The Division ist mir zu realistisch für ein Rollenspiel

09.03.2016 - 18:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Tom Clancy's The Level up
Ubisoft
Tom Clancy's The Level up
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Mit The Division wagt sich Ubisoft an einen Mix aus seriöser Militär-Fiktion und klassischen RPG-Mechaniken. Doch anstatt das beste aus beiden Welten zu vereinen, ist für mich genau das Gegenteil passiert.

Mein Kollege Dom hat sich seine dicken Socken angezogen und krabbelt gerade durch Manhattan, ballert auf böse Buben und sammelt dabei bunte Bommelmützen ein. Doch so skeptisch er gegenüber Tom Clancy's The Division anfangs auch war, mittlerweile scheint er sich in der ewig kalten Post-Apokalypse wohl zu fühlen . Zuletzt gab es sogar einen Aufruf, was zukünftige Rollenspiele eigentlich alles von The Division lernen können und auch sollten . Aber ich bin noch nicht sicher, ob mich mein rotbärtiger Arbeitskumpel überzeugen konnte.

Was lange währt, wird plötzlich ganz anders

Vielleicht liegt das aber auch an einem Missverständnis. Da ich den Trubel und den Hype um The Division immer nur um Rande mitverfolgt hatte, musste ich in den letzten Wochen erst lernen, dass Ubisofts MMO-Shooter deutlich mehr Rollenspiel ist als ich eigentlich dachte. Das ist natürlich nichts schlimmes, denn im Grunde ist mir jedes Genre recht, wenn es nur angemessen umgesetzt wird. Aber warum bin ich denn stets davon ausgegangen, dass es sich bei The Division um einen taktischen Third Person-Shooter handelt, der maximal leichte RPG-Anleihen hat? Warum machst du sowas, Hannes?!


Mittlerweile weiß ich, dass es an dem Realismus liegt, den mir The Division in nahezu jeder Faser des Spiels um die Ohren haut. Klar, es ist ein post-apokalyptisches Szenario in der nahen Zukunft und doch scheint Ubisoft sehr darauf zu pochen, wie glaubwürdig und real es in The Division zugeht. Egal, ob es nun um die Spielwelt, die Figuren, die Waffenmodelle oder den politischen Hintergrund geht: So könnte es wirklich passieren, hat Ubisoft gesagt! Dass Tom Clancy und damit die Aura der US-amerikanischen Militär-Fiktion vor dem Titel lauert, unterstreicht meine Wahrnehmung nur.

Und das ist auch alles ok, aber irgendwie tue ich mich dann schwer damit, wie viel konservative RPG-Mechaniken in The Division zu stecken scheinen. Meine ersten längerfristigen Ausflüge in das Spiel stehen noch aus, doch schon jetzt erscheint mir The Division als spielmechanisches Ungeheuer das zwischen den Stühlen sitzt und nicht weiß, ob es nun lieber Counter-Strike oder doch eher Diablo III wäre. Passen denn RPG-Mechaniken, die aus klassischen Fantasy- oder SciFi-Settings entnommen wurden, überhaupt in einen derart realistischen Rahmen?

Weder Fisch noch Fleisch

The Division gaukelt mir vor, ich wäre ein militärisch ausgebildeter Agent, der strategisch denkt und mit durchdachten Teamwork gegen feindliche Gruppierungen vorgeht. Tatsächlich entscheiden aber nur bedingt taktische Entscheidungen über den Verlauf des durchschnittliches Gefechts. Ganz wichtig sind hier nämlich die Statuswerte meiner Ausrüstung und der eigene Level. Auch die eigentlichen Schussgefechte könnten unglaubwürdiger kaum sein, denn wenn meine Gegner erst nach zwei verschossenen Magazinen in die Knie gehen, werde ich aus meiner Tom Clancy-Illusion gerissen.

Draufhalten bis der Gobli.. das Gang-Mitglied umfällt

Zwar gibt es Bonusschaden für Kopfschüsse, doch solche Trefferzonen-Logik funktioniert für mich nur in fantastischen Szenarios und nicht im bärbeißigen Überlebenskampf in Manhattan. Tatsächlich sorgen diese Designentscheidungen dafür, dass mir die sorgfältig gezimmerte Spielwelt blutleer erscheint. Denn wo RPG-Klischees am Realismus nagen, so hält der Drang, glaubwürdig zu sein, ebenso die Rollenspiel-Mechaniken zurück.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Elite-Gegner, von denen es in The Division nur so wimmelt. Der RPG-Ansatz schreibt vor, dass es besonders starke Gegner geben muss, die besonders begehrten Loot droppen, wenn ich es nur schaffe, sie zu besiegen. Doch wo in anderen Spielen nun übergroße Monster auf uns warten, die auch in optischer Hinsicht Bedrohlichkeit ausstrahlen, bleibt in The Division alles realistisch und eintönig. Die Elite-Gegner sehen aus wie ihre durchschnittlich begabten Kollegen und werden nur durch Symbole als solche gekennzeichnet.

Der Unterschied zwischen Realismus & Logik

Warum ist dieser Mensch denn nun also derart zäh? Er agiert nicht klüger oder strategischer als alle anderen Gegner, er hält einfach mehr Schaden aus. Warum das so ist, ist egal und wird so hingenommen. So ist es eben in Rollenspielen. Auch der Verweis auf seine besonders starke Ausrüstung hinkt schnell, denn in The Division wird vor allem mit Projektilen geschossen und selbst die seltensten Westen und Winterjacken schützen nicht vor lebensgefährlichen Verletzungen.

Die Waffenmodelle sind realistisch, alles andere eher nicht

Das Loot-System selbst stolpert in dieselbe hausgemachte Falle und die Motivation, nach neuer Ausrüstung zu suchen, erschöpft sich für mich schnell, wenn es mich an den Schlussverkauf bei H&M erinnert. Natürlich gibt es Ausnahmen und ein erboster Dom hat mich schon darauf hingewiesen, dass ich doch zumindest den Fleischberg mit dem Flammenwerfer  kennen sollte, den es schon in den Vorab-Trailern zu sehen gab. Hier bricht der Realismus dann kurz auf und die RPG-Attitüde gewinnt die Oberhand.

Im Großen und Ganzen vereint The Division für mich aber eher die negativen Aspekte aus zwei verschiedenen Welten. Ich habe die generische, dröge Präsentation aus seriösen Militär-Szenarien und gleichfalls die stumpfe KI und Bedeutungslosigkeit echter Spieler-Skills.

Aber vielleicht schaue ich erst einmal länger ins Spiel, bevor ich meckere...

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