Test zu Tales from the Borderlands Episode 1: Zer0 Sum

26.11.2014 - 18:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Fiona setzt eher selten auf Waffengewalt
Telltale Games
Fiona setzt eher selten auf Waffengewalt
3
0
Lässt sich aus einem First Person-Shooter ein glaubhaftes Adventure basteln oder muss ein derartiges Experiment an den gigantischen Genre-Hürden scheitern? Tales from the Borderlands weiß die Antwort und ich verrate sie euch in meinem Review.

Was in der Musik schon seit jeher Gang und Gebe ist, hat sich in den meisten Medien nie wirklich durchgesetzt. Dabei ist das Konzept von Kollaborationen doch recht simpel und bietet zumindest in der Theorie jede Menge narratives Potenzial. Auch im Bereich der Videospiele bleiben die Entwickler lieber unter sich und teilen ihre Franchises nur, wenn es aus wirtschaftlicher Sicht einfach nicht mehr anders geht und die Rechte abgetreten werden müssen.

Umso überraschender war die Bekanntgabe, dass sich Telltale Games, die bisher auf Lizenzen von Comic-, Film- und gelegentlich auch inaktiven Spielereihen konzentriert haben, mit Gearbox Software zusammentun, um das Borderlands-Franchise einer umfassenden Genre-Umwandlung zu unterziehen. Mit erzählerischem Fingerspitzengefühl schaffen es die neuen Entwickler, die offensichtlichen Komplikationen zu vermeiden und die Stärken der Vorlage in Gerüst zu stecken, das der charmanten Welt viel besser steht als das bisherige FPS-Gewand.

Ganz ohne Action kommt das Adventure auch nicht aus


Spätestens bei Borderlands: The Pre-Sequel wurde deutlich, dass sich das eigentliche Gameplay der Reihe langsam erschöpft und sich auf die simplifizierte Jagd nach der nächsten Bombast-Waffe reduziert. Die spielerischen Schwächen verdecken dabei aber die tatäschlichen Highlights der Reihe, denn das Besondere an den Borderlands-Ablegern waren weder die Shootermechaniken noch das gigantische Loot-System, sondern die erzählte Welt mitsamt ihren schrägen Figuren und dem originellen Witz der Autoren.

Tales from the Borderlands beweist schon in der ersten der insgesamt fünf Episoden, dass diese Anlagen erkannt wurden und dass sich das Spiel der Geschichte unterwirft. Die Befürchtung, dass dem durchgedreht absurden Unisversum eine allzu ernste oder sogar melancholische Stimmung auferlegt wird, legt sich erfreulicherweise schon in der allersten Einstellung. Telltale Games presst das Franchise nicht in die hauseigenen Adventure-Mühlen, sondern fügt sich der Vorlage mit Bedacht für die gegebenen Erzählstrukturen, die in den Shootern aufgebaut wurden.

Aus dem Borderlands-Setting wurde letzlich das gemacht, was sich am ehesten anbieten würde, nämlich eine spielbare Abenteuerklamotte, die zu gleichen Teilen an Jäger des verlorenen Schatzes und Guardians of the Galaxy erinnert. Die beiden Hauptfiguren Rhys und Fiona sind die klassisch gegensätzlichen Charaktere, die sich aufgrund ihrer verzweifelten Situation zusammentun müssen und sich letztlich sympathischer sind, als ihnen lieb ist. Aber obwohl der Hyperion-Mitarbeiter und die Pandora-Bewohnerin überaus charmant gezeichnet sind, erschöpft sich der Bestand der hochwertigen Figuren nicht nur in den beiden Glücksrittern.

Fiona und Rhys haben wenig gemein


Auch der Rest der Gruppe und die Mitglieder der verschiedenen Parteien des Spiels sind sorgfältig inszeniert und kommen mit einem jeweils eigenem Witz daher. Hier offenbart sich auch die größte Überraschung, die Tales from the Borderlands bisher für mich bereithielt, denn der Humor der Vorlage wurde virtuos auf die neuen Figuren übertragen und ich durfte während der etwa zweieinhalbstündigen Episode mehrmals herzhaft lachen. Dass es das Finale von Zer0 Sum dann sogar noch schafft, mir ob der brachialen Rasanz den Atem zu rauben und mich im Anschluss sogar noch sentimental werden lässt, zeigt das handwerkliche Können der Telltale Games-Autoren.

Besonders erfreulich war die große Nähe, die Tales from the Borderlands zu Borderlands 2 aufweist. Anstatt sich einfach nur an dem Universum zu bedienen und dann eine vollkommen eigenständige Figurenwelt zu entwerfen, rückt die erste Episode nicht allzu weit von dem Original ab. Sowohl die Vault Hunter als auch zahlreiche Nebencharaktere geben sich in Tales from the Borderlands wieder die Klinke in die Hand. Das lässt die Telltale-Umsetzung organisch wirken und könnte womöglich auch zukünftige Ableger der Haupt-Reihe beeinflussen.

Diesmal sind die Hyperion-Roboter unsere Freunde


In spielerischer Hinsicht bleiben sich die Entwickler dann aber doch treu und setzen abermals auf minimale Eingabemöglichkeiten des Spielers und ermöglichen die dennoch tiefreichende Interaktion mit dem Spiel durch die zahlreichen, storyrelevanten Dialogoptionen. Überraschenderweise wurde aber denn noch der rasante, actionhafte Charakter von Borderlands eingefangen. Zwar greifen wir nicht selbst zur Waffe, dennoch sind Schießereien mit Banditen, Verfolgungsjagden und die charakteristischen Hyperion-Knarren auch hier vertreten.

Obwohl der eher leichtherzige Plot auf dem ersten Blick suggeriert, dass meine Entscheidungen hauptsächlich dazu dienen, zwischen zwei oder drei verschiedenen Witzen zu wählen, wird schnell deutlich, dass ich sehr wohl einen großen Einfluss auf die Geschichte und die Charaktere ausübe. So kann ich einer mir gegenüber skeptischen Begleiterin meine Waffe geben oder sie ihr verweigern. Wenn ich ihr vertraue, hilft sie mir später mit eben dieser Waffe aus der Patsche, ansonsten habe ich eben Pech gehabt.

Fazit

Tales from the Borderlands ist genau das, was das Borderlands-Franchise gebraucht hat. Telltale Games befreit das charmante Universum von spielerischen Ketten und passt das Gameplay-Gerüst an die Geschichte an, anstatt sie den mechanischen Zwängen eines Shooters zu unterwerfen. Der Auftakt des Experiments ist mehr als nur gelungen, obwohl es auch ganz furchtbar hätte schiefgehen können. Bleibt zu hoffen, dass das Tempo beibehalten werden kann.

Tales from the Borderlands Episode 1: Zer0 Sum wurde in Form eines Review-Codes von Telltale Games bereitgestellt. Alle Aussagen beziehen sich auf die PC-Version.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News