland fühlte sich stets an wie eine Zug-Reise durch jegliche Videospiel-Stationen, die den Mittelpunkt meiner Kindheit und frühen Jugend bildeten. Dabei präsentierte sich das Spiel als Konglomerat aus Anspielungen und veranschaulichte Evolution japanischer RPGs und Action-Adventures wie The Legend of Zelda und Final Fantasy. Dass eben solche Spiele erinnerungswürdige Geschichten und komplexe Figuren präsentierten, konnte Evoland hingegen nicht imitieren. Für weitaus tiefgreifendere Reaktionen als ein andächtiges Lächeln und freundliches Winken während des Vorbeidüsens an pixeligen Städtchen, dreidimensionalen Ungetümen und vorgerenderten Hintergründen sorgte der Vorgänger daher am Ende nicht.

Evoland 2 macht vieles anders.

Gleiche Idee, neuer Ansatz

Nunmehr zwei Jahre sind seit der Veröffentlichung von Evoland vergangen. Während des Schreibens dieser Zeilen geistern gerade die Bilder eines kleinen Entwicklerteams in meinem Kopf, das kurz nach der Veröffentlichung ihres Debüts lauthals am Gruppentisch zusammensaß, Kritiken und Verbesserungsvorschläge verarbeitete und die Antwort auf die Frage überlegte: ,,Wie kann der Nachfolger zu einem Spiel aussehen, das mehr von seinem festen Konzept als von seiner Story und seinen Charakteren lebt?"


Die Antwort auf diese Frage ist simpel, aber entscheidend: Es gibt diesmal eine Story, und damit meine ich eine richtige Story, die die für so manche Emotionen verantwortliche Gesichtmuskulatur weitaus mehr beansprucht als ein ,,Laufe zu A und erledige B, weil B bedroht C"-Szenario, dass sich gähnend langsam durch das gesamte Spiel zieht. Ja, und an dieser Stelle dürft ihr euch bitte einen veruteilenden Blick meinerseits in Richtung des Vorgängers dazudenken. Charaktere, die sich mit mehr als ihren bloßen Anzeigenamen auszeichnen können, gibt es nun ebenfalls. Doch dazu gleich Genaueres.

In die Vergangenheit und zurück in die Zukunft

Ach wie schön ist doch die süße Nostalgie! Mit der Freude auf etliche herzerwärmende Erinnerungen an meine Kindheit startete ich eines lauen Sommerabends das Spiel welches mich in die Haut eines zunächst farblosen 8-Bit-Helden namens Kuro steckt. Bewaffnet mit einem grob gepixelten Holzschwert wackelte ich anschließend - zu diesem Zeitpunkt schon in der Ära 16-Bit angekommen - durch ein strahlend grünes Wäldchen und bekämpfte allerlei eckiges Ungetüm, während träumerische Chiptune-Musik für das allerletzte Tüpfelchen Retro sorgte.

Also dann, wie konzipiert man eine von alten Zeiten angehauchte JRPG-Story? Zusätzlich zum Helden-Jüngling nehme man ein plötzlich auftauchendes Magier-Mädchen, ein Zwist zwischen vermeintlich feindseligen Dämonen und einer opportunistischen Übermacht sowie eine geheimnisvolle Macht, die die Geschehnisse noch zusätzlich verkompliziert. In diesem Falle ist das ein Magilith, ein blau leuchtender Kristall, der es erlaubt, den Zeitstrahl entlang zu reisen. Fortan schickte mich Evoland 2 mit meinen beiden Begleitern Fina und Menos ganz im Stile von Chrono Trigger auf eine charmante Zeitreise zuzüglich sich ändernden Grafikstils, um den Lauf der Dinge zu verändern und die Welt zu retten.

Auch Evoland 2 führt uns von der 8-Bit Epoche bis hin zur Darstellung in 3D.


Man merkt wahrscheinlich hier schon, dass ich recht begeistert darüber bin, wie sehr die Entwickler aus dem Vorgänger gelernt haben. Doch zunächst muss ich mir den Wind selbst wieder aus den Segeln nehmen: Zu Tränen rührte mich die Geschichte von Evoland 2 nicht, ebenso wenig versetzte sie mich in meine Pyjama zurück, mit dem ich mich vor 15 Jahren vor meinen Röhrenfernseher kuschelte, um mich in Final Fantasy XI hineinzuträumen. Nichtsdestotrotz gibt Evoland 2 mit dieser Story nun immerhin eine Richtung vor und bietet die Möglichkeit eines befriedigenden Abschlusses, die im Vorgänger gefehlt hat.

Die Charaktere sind zwar deutlich komplexer als noch zuvor, dennoch wurden Kuro, Menos und Fina mit der Schablone für klassische JRPG-Helden gezeichnet: Der tollkühne Held, der grobe Haudrauf und die verantwortungsbewusste Heilerin - obgleich stereotyp, brachten mich die Figuren zum Schmunzeln, weil sie hier an Link, da an Barret und dort an Terra erinnerten.

Genre-Festival

Spielerisch bleiben Shiro Games ihrer Grundidee treu, haben diese nun aber weiter ausgebaut: Auch Evoland 2, im Kern der bekannte Mix aus klassischem JRPG und Action-Adventure, ist immer noch eine Lektion in Sachen Entwicklungsgeschichte, beschränkt sich aber diesmal nicht nur auf diese zwei Genres allein. Zeitweilig bricht das Spiel aus seinem RPG-Korsett aus und präsentiert sich als Jump 'n' Run oder Beat 'em up, wodurch nun ebenfalls daran erinnert wird, wie wundervoll wie Super Mario Land oder Street Fighter damals waren.

Auch in dieser Stealth-Passage lautet die Lösung ,,Karton".


Während Jump'n'Run-Passagen vergleichsweise gut von der Hand gehen, sorgte der besagte Beat 'em up-Abschnitt für verkrampfte Finger, weil ich eher mit der Steuerung als mit meinem Kontrahenten rang. Auch als Rollenspiel kratzt Evoland 2 nur an der Oberfläche: Ein komplexes Ausrüstungs-System ist quasi nicht vorhanden und die Statuswerte Kuros beschränken sich auf Angriff, Verteidigung und Lebenspunkte - und das ist völlig in Ordnung. Ja wirklich, auf offensichtliche Gameplay-Schwächen herumzureiten ist hier einfach nicht sinnvoll.

Vielmehr muss danach gefragt werden: Was will dieses Spiel?

Evoland 2 will nicht jegliche Genres perfekt repräsentieren. Diesem Anspruch will es gar nicht gerecht werden. Evoland 2 ist eine Hommage, ein lieb gemeintes Imitat, ein Bündel voller Erinnerungen und Anspielungen an all die großen Klassiker der Videospielgeschichte, die in den letzten 20 Jahren den Mittelpunkt unserer Freizeit bildeten. Neben all den bereits gefallenen Namen sind Metal Gear Solid, Tomb Raider und Bioshock Infinite wiederum nur einige der vielen Bekanntheiten, die in Evoland 2 auf irgendeine Art Erwähnung finden.

Fazit

Evoland 2: A Slight Case of Spacetime Continuum Disorder, so der vollständige Titel, ist eine Fortsetzung wie sie im Entwicklerbuche steht. Der kleine Indie-Titel plustert sich auf wie ein riesiges Festival, das hintereinander etliche Genres und Klassiker der Videospielgeschichte abfeiert, versäumt dabei aber nicht, sich selbst mit Story und liebenswürdigen Figuren als Headliner in den Mittelpunkt zu stellen. Zwar profiliert sich Evoland 2 weder als RPG noch als Action-Adventure oder Beat 'em Up, schleudert aber mit so viel Charme der Vergangenheit um sich, dass das beinahe egal ist.

Evoland 2 wurde mit Hilfe eines vom Entwickler zur Verfügung gestellten Review-Keys erstellt.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News