Tod eines Freaks

28.06.2009 - 16:30 Uhr
Michael Jackson is HIStory
Michael Jackson is HIStory
Er war ein Aussenseiter, ein Ausserirdischer, ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Ein Spinner, ein Getriebener, ein dunkler Peter Pan und der beste Popmusiker des 20. Jahrhunderts: Michael Jackson ist tot und die Popwelt um so vieles ärmer.

Es bedarf keiner tiefschürfenden Analysen um zu erkennen, dass Michael Jackson nicht grade der glücklichste Mensch der Welt war, auch wenn er augenscheinlich alle Chancen dazu hatte.

Doch ein Blick auf die Selbstdarstellung Jacksons machte deutlich, wie sehr er sich als Verfolgter, als Aussenseiter, als Getriebener, ja als Freak fühlte. Das drückte sich nicht nur in seinen Songs, sondern vor allem in seinem filmischen Schaffen aus.

Natürlich war Jackson kein großer Schauspieler, unzweifelhaft war jedoch seine Begeisterung für Film und besonders das eskapistische Genrekino. Kasperte er sich in den 70er Jahren mit seinen Brüdern noch durch eine halblustige Revue-Show (und steuerte den Titelsong zum ansonsten eher vergessenswerten Ratten-Horrorstreifen Ben bei), wurde Anfang der 80er Jahre seine Vorliebe für aufwendige und makabere Genrefilme immer deutlicher. Mit dem von John Landis inszenierten Mega-Clip zum Hit Thriller, setzte er neue Maßstäbe im noch jungen Genre Musikvideo. Der furiose, ironische und tricktechnisch beeindruckende Kurzfilm zitierte nicht nur Werwolf- und Zombie-Klassiker, er gab Jackson das erste mal die Möglichkeit seine zwiegespaltene Persönlichkeit in angemessener Weise zu präsentieren.

Im Film-im-Film-Segment von Thriller verwandelt er sich vom liebenswert, kindlichen Jacko in eine Bestie, etwas was er als sein Alter Ego im Kino amüsiert goutiert, nur um gleich darauf abermals vom verspielten Boyfriend zum untoten Über-Zombie zu mutieren.

In bizarrer Weise imitierte das Leben hier in der Tat die Kunst, denn in den Folgejahren mutierte auch der echte Jackson immer mehr zu einem “Monster”, das nicht nur optisch immer groteskere Züge annahm. Nicht ohne Grund fiel eine Newsmeldung des Satire-Magazins The Onion, von 2005 auf sehr fruchtbaren Boden. Es wurde berichtet, auf der Neverland-Ranch sei die Leiche des “echten Michael Jackson” gefunden worden, der bereits seit Mitte der 80er Jahre tot wäre (man hätte keine Ahnung wer oder “was” seinen Platz eingenommen habe). Jackson wäre von einem gestaltwandlerischen Dämon ersetzt worden. Kein Wunder, dass einige dies glaubten. Es machte mehr Sinn, als die bizarre Wahrheit.

Je exzentrischer Jackson sich seine Peter-Pan-Welt ausgestaltete, komplett mit eigenem Zoo, Kinderbesuch und Spielzeugparadies, je bleicher und deformierter er sich der Öffentlichkeit präsentierte, um so größer wurden die Häme und der Spott. Schon lange vor den Anschuldigungen um Kindesmißbrauch, war Jackson zu einer überlebensgroßen Pop-Groteske geworden. Ein wahrer Außerirdischer, dessen Verhalten mit normalen menschlichen Maßstäben nicht mehr zu verstehen war und grade deswegen so unendlich faszinierend wirkte.

In seinem einzigen echten Kinofilm Moonwalker ironisierte Jackson im Segment “Leave me alone” den Hype und die Gerüchte um seine Person einmal mehr, zementierte aber auch seine Rolle als gejagter, unverstandener Aussenseiter. Das episodische Mischmasch aus Clip-Show und Science-Fantasy (in dem John Lennons Sohn eine Nebenrolle spielte), bot fantastische, überbordende Bilderwelten in einer absurden Story, in der sich Jackson am Ende in ein gigantisches Transformers-Raumschiff verwandelt. Eskapismus im wortwörtlichen Sinne.

Schon drei Jahre zuvor, war er als leibhaftiger Außerirdischer in dem Theme-Park-3D-Sci-Fi-Kurzfilm als Titelheld Captain EO zu sehen, dort nutze er seine Verwandlungskräfte um seine Gegner zum Guten zu bekehren.

Bemerkenswert war stets die ambivalente Aura, die Jackson – der trotz aller Kritik unzweifelhaft weiterhin großartige Songs veröffentlichte – in seinen Selbstdarstellungen wählte. Immer war er Opfer von Verfolgung und Unverständnis, doch stets gab es auch eine sehr dunkle, kraftvolle, gewaltätige und wehrhafte Seite an ihm. Egal ob er in Moonwalker mit dem Mob aufräumte, in Bad die gegnerische Bande in Grund und Boden tanzte, im Coda zu Black & White erst zu einer Raubkatze wurde und dann in den Straßen randalierte oder im Horror-Kurzfilm Ghost als unheimlicher, tyrannisch-freundlicher Psycho-Geist mit Totenkopf seine Gegnern (deren Anführer er selbst als weißen Spießer spielte) das Fürchten lehrte.

Schon als Ghost erschien, war der Ruf von Jackson nicht mehr nur der eines liebenswerten Spinners. Doch erst nach der zweiten Welle an Anklagen wegen Kindesmißbrauchs, kippte die öffentliche Wahrnehmung vollends zu seinen Ungunsten. Aus dem durchgeknallten Alt-Peter Pan, mit den dunklen Anwandlungen, wurde der Child Predator, dessen Schauprozess die Weltöffentlichkeit mit der ihr eigenen Mischung aus Faszination und Geilheit verfolgte.

Doch selbst in seinem Niedergang blieb Michael Jackson der King of Pop. Der letzte wahre Superstar in einer Welt voller Wegwerf-Idole, Casting-Bands und kalkulierter Teeniestars. Er konnte tiefer stürzen als alle anderen, weil er so viel höher geflogen war. Er hatte sich selbst zur Ikone stilisiert und mehrfach neu erfunden: ob als Billie-Jean-Bubi, Zombie mit roter Lederjacke und weißem Handschuh, als androgner BAD-Boy, als Ghost mit verschwundener Nase, bandagierten Fingern und markantem Hut und zum Schluß als fast außerirdischer, selbstproklamierter Freak, der bei Balkonauftritten schonmal beinahe sein Kind fallen ließ. Das er dennoch immer ein gewisses Maß an Selbstironie behielt, zeigte sein Cameo-Auftritt in Men In Black 2, wo er sich selbst als echtes Alien outete.

Dass er mit grade mal 50 so unerwartet und viel zu früh starb, macht Jackson vielleicht menschlicher, als alles was er in den letzten 20 Jahren getan hat. Der dunkle Peter Pan starb ganz irdisch an einem Herzanfall.

Seinen Platz in der Popkultur hat er sicher und auch seine filmischen Ausflüge (in seinen Videos der 90er Jahre gab sich die Star-Elite von Steven Spielberg, über ‘Weird Al’ Yankovic bis Eddie Murphy die Klinke in die Hand) werden in Erinnerung bleiben.

Darkness falls across the land
The midnight hour is close at hand
Creatures crawl in search of blood
To terrorize yawls neighbourhood

And whosoever shall be found
Without the soul for getting down
Must stand and face the hounds of hell
And rot inside a corpses shell

The foulest stench is in the air
The funk of forty thousand years
And grizzy ghouls from every tomb
Are closing in to seal your doom

And though you fight to stay alive
Your body starts to shiver

For no mere mortal can resist
The evil of the thriller

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