Warum ich froh bin, dass ich Metal Gear nicht verstehe

15.09.2015 - 15:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Ich stecke fest im narrativen Schwitzkasten (und ich liebe es)
Konami
Ich stecke fest im narrativen Schwitzkasten (und ich liebe es)
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Ich sitze hier und versuche zu begreifen, was ich in den letzten Stunden von Metal Gear Solid V: The Phantom Pain gesehen habe und es gelingt mir kaum. Und ich glaube, genau das ist der Grund, warum ich so begeistert bin.

15 Jahre – So lange hat es gebraucht, bis ich mich endlich wieder eingehend mit einem Metal Gear Solid-Teil beschäftigt habe. Das ist eine ziemlich lange Zeit und wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir nicht einmal ein Grund ein, wieso ich mich in all den Jahren nicht mehr auf Hideo Kojima eingelassen habe. Denn eines steht fest: Metal Gear Solid ist meiner Meinung nach ein Höhepunkt in der Laufbahn der ersten PlayStation-Generation und ein grandioser Beginn von Kojimas cineastischer Herangehensweise an das Metal Gear-Franchise.

Und dann kam Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty und ich habe es nicht gespielt. Und dann kam Metal Gear Solid 3: Snake Eater und ich habe es nicht gespielt. Und dann kam Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots und ich habe es ebenfalls nicht gespielt. Aber Metal Gear Solid V: The Phantom Pain, ja, das habe ich gespielt. Und wisst ihr auch warum? Tatsächlich weil es mein Job ist. Zwar habe ich mich auch diesmal gefreut, dass ein neuer Metal Gear-Teil erscheint, letztlich gespielt habe ich es aber nur, weil ich musste.

Die Angst vor der Heimkehr

Woher auch immer diese Blindheit kam, sie hat dazu geführt, dass ich 15 Jahre lang nicht mehr in den verqueren Hyperrealismus von Metal Gear eingetaucht bin. 15 Jahre, in denen der abstruse Plot der Reihe selbst den involviertesten Spielern über den Kopf gewachsen ist. Und jetzt sollte ich plötzlich wieder zurück in das digitale Einsatzgebiet geschlängelter Code-Namen und mir eine Meinung über den aktuellen Ableger bilden. Meine Sorge war groß, dass ich der Geschichte nicht nur nicht folgen können würde, sondern sogar schon am Einstieg scheitere. Ich dachte schon an die stundenlange Kontextschaffung, die mir nur mit Glück einen etwaigen Überblick verschaffen würde.


Und dann habe ich The Phantom Pain gespielt, absolut nichts verstanden und es war großartig. Meine Befürchtungen hatten sich tatsächlich bewahrheitet. Ich konnte mir nur mit Mühe zurechtreimen, wer eigentlich Big Boss ist und warum er mal Naked Snake war und jetzt Venom Snake ist. Ähnliches gilt für die zahlreichen Fraktionen, Lager und Antagonisten, die ihre Ursprünge in anderen Metal Gear-Ablegern hatten. Meine bisherige Erfahrung mit The Phantom Pain ist geprägt von narrativer Orientierungslosigkeit, die mich gerade in Verbindung mit den klar gestalteten Spielmechaniken noch mehr überforderte, als ich es im Vorfeld für möglich gehalten habe.

Ich weiß nicht, wo ich bin und das ist toll

Aber das Gefühl, etwas zu verpassen, wichtige Kernaspekte des Spiels nicht fassen zu können, weil mir der erzählerische Zusammenhang fehlt, hat sich nicht eingestellt. Ganz im Gegenteil sogar, denn für mich war gerade diese Orientierungslosigkeit der größte Anreiz, den The Phantom Pain für mich geschaffen hat. Ob es nun seine Intention war oder nicht, Hideo Kojima bedient sich mit seiner teils widersinnigen Erzählweise an der Wirkungsweise des absurden Theaters. Die Einheiten von Zeit, Ort und Handlung lösen sich in der Metal Gear Solid-Reihe immer weiter auf. Zwar lässt sich die übergelagerte Handlung der Reihe noch immer zusammenfassen und aneinanderreihen, jedoch ist das mit viel Zeit und Aufwand verbunden und nur für die wenigsten Spieler wirklich eine Option.

Meine persönliche Beziehung zum Metal Gear-Franchise stützt sich auf den Widerspruch von militärischem Realismus, Übersinnlichkeit und dem plötzlichen, stets unvorbereiteten Humor, der selbst die dichtesten Spannungsbögen penetriert. Und genau hier hatte ich mich dann wieder an die Zeit vor 15 Jahren erinnert, als ich Metal Gear Solid gespielt und absolut nichts verstanden hatte. Schon damals blieb ich nicht wegen der intensiven Erzählspannung am Ball und auch nicht wegen des hochwertigen Gameplays. Letzteres hatte ich tatsächlich eher in Kauf genommen, als dass ich es für sich betrachtet genossen hätte.

Die Metal Gear Solid-Reihe hat mich deshalb bis heute faszinieren können (ohne dass ich die Reihe aktiv verfolgt habe), weil mich ihre Erzählweise überfordert hat. Für mich ist Metal Gear Solid kein narratives Wunder und es ist auch kein Trash. Ich habe nicht etwa Probleme dem Plot zu folgen, weil er zu intelligent und subversiv ist aber auch ebenso wenig weil er handwerklich schlecht präsentiert wird. Ich habe Schwierigkeiten Metal Gear Solid zu verstehen, weil mich die Reihe nicht verstehen lassen will. Ich soll orientierungslos dastehen und mich überfordert fühlen. Das ist der Sinn der Sache.

Ausgenommen Quiet.

Alles, was Quiet betrifft, ist widerlicher Schwachsinn, der nicht narrativ überfordert, sondern schlicht peinlich ist.

Tut mir leid, Hideo.

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