Community

The Strangers - Opfernacht oder Die Kunst der Subjektivität

31.05.2018 - 23:34 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
The Strangers - Opfernacht
Square One
The Strangers - Opfernacht
1
4
„The Strangers – Opfernacht“ ist eines dieser Sequels, die viel zu spät kommen, auf die Niemand gewartet hat und die mit hoher Sicherheit dem Original nichts neues hinzuzufügen wissen. Und ja, der Film ist nicht herausragend gut geworden und wäre ohne die Kameraarbeit und zwei hochinteressante Szenen der Täter-Opfer-Umkehr auch irgendwo im Bereich der unterdurchschnittlichen, vergessenswerten Slasher gelandet. Was aber „The Strangers – Opfernacht“ eben doch guckbar und sogar angenehm unterhaltsam macht ist eben die spannende Kameraarbeit, die in ihren besten Momenten wohlig an den Giallo der 70er Jahre erinnert. Was „The Strangers – Opfernacht“ also rettet ist die Kunst der Subjektivität.

Subjektive Kamera, was hat man sich darunter vorzustellen? Viele werden jetzt wahrscheinlich an eine Ego-Perspektive und dann im Weiteren an das beinahe obligatorisch damit verbundene Found-Footage-Getue denken. Das ist aber nicht ganz richtig. Subjektivität durch Kameraarbeit wird vor allem durch eine Reduzierung des Sichtbereiches erzeugt. Dieser fängt, bis auf wenige Aufnahmen, nur noch das ein, was theoretisch auch im Sichtfeld der Protagonisten liegt.

Ein großartiges Beispiel dafür ist Steven Spielbergs magischer Kinderfilm „E. T.“, der, trotz Third-Person-Perspektive, herrlich subjektiv daherkommt. Der Film reduziert das Gezeigte so stark, dass eben nur noch jenes für das Publikum sichtbar ist, was theoretisch auch im Blickfeld der kindlichen Protagonisten ist. So werden zum Beispiel Erwachsene, die ja wesentlich größer als die Kinder sind, die meiste Zeit nur von der Hüfte abwärts gezeigt. Gesichter und Oberkörper bekommt man nur in den Szenen zu sehen, in denen die Kinder auch tatsächlich ihren Blick nach Oben wenden. Dadurch wird ein gewisser Effekt erzielt. Der Zuschauer wird auf filmischer Ebene in die Figuren hineinversetzt. Und das Geschehen wird undurchschaubarer. Die „Allwissenheit“, die eine objektive, alles einsehende Kamera mit sich bringt, geht verloren. Aus Fakten werden Interpretationen. Der Zuschauer bekommt nun nicht mehr vorgesetzt, was faktisch passiert, sondern nimmt eben nur wahr, was die Figuren interpretieren. Dies wiederum soll eben den Eindruck erzeugen, direkter und näher am Geschehen beteiligt zu sein.

In „E. T.“ sorgt das dafür, dass ein krasser Kontrast zwischen dem liebevollen ET, der sich stets auf Augenhöhe der Kinder befindet, und den „bösen“ Erwachsenen entwickelt, die aufgrund ihrer subjektiv empfundenen enormen Größe und unnahbarkeit erstaunlich bedrohlich wirken. „The Strangers – Opfernacht“ benutzt nun denselben inszenatorischen Kniff. Ja klar, es gibt die berühmt-berüchtigten, im Horror-Genre obligatorischen, „Revealing-Shots“, die das Böse im Hintergrund stehend zeigen. Aber bei „The Stranger – Opfernacht“ ist das Schöne, dass der Feind sich eben auch im theoretischen Blickfeld des Opfers befindet. Dadurch wird ein gewisses Unwohlsein erzeugt: es bleibt nämlich die Gewissheit, dass die Opfer die Täter jederzeit hätten sehen können, wenn sie nur ein Mal in die „richtige“ Richtung geschaut hätten. Gleichzeitig stellt jeder Angriff in „The Strangers – Opfernacht“ auch einen brutalen Eingriff in die Intimsphäre der Opfer dar, und dieser Eindruck wird durch die filmische Subjektivität verstärkt. Interessant in diesem Kontext ist außerdem die starke Fokussierung auf Gesichter, sowie die häufigen „Zoom-Ins“, wenn ein Gegner in weiter Ferne auftaucht und von den Opfern erblickt wird. In seinem besten Moment wendet „The Strangers – Opfernacht“ alle drei Stilmittel an und erzeugt dadurch gleichzeitig einen höllisch intensiven Moment der Täter-Opfer-Umkehr mit anschließender re-normalisierung des Verhältnisses. Achtung, jetzt folgen Spoiler.

Der jugendliche Luke flüchtet sich in dieser Szene vor einer maskierten Frau, die ihm das Leben rauben will. Er landet in einem Pool-Gelände, vor ihm ein großes Schwimmbecken, um ihn herum Neonlichter und es spielt ein angenehmer Pop-Song, der nicht so richtig zum Grauen auf der Leinwand passen will. Er beschließt dann, aus der Defensive in die Offensive zu gehen, dabei ist die Kamera stark auf sein Blickfeld fokussiert. Er entwedet der Angreiferin das Messer und tötet sie mit mehreren Stichen. Während dieses Moments bleibt die Kamera starr auf Lukes Gesicht fokussiert, versucht, seine subjektiven Empfindungen einzufangen. Gleichzeitig verschmelzen die visuellen und auditiven Hintergünde mit der vordergründigen Handlung auf der Leinwand. Das Neonlicht im Hintergrund verwischt, wirkt nun aggressiv, der Popsong wirkt plötzlich enorm befremdlich und unwirklich, was zu der Umkehr zwischen dem Verhältnis von Täter und Opfer auf der Leinwand passt.

Nach getaner Tat taucht plötzlich ein maskierter, mit Axt bewaffneter Mann am vom Tatort ein Stück entfernten Eingang auf. Luke schaut auf, die Kamera zoomt in Windeseile auf den Mann, als Luke ihn erblickt. Auch hier wird durch die Subjektivität der Kamera eine gewisse Intensität erzeugt, die Realisition, dass Luke noch nicht gewonnen hat, noch nicht sicher ist, wird hier greifbar eingefangen. Im anschließenden Kampf ist Luke enorm unterlegen. Dadurch, dass sein angsterfülltes mehrfach Fokus der Kamera ist, wird ein Gefühl der Aussichtslosigkeit vermittelt. Gleichzeitig wirkt der Popsong nun eher melancholisch und das Neonlicht, dass den beeindruckenden Gegner in aller Wucht präsentiert, hat nun nichts aggressives, sondern eher etwas depressives. Lukes Gefühle, sein Verzweifeln, aber auch seine innere Einsicht, längst verloren zu haben, werden durch die Subjektivität der Szene so intensiv vernäht.


Hier findet die beste Szene des Films statt

„The Strangers – Opfernacht“ ist kein besonders gelungener Film und das ist furchtbar schade. Denn die Subjektivität der Kamera beherrscht er. Und in seinen besten Momenten wird der an sich eher dahinplätschernde Film dadurch ein wunderbar fesselndes und aufreibendes Stück Kino. Es bleibt zu hoffen, dass Regisseur Johannes Roberts diesen Aspekt seines Films in zukünftige Arbeiten überträgt und den Rest elegant in die Tonne befördert.




Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News