Was andere Horrorspiele von Outlast lernen können

29.06.2016 - 17:45 Uhr
Outlast
Red Barrels
Outlast
0
0
Outlast ist eines der beliebtesten Horrorspiele der jüngeren Vergangenheit, obwohl es tief in die Stereotypen-Schublade greift. Trotzdem schafft es der Titel, aus der Genre-Masse herauszustechen und ein ganz neues, fast schon einzigartiges Spielerlebnis zu bieten.

Die Nacht bricht langsam über einem abgelegenen Fleckchen Erde herein. Während Blitze am Horizont ein heftiges Gewitter ankündigen, erhebt sich vor euren Augen unheilvoll die Mount Massive-Anstalt für geistig Kranke mit ihren unzähligen Fenstern. Ihr könnt förmlich spüren, wie hinter ihnen unaussprechliche Schrecken lauern. Alles an diesem Setting wirkt zwar bedrohlich und gruselig, bietet Freunden des Horror-Genres aber gleichzeitig wenig Neues. Dank klugem Item-Management und einem Hauptcharakter, der sich gemeinsam mit den Spielern fürchtet und nicht nur emotionslos durch die Umgebung streift, schaffte es der Titel trotzdem, eine große Community für sich zu begeistern.

Batterien statt Kräuter — Survival-Mechanik mal anders

Der Journalist Miles Upshur ist in der Mount Massive-Anstalt einer großen Story auf der Spur und trägt, um seine Recherchen zu dokumentieren, eine Kamera mit sich. Durch ihre Nachtsichtfunktion findet ihr euch in stockdunklen Umgebungen zurecht und könnt mithilfe ihres Zooms viel weiter sehen, als es für einen Menschen normalerweise möglich ist. Das kommt euch besonders dann zugute, wenn ihr euch einen Überblick verschaffen müsst. Und darauf seid ihr in Outlast häufiger angewiesen, als euch lieb ist, denn das ganze Spiel hindurch sind euch immer wieder blutrünstige Verfolger auf den Fersen. Allerdings sorgt die Verwendung der Kamera auch für ein schwerwiegendes Problem.

Outlast

In Outlast sind Batterien die kostbarste Ressource, denn ohne sie funktioniert die Nachtsicht-Funktion der Kamera nicht. Wenn ihr sie nicht einsetzen könnt, kommt ihr im Spiel zum Teil gar nicht weiter oder könnt euch zumindest deutlich schlechter orientieren. Auf diese Weise riskiert ihr, euren Feinden blind in die Arme zu laufen. Outlast zwingt euch mit dieser abgespeckten Survival-Mechanik zum sorgfältigen Item-Management wie ihr es aus dem ersten Resident Evil-Teil kennt. Dort müsst ihr wegen der beschränkten Plätze in eurem Inventar ganz genau überlegen, wie ihr eure aufgesammelten Gegenstände bestmöglichst verwaltet. Outlast greift dieses Element auf und setzt es gleichermaßen reduziert wie effektiv um. Anstatt euch um Waffen, Kräuter und Munition Gedanken zu machen, müsst ihr nur darauf achten, genügend Batterien auf Lager zu haben. Die sind aber sorgfältig in allen möglichen Bereichen der Anstalt verteilt, sodass ihr auf euren Zitterpartien gleichenden Erkundungstouren im Grunde keinen Raum auslassen dürft.

Neben den Feinden, die eure Zeit in der Mount Massive-Anstalt sowieso schon zur Hölle machen, schleicht sich zusätzlich immer wieder die Angst davor in euren Hinterkopf, plötzlich im Dunkeln zu stehen. Die Kamera ist also sowohl Hilfs- als auch Druckmittel.

Angsterfülltes Keuchen statt emotionslosem Schweigen

Doch nicht nur die Vor- und Nachteile der Kamera sorgen für frischen Wind im altvertrauten Anstalt-Schauplatz. Auch Miles Upshur, der Protagonist des Abenteuers, trägt einen wesentlichen Anteil dazu bei, Outlast zu einem so besonderen Spiel zu machen. Dieser junger Mann ist nämlich kein Kämpfer und darf sich zur Verteidigung auch nicht auf ein riesiges Waffenarsenal verlassen. Stattdessen muss er die Beine in die Hand nehmen, um seinen Gegnern zu entkommen — und Outlast wird nicht müde, euch daran zu erinnern, dass er kein Superagent à la Leon Kennedy ist.

Relativ früh im Spielverlauf amputiert ihm einer seiner Verfolger zwei Finger. Im Gegensatz zu Figuren in anderen Horrorspielen findet Miles in Outlast aber keine Items, mit denen er diese schweren Verletzungen behandeln kann. Jedes Mal, wenn er sich an einem Türrahmen abstützt oder sich auf der Flucht unter einem Bett versteckt, schaut ihr so aus der Ego-Perspektive auf seine übel zugerichteten Hände, die euch permanent die Gefahr ins Gedächtnis rufen, in der er schwebt.

Outlast

Mithilfe einiger weiterer Kniffe gibt euch Outlast außerdem das Gefühl, sprichwörtlich in der Haut von Miles zu stecken. Wenn ihr im Spiel an euch selbst herunterschaut, seht ihr einen Körper und seid nicht nur ein schwebendes Paar Hände. Wenn ihr vor Verfolgern weglauft, ist eure Sicht auf die Spielwelt dementsprechend verwackelt. Auch im bereits veröffentlichten Gameplay  zu Outlast 2 schiebt Hauptcharakter Blake Langermann mit seiner Hand Pflanzenblätter zur Seite, während er durch ein Maisfeld schleicht. Das ist zwar keine völlig neue Idee, passt aber zum Spielgefühl wie der Angstschweiß in die Geisterbahn.

Miles zeigt in Outlast darüber hinaus ein Verhalten, das ich bei vielen seiner Genre-Kollegen vermisse. Denn bei ihm ist klar, dass er Todesangst hat, während er durch die Anstalt für geistig Kranke hetzt. Protagonisten anderer Horror-Titel – wie beispielsweise James Sunderland in Silent Hill 2 – sind vergleichbare Gefühlsregungen kaum in Cutscenes, geschweige denn abseits davon anzumerken. Auf diese Weise entsteht eine deutliche Diskrepanz zwischen Cutscenes und Spielgeschehen, aber auch zwischen dem Erleben des Spielers und dem der Spielfigur. Outlast führt hingegen beide Seiten zusammen. Miles keucht und schreit sowohl in Cutscenes als auch im normalen Spielverlauf vor Furcht, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Seine Erschöpfung und Angstzustände schüchtern den Spieler ein, sorgen für Panik und schwitzige Hände.

Der Blick aus der Anstalt

Von kommenden Spielen aus dem Horror-Genre wünsche ich mir, dass sie sich ein Beispiel an Outlast nehmen und ihren Figuren mehr Menschlichkeit zusprechen. Niemand kann ewig durch die Weltgeschichte hetzen, Verletzungen zwischen Tür und Angel mal eben mit ein paar Verbänden verarzten und grausame Geschehnisse einfach so wegstecken.

Outlast

Dadurch werden nicht nur die Figuren nahbarer, ihre Furcht überträgt sich ebenfalls auf die Spieler. Intelligent umgesetztes Item-Management, das mit seiner Komplexität nicht zu sehr vom eigentlichen Spielgeschehen ablenkt, kann den Anspannungsfaktor eines Spiels außerdem effektiv in die Höhe schrauben. Durch diese Elemente wird aus Outlast, das im ersten Moment wirkt wie ein Klischee-Horrorspiel, eine schweißtreibende Erfahrung, die euch noch lange im Gedächtnis bleibt.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News