Test zu Lara Croft and the Temple of Osiris

11.12.2014 - 16:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Lara Croft and the Temple of Osiris
Square Enix
Lara Croft and the Temple of Osiris
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Lara Croft kann sich einfach nicht entscheiden: Nachdem sie 2013 als interessante, von Konflikten zerrissene Frau weinend Rehe und Ganoven jagte, holt sie nun erneut Tanktop, Shorts und Pistolen aus dem Schrank, um der ägyptischen Mythologie einzuheizen.

Ich ließ mich auf meine Couch fallen und starrte auf die Spiel-DVD in meinen Händen: Lara Croft and the Temple of Osiris strahlte es mir in großen Buchstaben entgegen. Vorsichtig drehte ich die durchsichtige Hülle des Datenträgers in meinen Händen. Ich ging noch einmal alles durch, Szene für Szene. Meine Kollegin Rae, wie sie mir das Spiel in die Hände drückte und meinte, ich sei perfekt für den Test geeignet, unvorbelastet wie ich bin. Hannes, der mir noch auf dem Redaktionsgang hinterher rief: “Der Koop ist spitze, darum geht’s ja!”

Verwirrung. Mit gerunzelter Stirn schalte ich meine Playstation ein, lege die DVD ein und versuche, meine Gedanken zu ordnen.

Ich gehöre zu den Spielern, die von der “neuen” Lara Croft alias Tomb Raider hellauf begeistert waren. Nachdem ich als Kind mit einer seltsamen Mischung aus Freude und Verstörung die ächzende Polygon-Lara durch enge Tunnel und wolfverseuchte Höhlen jagte , begrüßte ich 2013 die neue Archäologin, wie sie sich in Tomb Raider präsentierte: Willenstark, aber auch verletzlich, tiefgründig und gleichzeitig naiv zeigte sich die junge Frau, in deren Abenteuern ich mich für Stunden verlieren sollte. Den ersten Ausflug der Archäologin in die Isometrie  ignorierte ich gründlich und erfolgreich, Lara Croft and the Temple of Osiris baute sich nun aber als unausweichliche Hürde vor mir auf, die ich nicht mehr einfach umgehen konnte.

Der Titelbildschirm bereitet auf die kommenden Stunden vor.

Der Titelbildschirm flackert auf und taucht mein Zimmer in ein Meer aus wuchtigen Instrumentalklingen und einem Soundtrack, der meterweise Klangteppiche aus allen Abenteuerfilmen der letzten 25 Jahre ausgeliehen hatte und diese nun vor mir ausbreitete. Dabei starrte ich auf Lara Croft in ehemals serientypischer Klamotte, die ich noch als Kind auf Spielepackungen auswendig gelernt hatte: Tanktop, Shorts und sehr viel Schweiß auf nackter Haut. Neben ihr sind drei weitere Personen, die in dramatischer Pose auf einem Felsbrock stehen und sich mit Pistolen und magisch blau leuchtenden Stäben gegen ein endlos wirkendes Heer aus Riesenskorpionen verteidigen. Ein bedrohlicher und übergrößer Totengott des ägyptischen Mythenkreises rahmt — natürlich — diese Komposition der Klischeedramatik und rundet meinen ersten Eindruck ab: Das hier hat nichts mit Lara Croft aus Tomb Raider zu tun.

Die Handlung lässt sich recht schnell zusammenfassen: In Anlehnung an die ägyptische Mythologie erfahrt ihr von Seth, der seinen Bruder Osiris ermordet und dessen Körperteile in den Nil wirft. Laras Aufgabe ist es nun, Isis und Horus dabei zu helfen, die Einzelteile des Osiris zu finden und so Seth von der Versklavung der Menschheit abzuhalten. Nicht ganz mitgekommen? Das ist nicht unbedingt schlimm, denn auch das Spiel selbst erzählt die Geschichte mittels Zwischensequenzen, die selten länger als zehn Sekunden sind. Lieber schießen statt schwätzen: Das wird zum Motto der nächsten Spielstunden.

Damit ist eines der beiden Grundprinzipien von Lara Croft and the Temple of Osiris erfasst: Schießen, schießen, schießen. Ob nun Riesenskorpione, Skarabäen, brennende Skarabäen, Skelette, brennende Skelette oder brennende Riesenskorpione — alles, was eine andere Laufrichtung als ihr hat, ist grundsätzlich feindlich und verlangt nach Projektilgewitter.

Die Steuerung macht es euch dabei denkbar einfach, möglichst komfortabel Munitionsbehälter um Munitionsbehälter in die Vertreter der ägyptischen Mythologie zu jagen: Mit dem rechten Controller-Stick deutet ihr die mannigfaltigen Schießprügel in die gewünschte Richtung, der rechte Trigger erlöst das Ziel dann von allen irdischen Problemen. Lara legt dabei eine beachtenswerte Präzision an den Tag. “Kein Vergleich mehr zu Tomb Raider, als ich weinend 24 Pfeile in die Büsche jagte, bevor ich mein erste Reh erlegte!”, denke ich fast schon verbittert und erlege das sich am oberen Bildschirmrand aufbauende Skelett mit traumwandlerischer Sicherheit.

Der Coop ist zuweilen unübersichtlich aber meist immer spaßig.

Apropos Bildschirmrand: Während das Gegner-Material meist recht leicht zu zerlegen und nur in Überzahl wirklich gefährlich ist, entpuppt sich die Beschränkung des Bildausschnitts als euer ärgster Feind: Ob rätselrelevante Schalter, eine Truhe, die sammelbare Edelsteine zum Kauf neuer Ausrüstung im “Hauptquartier” enthält oder ungestört auf euch schießende Feinde mit zielsuchenden Energiekugeln, die isometrische Perspektive sorgt regelmäßig dafür, dass ihr schnell einmal die Orientierung verliert. Glücklicherweise liegen die Objekte und Interaktionsmöglichkeiten, mit denen ihr die zahlreichen Rätsel löst, meist in Blicknähe — womit wir beim zweiten Grundprinzip von Lara Croft and the Temple of Osiris angelangt wären: Kopfnüsse.

Auf eurem Weg zu den Credits stolpert ihr immer wieder über Spielpassagen, die einen nicht zu unterschätzenden Anteil eures Gehirnschmalzes einfordern. Grundsätzlich lassen sich diese Aufgaben in zwei Kategorien einteilen: Schalterrätsel und Schalterrätsel mit Zeitdruck. Diese Kopfnüsse sind zweifelos ein Höhepunkt des Spiels, da sie bei weitem nicht so anspruchslos wie die Schießerei ausfallen. Weiteres Plus: Je nachdem, ob ihr mit Freunden zu zweit, zu dritt oder als Viererbande unterwegs seid, passen sich die Rätselelemente eurer Anzahl an. Es ist faszinierend zu beobachten, wie beispielsweise ein Endboss im Solomodus völlig anders zu besiegen ist als in einer Dreierkonstellation, bei der bestimmte Plattformen betreten werden müssen, um die Schwachstellen des Gegners aufzudecken. Während klassische Langzeitmotivatoren wie sammelbare Ausrüstung wegen ihrer kaum wahrnehmbaren Auswirkungen auf die Spielfigur enttäuschen, gewinnt hier der Koop-Modus an Bedeutung.

Ergänzt wird das unterhaltsame Gemeinsam-Erlebnis des Multiplayers durch einen besonderen Kniff: Es ist durchaus relevant, wie viele Edelsteine gesammelt und Gegner getötet werden — jeder Spieler trägt dabei seinen eigenen Punktestand durch die Gegend. Am Ende eines Levels warten dann verschiedene Truhen mit Belohnungen, die nur mit der nötigen Anzahl an Punkten oder Edelsteinen geöffnet werden können. Kooperation ist weiterhin der Schlüssel zum Erfolg, aber manchmal ist es tatsächlich lohnender, sich rücksichtslos auf herumliegende Edelsteine zu stürzen und im Zweifel auch den Couch-Kumpanen von der nächsten Klippe zu stoßen, um selbst mehr Punkte zu sammeln. Dieser besondere Kniff trägt trotz des erhöhten Aggressionspotentials der Teilnehmer zum erhöhten Spielspaß bei. Schön!

Fazit:

Erinnert ihr euch noch an die Worte von Hannes? “Der Koop ist spitze, darum geht’s ja!” rief er mir entgegen, ohne zu wissen, dass ich — und sicherlich auch einige von euch — zunächst einmal alles aus dem frontalen Hirnlappen streichen müssen, was sie über Lara Croft in Tomb Raider gelernt haben. Selbstzweifel und interessant kommunizierte, innere Konflikte werden hier durch ein Pistolenpaar und kurze Shorts ersetzt. Diese Ausrichtung ist allerdings nicht dem Spiel anzukreiden, das schon mit dem Titelbildschirm klarstellt: Du spielst jetzt einen spaßigen Top-Down-Shooter und sorgst am besten dafür, dass möglichst viele Freunde dabei neben dir sitzen.

Diese Prämisse erfüllt Lara Croft and the Temple of Osiris bis auf einige Makel sehr gut: Die Rätsel werden zunehmend anspruchsvoller und die Levelarchitektur ist abwechslungsreich, während freispielbare Ausrüstung in den Bereich der Bedeutunglosigkeit abdriftet und die Charaktertiefe maximal bis zum Knöchel reicht. Mir persönlich gefällt die Lara Croft des letzten Tomb Raiders besser, doch über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten — am besten im Koop mit vier Freunden und einer rotierenden Datenträgerscheibe von Lara Croft and the Temple of Osiris im Laufwerk.


Lara Croft und der Tempel des Osiris wurde uns in Form einer Review-Version von Square Enix zur Verfügung gestellt. Alle Aussagen beziehen sich auf die PS4-Version.

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