Unravel im Test – Verknotete Emotionen & frustrierende Rätsel

09.02.2016 - 17:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Unser Review zu Unravel
Electronic Arts
Unser Review zu Unravel
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Mit Unravel versucht sich Electronic Arts an keinem Blockbuster, sondern einem kleinen, emotionalen Titel. Ob sich der AAA-Publisher dabei verheddert oder uns Yarny wirklich erfolgreich umgarnen kann, verrate ich euch in meinem Test.

Obwohl die Handlung von Unravel sehr vage gehalten ist, gelingt es dem Spiel, sich unglaublich persönlich anzufühlen. Vielleicht ist das gerade dieser Schattenhaftigkeit zu verdanken, die Yarnys Abenteuer zudem so nostalgisch und vertraut wirken lässt.

In Form einer kleinen roten Garnpuppe begeben wir uns in Unravel auf die Reise – nicht nur durch die Wohnung einer alten Frau, sondern gleichzeitig auch durch ihre Erinnerungen. Fotografien bringen uns zurück an Orte, die für sie und ihre Familie wichtig waren und wir verfolgen im Verlauf des Spiels die Entwicklung der namenlosen Eltern und Kinder.

Ein Blick auf die Bilder transportiert Yarny an den Ort, an dem sie aufgenommen wurden, und in dem noch funkelnde Schatten von Erinnerungen hängen. Zu sagen, dass wir sie sammeln, trifft nicht ganz zu. Wir kommen auf unserem Weg durch die lineare Side-Scrolling-Welt lediglich an ihnen vorbei und nehmen sie auf, um sie später in Form von Fotos in ein Fotoalbum zu packen. Zuvor müssen wir den kleinen Garn-Helden aber erst einmal erfolgreich durch die lebendige Landschaft navigieren.

Von Blume zu Blume

Unravel ist ein physikbasiertes Jump & Run-Spiel, in dem sich alles um Garn dreht. Dementsprechend basiert auch die Lösung aller Rätsel und Aufgaben auf einem roten Faden – auf Yarnys, um genau zu sein. Unravel macht seinem Namen alle Ehre, denn auf seinem Weg trennt sich die kleine Garnpuppe immer weiter auf. Jeder Schritt, jedes Rätsel benötigt etwas mehr von Yarnys Körper und der kleine Held ist sichtlich bekümmert, wenn zu viel von ihm verschwindet. Sterben kann er dadurch allerdings nicht. Wenn das Ende des Fadens erreicht ist, ist immer ein neues Garnstück in der Nähe, an das ihr nur erst einmal gelangen müsst.

Fast alle Physikrätsel in Unravel sind gleich aufgebaut. Ihr knotet, schwingt oder katapultiert euch durch die Gegend oder nutzt Yarnys Garn, um Rampen für Hilfsmittel zu bauen und diese von einem Ort an den anderen zu bringen. Meistens handelt es sich um Gegenstände, mit denen Yarny an einen Ort gelangt, der vorher unerreichbar schien.

Unravel lebt von seiner Atmosphäre und unterschiedlichen Jahreszeiten

Schon zu Beginn des ersten Kapitels wirft euch Unravel alle Arten, Rätsel zu lösen, entgegen und ihr müsst es dann nur noch schaffen, sie zur genau richtigen Zeit am richtigen Ort anzuwenden. Das klingt einfacher als es tatsächlich ist. Ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich mir bei manchen Problemen den Kopf zerbrochen habe, während die Lösung letztlich sehr simpel war.

Ebenso frustrierend war das Scheitern an einfachen Stellen, an denen es vor allem an ungenauer Steuerung und unpassendem Timing gehapert hat. Hier ist Unravel nachtragend, denn solche Fehler bedeuten meist den sofortigen Tod. Da das Spiel sehr großzügig mit seinen Speicherpunkten ist, mag das nicht immer stören. Wenn ihr allerdings denselben monotonen wie einfachen Rätselaufbau zum x-ten Mal nachstellen müsst, nur weil ihr am Ende einen Sprung falsch getimed habt, resultiert das nicht gerade in Euphorie.

Yarny im "Kampf" gegen fiese Krabben

Das Rätseldesign von Unravel ist leider nicht sonderlich abwechslungsreich. Wie bereits erwähnt, lernt ihr anfangs fast alles, was ihr über das Spiel wissen müsst und lediglich die Situationen und Umstände, in denen ihr das Wissen anwendet, ändern sich. Genau hier liegt aber zum Glück der Reiz von Unravel.

Obwohl es sich um einen Side-Scroller handelt, wirkt die Welt unfassbar lebendig und detailverliebt. Sie lebt von einer Art überzeichnetem Realismus. Er dafür sorgt, dass Erinnerungen strahlender sind als es die Wirklichkeit war und legt einen Hauch Nostalgie über das komplette Spiel, die sich schlicht magisch anfühlt.

Yarnys Größe haben wir zu verdanken, dass wir Alltagsgegenstände mit komplett neuen Augen sehen. Anstatt eines Steins wird uns ein scheinbar unüberwindliches Hindernis präsentiert, anstatt einer Pfütze ein Ozean, anstatt eines Apfels eine Möglichkeit, diese Hürden zu überwinden.

Unravel spielt mit dem Gewöhnlichen – sowohl visuell als auch emotional – auf eine so liebevolle Art, dass ich nicht umhin kam, vor mich hin zu lächeln. Es fühlt sich ein wenig an wie ein Fotoalbum durchzublättern. Nicht nur das einer namenlosen alten Frau, sondern eines voller eigener Erinnerungen, voller Nostalgie und Melancholie.

In einem Interview erklärten die Entwickler vor einiger Zeit, dass sie wollen, dass ihr nach dem Spielen eure Mutter anruft . Genau das könnte ihnen mit Unravel tatsächlich gelingen. Kaltlassen wird euch Yarnys Abenteuer jedenfalls nicht.

Yarny: Ein kleiner Held ganz groß

Fazit

Unravel lebt nicht davon, euch unbedingt zum Weinen bringen zu wollen, sondern euch stattdessen auf eine viel unaufdringlichere, persönlichere Art zu berühren. Dabei bietet es genug narrativen Raum, um ihn mit eigenen Geschichten und mehr als nur einem Hauch Nostalgie zu füllen. All das geschieht überraschend subtil vor einer liebevollen Naturkulisse, die so lebendig und magisch überzeichnet ist wie es normalerweise nur liebgewonnene Erinnerungen sein können.

Das Herzblut, das ohne Zweifel in Unravel und seinen kleinen Protagonisten geflossen ist, schafft es, über die schwankenden Gameplay-Schwächen des physikbasierten Rätsel-Platformers hinwegzutrösten. Obwohl das Garn-Abenteuer beizeiten frustrierend sein kann, überschattet das nie den eigentlichen Kern des Spiels.

Unravel zeigt uns nicht nur die melancholische Magie des Gewöhnlichen, sondern lässt uns nach dem Spielen noch eine ganze Weile nachdenklich zurück. Nicht unbedingt über das, was wir gerade erleben, sondern vielmehr über das, was wir bisher erlebt haben.

Unravel wurde uns in Form eines Keys von Publisher Electronic Arts zur Verfügung gestellt und auf PS4 getestet. Das Spiel ist seit dem 9. Februar 2016 für PC, PS4 und Xbox One erhältlich.

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