Warum Satire in Spielen nicht funktioniert

24.09.2013 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Grand Theft Auto V – gutes Spiel, schlechte Satire?
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Grand Theft Auto V – gutes Spiel, schlechte Satire?
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Lange Zeit war Grand Theft Auto gleichbedeutend mit Satire in Videospielen. Warum gerade GTA V das ändert und deutlich macht, warum Satire in Spielen nur selten funktioniert, erfahrt ihr hier.

Mit Grand Theft Auto V kam letzte Woche nicht nur eines der am sehnlichsten erwarteten Spiele des Jahres in den Handel, sondern außerdem die spielerische Karikatur des amerikanischen Traums. Lange Zeit war Grand Theft Auto gleichbedeutend mit Satire in Videospielen, eines der wenigen Paradebeispiele, die es tatsächlich schafften, das Genre jenseits von Film und Literatur vernünftig umzusetzen.

Theoretisch betrachtet sollten Videospiele das perfekte Medium für Satire sein. Durch ihre Interaktivität zwingen sie euch dazu, ein problematisches Benehmen zu simulieren, anstatt es nur passiv zu betrachten. Das lässt euch zum Teil der Satire werden und illustriert so ein zu kritisierendes Verhalten noch deutlicher als es ansonsten möglich wäre. Nur theoretisch? Leider ja, denn in den wenigsten Fällen funktioniert die Kombination Satire und Videospiel tatsächlich.

Während der Fokus satirischer Filme wie Der große Diktator oder Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt rein inhaltlicher Natur ist, müssen wir bei Spielen zwischen Inhalt und Mechanik unterscheiden. Will ein Titel eine thematische Kontroverse schaffen und durch seine Charaktere/Handlung Kritik an der Gesellschaft üben oder will er durch sein Gameplay auf Missstände innerhalb des Mediums hinweisen?

Dieses Spiel wurde von einem Mann gemacht, der Videospiele hasst
Deutlicher kann eine Warnung kaum ausfallen, allerdings würden die Meisten, die sie auf dem Titelbildschirm eines Videospiels entdecken, wohl davon ausgehen, dass es sich um einen Scherz handelt. Das Lachen blieb Besitzern von Takeshi no Chōsenjō aber im Hals stecken, denn der von Takeshi Kitano (Takeshi’s Castle) erdachte Famicom-Titel nahm seine Aufgabe, Menschen das Medium madig zu machen, sehr ernst. Das 1986 in Japan veröffentlichte Spiel ist nicht nur berüchtigt für seine fast masochistische Designphilosophie, sondern auch dafür, das erste Beispiel für Satire im Gaming zu sein. Dieses Element findet ihr nicht in der völlig nebensächlichen Handlung, sondern im Gameplay, das unter anderem verlangt, den Controller eine Stunde lang nicht zu berühren oder einen einzigen Knopf vier Stunden lang zu drücken. Takeshi no Chōsenjō nahm sinnlos wirkende Gameplay-Mechanismen und trieb sie auf die Spitze, um zu einem Spiel zu werden, das keinen Spaß machen kann oder soll. Das lässt es zu einer brillanten Satire werden, gleichzeitig aber auch zu einem der schlechtesten Spiele aller Zeiten.

Das Problem, das sich hier auftut, ist, dass ein Spiel, dessen Mechanik absichtlich grottig ist, nicht als solches funktioniert. Obwohl ich der Meinung bin, dass gute Spiele nicht zwangsläufig Spaß machen müssen, wirkt schlechtes Gameplay abschreckend und sorgt so dafür, dass ein Titel schnell in die Ecke geworfen wird. Und was nützt eine brillante Satire, wenn niemand lange genug durchhält, um sie zu erleben?

Eine Frage der Gewalt
Abgesehen von mechanischen Problemen, tappen viele Games in inhaltliche Fallen, die jeder noch so durchdachten Satire einen Strich durch die Rechnung machen. Das passiert dann, wenn ein Spiel euch zwingt, zum Teil eines Problems zu werden, ohne dabei eure Handlung zu hinterfragen. Damit Satire funktioniert, muss sich das Publikum bewusst sein, dass es sich um eine handelt. Ansonsten tut sie nichts weiter als die Problematik, die sie persiflieren möchte, zu verstärken.

Das ist ein Problem, mit dem sich Grand Theft Auto V momentan konfrontiert sieht. Gerade weil GTA amerikanische Kultur stellenweise brillant aufs Korn nimmt und besonders in Details wie dem Facebook-Ersatz LifeInvader zu glänzen weiß, fällt die mangelhafte, undifferenzierte Auseinandersetzung an anderen Stellen umso schmerzlicher auf. Neben anhaltenden Sexismus-Vorwürfen steht vor allem eine besonders brutale Szene im Kreuzfeuer der Kritik. In ihr ist der Spieler gezwungen, einen Unschuldigen zu foltern, um das Spiel fortsetzen zu können. Der Charakter gebraucht dabei Methoden, die auch die US-Regierung in der Vergangenheit verwendet hat, um an Informationen zu gelangen.

Obwohl die Reihe eigentlich bekannt für ihre beißende Satire und wenig subtile Gesellschaftskritik ist, werden exzessive Gewalt und Sexismus in GTA V fast kommentarlos präsentiert und gefeiert, anstatt differenziert behandelt zu werden. Das Spiel zeigt reale, gesellschaftliche Problematiken, aber ohne sie zu reflektieren, was lediglich dafür sorgt, sie zu untermauern. Als Spiel funktioniert GTA V noch immer hervorragend, als Satire hingegen weniger.

Überzogene Gewalt ist ein gerne verwendetes Stilmittel wenn es um Satire geht. Inglourious Basterds, Tropic Thunder und Fight Club bilden Paradebeispiele wie Filme sie erfolgreich umsetzen können. Die Interaktivität wird Spielen in diesem Fall zum Verhängnis, denn genau sie verhindert, dass die präsentierte Gewalt hinterfragt werden kann. Spiele wie Hotline Miami scheitern als Satire, weil sie euch zu einem Teil des Problems werden lassen würden, mit dem ihr euch nicht kritisch auseinandersetzen könnt. Sobald ihr das nämlich tut, müsst ihr die Frage beantworten, ob ihr Freude daran findet, anderen Leid zuzufügen. Lautet die Antwort nein, endet das Spiel, da ihr euch dem Spielprinzip entzieht.

Kein Genre für jedes Medium
Genre bedeutet nicht gleich Genre. Jedes Medium setzt Genres anders um und nicht alles funktioniert in jedem Medium. Während Puzzles oder Jump’n’Runs auf der Leinwand keinen Sinn ergeben, fällt es Romanzen, Komödien oder eben Satiren schwer, sich bis auf einzelne Elemente in Spiele übertragen zu lassen. American Beauty, Dogma oder Thank You for Smoking würden als Games niemals funktionieren, allerdings lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass spielerisch grottige Titel wie Bad Day L.A., dessen Handlung unter dem eigenen Medium leidet, sich wahrscheinlich als Film besser gemacht hätten.

Wer den Titel meines Artikels gelesen hat, darf nun anmerken, dass ich in der Überschrift gelogen habe, denn Satire kann sehr wohl in Spielen funktionieren – in Maßen. Selbst bessere Vertreter wie Saints Row IV oder Grand Theft Auto V kämpfen mit Problemen und dürfen lediglich satirische Elemente ihr Eigen nennen. Eine gute, reine Satire suchen wir in Videospielen hingegen noch vergeblich. Ob sich das jemals ändert oder sie einander lieber fern bleiben und wir Satire nur in Filmen genießen sollten, bleibt abzuwarten.

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