Unfertig erfolgreich — Die Probleme der Early Access-Spiele

21.01.2016 - 10:00 Uhr
Ark: Survival Evolved
Studio Wildcard
Ark: Survival Evolved
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DayZ ist ein Erfolg, offiziell aber nicht fertig entwickelt. Gleiches gilt für Rust und Ark: Survival Evolved und galt bis vor kurzem auch für Darkest Dungeon. Wer Geld für Early-Access-Titel ausgibt, kann die Entwicklung eines Spiels hautnah miterleben, muss aber mit Ärger und Enttäuschung rechnen.

Spielemacher haben es gut: Während Fliesenleger und Friseure in der Regel erst bezahlt werden, wenn die Arbeit erledigt ist, können Entwickler schon für halbfertige Produkte Geld verlangen. Dass die Kunden damit kein Problem haben, zeigt ein Blick in die Steam-Statistiken: Viele der meistgespielten Titel dort stammen aus der Early-Access-Welt, Rust und DayZ sind seit Jahren Dauergast in den Charts – obwohl sie offiziell noch gar nicht fertig sind.

Spätestens seit dem Erfolg von Minecraft ist Early Access ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Das Prinzip ist simpel: Entwickler verkaufen ein Spiel lange vor der Fertigstellung, oft für etwas weniger Geld als später. Interessierte Spieler können früh zuschlagen, die Entwicklung aus der Nähe verfolgen und den Machern sogar wertvolles Feedback liefern.

Ark: Survival Evolved begeistert seine Community mit zähmbaren Dinos und regelmäßigen Updates

Allerdings hat der Frühstart seine Tücken, für Entwickler wie Spieler gleichermaßen. Wer etwas kauft, hat Erwartungen. Und wo es Erwartungen gibt, sind Enttäuschungen nicht weit. Immer wieder gibt es Entwickler, die das nicht beachten oder ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Und genau so gibt es Spieler, die aus ihren investierten 20 Euro überzogenes Anspruchsdenken ableiten. Ein kleiner Überblick über die großen und kleinen Hürden, die Early Access so kompliziert machen:

1. Ein erstes Mal gibt es nur einmal

Niemand würde auf die Idee kommen, die erste halbe Stunde des nächsten Star-Wars-Films für fünf Euro ins Kino zu bringen. Und genau so ist natürlich nicht jedes Spiel für Early Access geeignet. Eine Story wollen die meisten Spieler nur einmal erleben – und dann bitte so gut und so bugfrei wie möglich. Selbst Titel ohne Story leiden aber darunter, wenn die Nutzer zu früh darauf losgelassen werden. Erstens haben Spieler so vielleicht nicht den Spaß, den sie mit einem ausgereiften Produkt hätten. Und zweitens bekommen die Entwickler nicht ihre verdienten Lorbeeren. Hype in Form von Artikeln und Videos gibt es zum Beispiel nur einmal: Um Darkest Dungeon gab es beim ersten Release vor einem knappen Jahr viel Aufregung, die sich bis zum finalen Release aber spürbar gelegt hat.

2. Kommunizieren muss man können

Kommunikation, Kommunikation, Transparenz und Kommunikation: Das sind die wichtigsten Regeln für gelungene Early-Access-Entwicklung, wie Gamasutra und Co. sie predigen. Umso erstaunlicher, dass so viele Entwickler genau das verbocken: Early-Access-Debakel wie GODUS oder das einst so vielversprechende Towns scheiterten zumindest teilweise an einem Mangel an Transparenz. Offenherzigkeit ist allerdings kein Garant für gute Beziehungen. Die Entwicklung des Survival-Simulators Rust können Spieler zum Beispiel bis ins Detail minutiös verfolgen. Änderungen wie die zufällige Bestimmung von Geschlecht und Hautfarbe, die Facepunch Studios Anfang 2015 einführte, sorgten aber trotzdem für eher unangenehme Reaktionen aus der Spielerschaft.
Die Entwickler von Rust halten ihre Fans mit hoher Transparenz auf dem Laufenden

3. Die Fans sind nicht die Masse…

Das Beispiel Rust zeigt jedoch auch, dass es Entwickler mit dem Hören auf die Community nicht übertreiben dürfen. Denn tatsächlich steckte hinter dem Shitstorm rund um Hautfarbe und Geschlecht nur eine kleine Zahl Wildentschlossener. Die große Mehrheit der Spieler hatte damit kein Problem, ganz im Gegenteil. Und selbst wenn das anders gewesen wäre: Selbst viele Fans können irren. Wer ein Spiel schon seit Monaten nutzt, kennt viele Features schließlich schon. Höhere Einsteigerfreundlichkeit interessiert ihn darum eher nicht. Stattdessen schreien Early-Access-Communities oft nach Inhalten, die das Spiel länger und schwieriger machen. Potenzielle Kunden, die das fertige Werk kaufen sollen, haben davon aber zunächst nichts.

4. ...und Fans sind keine Entwickler

Auch kleine Änderungen können viel Ärger machen: Als die Entwickler von Darkest Dungeon per Update dafür sorgten, dass erschlagene Helden und Monster in Kämpfen auf dem Boden liegen bleiben, gab es aus der Community großen Protest. Schließlich funktionierten Strategien, die vorher fast garantiert zum Erfolg führten, so plötzlich nicht mehr. Langfristig hat sich die Balance des Spiels dadurch jedoch erheblich verbessert. Es gibt aber auch Fälle, die nicht ganz so klar sind: Seit in Invisible, Inc. nicht mehr so viel geschossen wird wie in den frühen Versionen, ist es nach Ansicht der meisten Fans und Kritiker zum Beispiel deutlich besser. Gleichzeitig gibt es aber Spieler, denen die ballerlastige Variante lieber war. Das Spiel, für das sie Geld bezahlt haben, gibt es so jedoch nicht mehr.
Prison Architect macht euch zum Chef eines Hochsicherheitsgefängnisses

5. Nichts ist je wirklich fertig

Es gibt Spiele, bei denen die Early-Access-Phase wie eine Beta funktioniert. Das Produkt ist dort eigentlich schon fertig, oder zumindest zum größten Teil. Gerade kleine Entwickler nutzen den Frühstart aber oft, um die Entwicklung des Spiels zu finanzieren. Bis aus dem Softwarerumpf eine Version 1.0 wird, vergeht dann viel Zeit. Und manchmal zu viel Zeit: DayZ und Rust dümpeln zum Beispiel schon seit gefühlten Ewigkeiten im Early Access herum. Einerseits ist das kein Problem, so lange die Spieler glücklich sind. Andererseits besteht so immer die Gefahr, dass Entwickler sich ein wenig aus der Verantwortung stehlen. „Für Bugs kann ich nichts, ist ja noch Early Access.“ Es gibt natürlich auch Titel, die nach Jahren im Early-Access-Status tatsächlich final und gut auf den Markt kamen, in jüngster Vergangenheit zum Beispiel Prison Architect und Kerbal Space Program.

6. Nicht jedes Projekt endet glücklich

Selbst beste Absichten, talentierte Entwickler und eine richtig gute Idee sind kein Garant für Erfolg. Die Liste gescheiterter Early-Access-Projekte ist lang – vom mit viel Tamtam gestarteten Peter-Molyneux-Spiel Godus über The Stomping Land, das gleich zweimal bei Steam gelöscht wurde, bis zum Weltraum-Minecraft StarForge. Und jedes Mal, wenn Entwickler die Kommunikation einstellen, es monatelang keine Updates gibt oder Spiele einfach verschwinden, verliert ein Teil der Spieler das Vertrauen in die Idee Early Access. Die Steam-Reviews solcher Titel sprechen da eine deutliche Sprache.
Darkest Dungeon gehört zu den Erfolgsgeschichten des Early Acess

Alles Mist also? Nein. In vielen Fällen ist Early Access die gleiche Sorte Wunschbrunnen wie Kickstarter: Wer Geld hineinwirft, darf aufs beste hoffen – sollte aber gleichzeitig mit Enttäuschungen rechnen. Spiele können scheitern, schlecht werden, sich in eine ganz andere Richtung entwickeln, niemals fertig werden oder irgendwann in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig bleibt ein erfolgreiches Early-Access-Projekt aber auch etwas besonderes: Wo sonst kann Otto Normalspieler die Entwicklung vom spielbaren Grundgerüst bis zum fertigen Produkt so hautnah miterleben?

Und über die Community vielleicht sogar ein wenig beeinflussen?

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