Show Me a Hero mit Oscar Isaac - Folge 3 & 4

25.08.2015 - 10:15 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Show Me a Hero
HBO
Show Me a Hero
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Nick lernt, was es bedeutet zu regieren und wird dafür von den Wählern abgestraft in zwei neuen Folgen von HBOs Show Me a Hero.

Oscar Isaac ist ein begnadeter Schauspieler. Wäre Show Me a Hero seine erste große Hauptrolle, fiele das Urteil genauso aus. Dabei fehlen der Serie von David Simon und
William F. Zorzi bislang jene Drehbuchmomente, die gemeinhin als Füllmaterial für Preisverleihungen taugen. Die großen, leidenschaftlichen Ansprachen, die tragischen Zusammenbrüche, die wütenden Ausraster und endlosen Monologe über Ratten in französischen Bauernhäusern. So erdrückend ist der Lärm der Protestler auf der Straße und im Rathaus von Yonkers, dass selbst ein Col. Nathan R. Jessup  entmutigt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte und nach Hause gegangen wäre. Es hört ihm ja doch niemand zu. In dieser Situation findet sich Isaacs Bürgermeister Nick Wasicsko wieder, der nicht nur den Bankrott seiner Stadt Yonkers fürchtet, sondern auch die Entlassung von Hunderten Angestellten städtischer Dienste. Nick schwingt für einen Politiker erstaunlich wenige Reden und wenn er es tut, wie in der dritten Folge von Show Me a Hero, erscheint seine Wortwahl seltsam passiv. Von der Wendigkeit des Gegners redet er da mehr als seinen eigenen Zielen und beschwört eine gesichtslose stille Mehrheit, wie ein Medium, das bei einer besonders zähen Séance auf den Gast aus dem Jenseits wartet - der nicht kommt.

This is where I imagine myself
In Episode 3 und 4 steht Nicks wichtigster politischer Sieg im Schatten einer Niederlage, die ihn in die Passivität zwingt. Er stand zufällig auf "der richtigen Seite der Geschichte". Aber wiegt eine Phrase den Preis auf, den er dafür zu berappen hatte? Die politische Blockade in Yonkers macht die ersten drei Folgen von Show Me a Hero aus und Oscar Isaac zeigt sich hier als Meister der Passivität. Bar ausufernder verbaler Ventile, kocht der Frust in Nicks Augen, wenn er in einer Sitzung wieder den Hammer schwingt und niemand hört. Aber nicht auf die unterdrückt aggressive Art oder jene des Weisen, der über die Unvernunft der Menschen trauert. Isaacs Nick ist zu Recht frustriert über die Verantwortungslosigkeit seiner Stadtratskollegen, der Schauspieler betont jedoch das Jungenhafte seines Helden. Nick wurde ein Geschenk vorgesetzt, das er nicht auspacken darf. So wenig Zeit verwenden Simon und Kollegen auf Nicks übrige Arbeit als Bürgermeister, dass es scheint, als ginge es Nick letztlich nicht einmal ums beschworene Regieren ("We go back to the city hall and we do our goddamn jobs. We govern."). Die Liebe der Wähler, das Prestige eines Amts, eben das weiße Haus mit Blick auf die Stadt füttern seinen Ehrgeiz. Gegen Ende der vierten Folge der sechsteiligen Serie Show Me a Hero freut sich Nick wie ein Kind im Sandkasten über die reale Manifestation seiner Politik und spielt voller Stolz Bob der Baumeister auf dem Gelände der geplanten Sozialbauten. Doch ohne Amt und Würden und mit einem maroden Eigenheim (Symbolik-Alarm!) bleibt ihm nur die Pose. Gerade im Vergleich zu Nicks Konkurrent Spallone, der von Alfred Molina dermaßen selbstzufrieden und schmierig gespielt wird, dass es ein Fest ist (die Füße auf dem Podiumstisch, das gebrochene Wahlversprechen im Nebensatz), wirkt der jüngste Ex-Bürgermeister der USA leer und verloren. Spallone, da kann man sich sicher sein, dürfte in der größten Krise immer einen beträchtlichen Rückhalt besitzen: sein Ego.

Während der vermeintliche Held des Titels schon in der dritten Folge zum Zaungast deklassiert wird, zeigt Show Me a Hero trotz des deprimierend ehrlichen Blicks auf die Realpolitik Momente des Optimismus. Etwa wenn in einer lehrreichen Szene Grundsätze der Stadtplanung nicht nur erläutert, sondern auch umgesetzt werden. Da wird der öffentliche Raum der anonymen Sozialblocks als Infektionsstelle für Verbrechen und Verwahrlosung beschrieben, wird die Verantwortung des Bürgers für seine eigene Umgebung betont, um ein gesundes Gemeinwesen zu schaffen - Vorgärten statt dunkle Flure - und die Oberen von Yonkers lassen sich dazu sogar überreden. Mit den noch immer zusammenhanglosen Mini-Episoden über die Bewohner der Blocks kontrastiert die Serie Planung und Realität: die fein skizzierten Blaupausen der neuen Häuser, die sich nahtlos in bestehende Viertel einordnen sollen, stehen den trostlosen Spielplätzen und düsteren Drogenumschlagplätzen gegenüber. Als verbindendes Motiv der dritten Folge und wohl auch der Serie kristallisiert sich die Idee des (Eigen)Heims heraus: Keine Szene fasst die Diskrepanz zwischen Vorurteilen und Nöten im Konflikt um Yonkers deswegen so zusammen wie das Interview mit Catherine Keeners Figur Mary: Die bloße Idee, dass "diese Leute" ihr neues Haus genauso lieben und pflegen würden wie sie selbst, scheint der Aktivistin noch nicht gekommen zu sein.

Denn letztendlich - und hier liegt die tagesaktuelle Brisanz von Show Me a Hero, sowohl was die USA als auch Deutschland angeht - lässt sich der Streit um den sozialen Wohnungsbau in Nachbarschaft zur Mittelschicht auf die Haltung des Betrachters reduzieren. Sind Norma, Billie, Doreen und Alma Bewohner eines städtisch finanzierten Komplexes, Zahlen in einer Tabelle der Kosten- und Nutzen-Abrechnung? Dann lassen sie sich ebenso leicht über einen Kamm scheren wie es Spallones Fotograf tut: Kinder, die zur Schule gehen, passen nicht ins gewollte Bild, Drogendealer und stolz gestreckte Mittelfinger schon eher. Oder sind sie Bürger, die ihre Umwelt ebenso mitgestalten wie es Nick mit seinem Haus und Mary mit ihrem tut? In der konkreten Umsetzung dieser humanistischen Idee geraten die Figuren in diesen beiden Episoden von Show Me a Hero bisweilen zum unverhohlenen Sprachrohr der Drehbuchautoren und so mancher Story-Bogen wirkt allzu vorhersehbar in seiner Aufarbeitung der sozialen Widrigkeiten in den Blocks. Groß ist die Serie trotzdem dann, wenn sie sich von der Politik ins Konkrete, ins Menschliche bewegt: Wenn das Geschrei der Massen verstummt und zwei Menschen trotz aller Widerstände eine Verbindung eingehen. Wenn also, wie in diesem Episoden-Doppelpack, eine Tochter endlich ihre Mutter anruft.

Anmerkungen am Rande:

  • Ein Film, der sich als ideales Begleitprogramm von Show Me a Hero anbietet: Public Housing von Frederick Wiseman (als DVD bei Zipporah Films  zu erstehen)
  • "Underneath it all is fear. Same as it ever was."
  • Bruce Springsteen-Playlist der letzten vier Folgen: Ramrod, All That Heaven Will Allow, Gave It A Name, Hungry Heart, Brilliant Disguise, Secret Garden, Valentine's Day, Cadillac Ranch, Tenth Avenue Freeze Out.

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