Subtiler Horror im Test zu The Vanishing of Ethan Carter

03.11.2014 - 12:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Vanishing of Ethan Carter
The Astronauts
The Vanishing of Ethan Carter
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Ein verschwundener Junge, ein finsteres Geheimnis, ein verlassener Wald. The Astronauts zeigen mit The Vanishing of Ethan Carter, dass weniger manchmal mehr ist. Was an dem übernatürlichen Thriller so gut ist, erfahrt ihr in meinem Review.

Das Erste, was ich in Spielen mit einer offenen Welt tue, ist den vorgegebenen Pfad zu verlassen. Das Erste, was The Vanishing of Ethan Carter tut, ist, mich nur wenigen Sekunden später mit einer tödlich wirkenden Falle daran zu erinnern, dass das nicht unbedingt eine gute Idee ist.

Der Moment erinnert ein wenig an die Geschichte von Rotkäppchen, die ebenfalls den sicheren Weg verließ und sich so in Gefahr begab. Anders als in dem Märchen gibt es in The Vanishing of Ethan Carter allerdings niemanden, der vorher die Warnung ausspricht, auf dem Pfad zu bleiben – im Gegenteil.

Auch die Wege sind nicht sicher


Das First Person-Adventure beginnt mit den bezeichnenden Worten “This game is a narrative experience that does not hold your hand”, die schon fast alles sagen, was ihr über die Idee hinter dem bildschönen Debüt von The Astronauts wissen müsst. Statt euch klare Regeln vorzugeben, bietet es eine ebenso faszinierende wie bedrückende offene Welt, die ihr erkunden müsst, um das Geheimnis um einen verschwundenen Jungen zu lüften.

Als Paul Prospero, ein Detektiv mit übernatürlichen Fähigkeiten, macht ihr euch auf den Weg nach Red Creek Valley und versucht herauszufinden, was geschehen ist, nachdem der junge Ethan Carter in einem seltsamen Brief um eure Hilfe bat. Dabei hilft euch Prosperos ungewöhnliche Gabe ungemein, denn dank ihr habt ihr die Möglichkeit, in die Vergangenheit zu blicken und bestimmte Schlüsselmomente der Familie Carter noch einmal zu erleben. So erfahrt ihr, dass Ethan offenbar eine schlafende dunkle Macht gestört hat, die seine Familie gegen ihn wendete.

Blutspuren zerstören die Idylle


Dass bereits vor eurer Ankunft etwas Furchtbares geschehen ist, wird relativ schnell klar, denn schon nach wenigen Schritten findet ihr die verstümmelten Überreste eines Mannes, der eindeutig keines natürlichen Todes gestorben ist. Um herauszufinden, was geschehen ist, müsst ihr die Umgebung nach Hinweisen durchkämmen. Findet ihr sie alle, könnt ihr Prosperos Fähigkeiten dazu nutzen, den Tatort nachzustellen und die Ereignisse, die zur Gräueltat führten, in die richtige Reihenfolge zu bringen. So werden die Geschehnisse noch einmal gezeigt und ihr seid einen Schritt näher an der Antwort, was mit Ethan geschehen ist.

Die Rätsel an sich sind nicht sonderlich schwer, oft ist die Lösung sogar sehr offensichtlich. Schwieriger ist es, die nötigen Hinweise überhaupt erst zu finden. Obwohl sie sich in einem begrenzten Radius zur Aufgabe befinden, was langes Backtracking verhindert, ist es dennoch manchmal leicht, sie zu übersehen. Das liegt aber vor allem an der Schönheit der Landschaft, die zumindest mich mehr als einmal abgelenkt hat.

Ich habe selten ein Spiel gespielt, das gleichzeitig so schön und so bedrückend war wie The Vanishing of Ethan Carter. Damit meine ich noch nicht einmal die fantastische Grafik, die mich mehr als einmal dazu gebracht hat, inne zu halten, um Gräser und Blätter dabei zu beobachten, wie sie sich sacht im Wind wiegen. Vielmehr war es die bedrückende Vertrautheit der verlassenen Welt, die mich gefangen hielt und immer wieder an die Wälder und verlassenen Gebäude erinnerte, die ich früher gern erkundet habe. Vergessene Orte, die Geheimnisse zu verbergen scheinen, von denen ich mir nicht sicher bin, ob ich sie enthüllen sollte.

Verlassene Häuser voller Geheimnisse


Es ist vor allem diese dichte Atmosphäre, die The Vanishing of Ethan Carter auszeichnet und dafür sorgt, dass mich das Gefühl der Anspannung nie verlässt. Dass ich keiner Menschenseele begegne, trägt dazu nur noch bei. Obwohl der orchestrale Soundtrack hervorragend ist, erwische ich mich dabei, wie ich mir wünsche, The Astronauts hätten auf ihn verzichtet, um die Atmosphäre noch etwas bedrückender zu machen. Das stimmungsvolle Sounddesign wirkt besonders, wenn es mit der Stille spielt und euch mit den Geräuschen der Umgebung alleine lässt. Mit rund drei bis fünf Stunden ist The Vanishing of Ethan Carter ohne Zweifel ein eher kurzes Vergnügen, allerdings ist es die perfekte Länge für die Geschichte, die erzählt wird. Ähnlich wie Dear Esther, Gone Home oder zu einem gewissen Grad Heavy Rain ist The Vanishing of Ethan Carter eher eine interaktive Kurzgeschichte als das, was die meisten als ein Spiel bezeichnen würden.

Das Gameplay ist insgesamt nicht sonderlich abwechslungsreich. Der Moment, in dem The Vanishing of Ethan Carter aber versucht, das Rätseldesign mit einer Stealth-Passage aufzulockern, ist allerdings auch der einzige im ganzen Spiel, der nicht so richtig passen möchte. Stattdessen sorgt er für unnötige Frustration und nimmt dem ansonsten bedächtigen Horror seine Subtilität. Zum Glück bleibt es aber bei dieser einen Szene, selbst wenn ich diese öfter wiederholen musste, als es mir lieb war.

Fazit

The Vanishing of Ethan Carter ist eines jener Spiele, von denen viele behaupten, sie seien gar kein richtiges Spiel. Ob sie damit recht haben oder nicht, darüber lässt sich mit Sicherheit streiten. Was das Debüt von The Astronauts aber auf jeden Fall ist, ist eine Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen kann. Es ist ein interaktiver, übernatürlicher Thriller mit beklemmend schöner Atmosphäre, der zeigt, dass weniger manchmal mehr ist.


Das Spiel wurde von uns gekauft. Alle Aussagen beziehen sich auf die PC-Version.

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