Reise nach Alaska im Test zu Never Alone

18.11.2014 - 18:30 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Never Alone
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Never Alone
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Ein kleines Mädchen und ihr Polarfuchs trotzden im Platformer Never Alone den harschen Bedigungen des eisigen Alaskas. Ob sich das verschneite Märchen lohnt, erfahrt ihr in meinem Review.

Mythologie wird gerne als Basis für Videospiele verwendet, allerdings sind es meists entweder nordische, griechische oder erfundene Legenden, die ihren Platz in den Gaming-Olymp finden. Darüber hinaus finden wir nur wenige Kulturen, deren Sagen und Geschichten ihren Weg in das interaktive Medium gefunden haben und noch seltener solche, die heute tatsächlich noch existieren und nicht in Klischees ertränkt werden. Es ist also kein Wunder, dass die Aufmerksamkeit um den Platformer Never Alone (Kisima Ingitchuna) fast schon automatisch kam, denn das kleine Spiel wurde in Zusammenarbeit mit den Inupiat erstellt, den indigenen Ureinwohnern Alaskas.

Basierend auf den Legenden des Volkes erzählt das Indie-Game von Upper One Games die Geschichte der kleinen Nuna und ihres Polarfuchses, die den Grund für einen mysteriösen, nicht enden wollenden Schneesturm herausfinden wollen, der ihr Dort heimsucht.

So nah und doch so fern


Ihr schlüpft sowohl in die Rolle des Mädchens als auch ihres Haustieres oder könnt eine davon im lokalen Koop an einen Freund abtreten. Jeder Charakter hat besondere Fähigkeiten, die ihr für das Vorankommen benötigt. So kann Nuna unter anderem schwere Gegenstände schieben und mit ihrer Bola (einer Art Schleuder) brüchiges Eis zerstören, während ihr kleiner Begleiter dafür agiler ist und auch an schmale Stellen kommt, die dem Mädchen vorenthalten bleiben, oder sogar geisterhafte Wesen lenken, die neue Wege erschließen. Gewechselt wird via Knopfdruck und praktischerweise folgt euch der dann von der KI gesteuerte Charakter automatisch, sofern keine Hindernisse oder Gefahren ihn aufhalten.

Bola im Einsatz


Neben den Platforming-Einlagen gibt es außerdem Puzzles und natürlich Feinde, die es zu überwinden gilt. Hier kommt entweder die bereits erwähnte Schleuder zum Einsatz, euer Verstand oder schlicht eure Beine, denn mehr als einmal müssen die Gefährten vor einer Gefahr fliehen. Never Alone erinnert sowohl mit seinem Gameplay als auch mit seiner minimalistischen, aber trotzdem erschreckenden Brutalität ein wenig an Limbo.

Anders als das schwarz-weiß Indie-Game wirkt die harsche Landschaft Alaskas allerdings nie bedrückend, sondern verzaubert mit ihrer stillen, gefährlichen Schönheit. Ich bin ehrlich, ich war ein wenig überrascht, wie abwechslungsreich sich die Hintergründe entgegen meiner Schnee-geprägten Erwartung dann doch gestaltet haben. Auch der Stil der Charaktere weiß zu überzeugen, einzig die durch die Kunst der Inupiat inspirierten Animationen bestimmter Sequenzen dürften mit ihrer fast kruden Ästhetik nicht jedermanns Geschmack treffen.

Spannend ist auch das Sounddesign. Der Erzähler von Never Alone spricht in Inupiaq, was durchgehend den Eindruck vermittelt, einer der Ältesten würde euch die Geschichte von Nuna und ihrem Fuchs am Lagerfeuer erzählen. Keine Sorge, das Spiel hat natürlich Untertitel und gibt sich alle Mühe, euch mit ihnen nicht zu stark von dem Spielgeschehen abzulenken. Das gelingt mal mehr und mal weniger. Wie ich feststellen musste, ist es nicht unbedingt einfach, zu lesen und dabei vor einem Eisbär davonzulaufen.

Nuna und der Eulenmann


Nicht nur das Spiel selbst verrät euch mehr über das Leben der Ureinwohner Alaskas, auch Mini-Dokumentationen, die ihr freischaltet, wenn ihr Schneeeulen begegnet, geben einen besseren Einblick auf das faszinierende Leben unter so harschen Bedingungen. In kleinen Videos teilen die Inupiat ihren Alltag und ihre Geschichte und machen deutlich, woher die Inspiration für bestimmte Elemente in Never Alone stammt.

Leider ist es die technische Seite von Never Alone, die nicht zu überzeugen weiß. Meine erste halbe Stunde im Spiel verbrachte ich damit, meinen Xbox 360-Controller zu suchen und am PC zu installieren, um überhaupt spielen zu können, da es keine Möglichkeit gab, auf Tastatur umzuschalten. Danach wurde es nur bedingt besser, denn die Steuerung ist stellenweise sehr hakelig. Das fällt vor allem auf, wenn ihr den Fuchs spielt, dessen Sprünge sehr ungenau sein können, was gerne mal in seinem Tod resultiert. Die Trauer über das wirklich herzzerreißende Sterbegeräusch des flauschigen Tieres wird aber schnell durch die unfreiwillig komischen bis erschreckenden Todeszuckungen des glitchenden kleinen Körpers überschattet.

Das alles wäre vielleicht noch zu verschmerzen, wenn sich die Hakeligkeit nicht nur auf die Steuerung, sondern auch auf die Lösung von Problemen beziehen würde. Mehr als einmal kam es vor, dass ich zwar die richtige Idee hatte, das Spiel sie aber schlicht nicht akzeptierte bis es irgendwann (nach einer begrenzten Anzahl alternativer Ideen) dann grundlos doch funktionierte. Etwas mehr Feinschliff hätte hier gutgetan.

Fazit

Never Alone gibt einen faszinierenden, spielerischen Eindruck in eine für viele völlig fremde Kultur, mit der wir wahrscheinlich ansonsten keine Berührungspunkte hätten. Trotz seiner spielerischen Macken zeigt der kleine Platformer, dass Videospiele das perfekte Medium sein können, um einen Einblick in die Lebensweise anderer Völker zu geben, ohne dabei den für viele abschreckenden Stempel Edutainment aufgedrückt zu bekommen.

Never Alone wurde in Form eines Review-Keys von E-Line Media bereitgestellt und auf einem PC getestet. Zum Zeitpunkt des Reviews wurde das Spiel noch nicht gepatched, der Entwickler gab aber an, dass es bald geschehen soll.

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