Was der Horrorfilm John Carpenters Halloween zu verdanken hat

16.01.2018 - 10:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
John Carpenter in The Ward
Concorde
John Carpenter in The Ward
Der Master of Horror wird heute 70 Jahre alt. Er trägt diesen Titel, weil er die Entwicklung des Genres beeinflusst hat wie kaum ein anderer. Alles Gute zum Geburtstag, John Carpenter, von mir und allen, die Horrorfilme lieben.

Als 1978 der Low-Budget-Film Halloween - Die Nacht des Grauens ins Kino kam, hat niemand die außerordentliche Bedeutung vorhersehen können, die der Film heute für das amerikanische Horrorkino trägt. Dass mit einem relativ kleinen Budget von 325.000 US-Dollar  ein so großes und relevantes Werk geschaffen wurde, ist vor allen Dingen der Handschrift von John Carpenter zuzuschreiben, die den bemerkenswerten Stil des Films zeichnet und aus einem B-Movie einen Meilenstein der Filmgeschichte machte.

Wir alle kennen das Prinzip des Slasherfilms: Ein psychopathischer Mörder stellt einer Gruppe hübscher Jugendlicher nach und bringt einen nach dem anderen davon um, bis er schließlich von der letzten Überlebenden überwältigt wird. Die Blonde stirbt zuerst, die maskulinere Einzelgängerin ist die, die das Ende der Geschichte miterlebt, sie ist das berüchtigte "Final Girl". Was heute meist als langweiliges Handlungsschema abgestempelt wird, war in den 1970er Jahren quasi Neuland. Zwar gab es bereits vor Halloween diverse Exploitationfilme, die in gewisser Weise als Slasher bezeichnet werden können, allerdings war es Carpenter, der all die bekannten Elemente in einem Film vereinte und letztendlich mit Halloween den Prototypen des Slashers schaffte. Erst durch diesen Film erlangten viele der dramaturgischen Konzepte, die wir heute mit dem Slasherfilm assoziieren, an Popularität und konnten somit einem breiten Publikum vertraut gemacht werden. Beispielsweise das genrespezifische Konzept des Final Girl fügte dem Slasherfilm eine spezielle genderpolitische Ebene hinzu und half sicherlich dabei, ihn ins Rampenlicht zu rücken. Halloween wurde als frauenfeindlich beschimpft und als feministisch gepriesen, als grausam abgestempelt und als herausragend gelobt, er polarisierte, er brachte Kritiker und Publikum zum Diskutieren. Egal, was er nun war, John Carpenters Film war auf jeden Fall wichtig.

Charles Cyphers, Donald Pleasance und John Carpenter am Set von Halloween (v.l.n.r.)

Der ökonomische Stil des John Carpenter

Das geringe Budget des Films ist mit Sicherheit ein relevanter Aspekt, der Carpenters Individualstil beeinflusste. Not macht ja bekannterweise erfinderisch - und in Carpenters Fall geradezu innovativ. In gewisser Weise kann sein Stil als minimalistisch bezeichnet werden: In Halloween wird die Angst nicht durch teure Spezialeffekte oder aufwendige Masken generiert, sondern häufig eher durch das, was man eben nicht sieht. Oder durch die Art und Weise, wie man etwas präsentiert bekommt. John Carpenters Bilder sind geplant, die Einstellungen sind häufig lang und erzählen selbst in sich Geschichten, zeigen uns Relationen, sowohl zwischen den Figuren als auch zwischen uns selbst und den Figuren. Wie fühlen wir uns, wenn die Kamera eine voyeuristische ist und wir somit gezwungen sind, in die Rolle des Mörders zu schlüpfen? Wie fühlen wir uns, wenn ein Großteil des Bildes von Dunkelheit eingenommen wird und wir genau wissen, dass etwas fehlt, etwas, das aber ganz sicher dort lauert? Wenn eine ruhige Kameraführung enorm beunruhigende Dinge offenbart? Sicherlich nicht gut, und Carpenter scheint das ganz genau zu wissen.

Das vertraute und alles andere als spektakuläre, außergewöhnliche Setting in einer Kleinstadt im amerikanischen Mittleren Westen trug weiterhin dazu bei, dass Halloween das amerikanische Publikum in dem Ausmaß erschütterte, wie er es tat. Aus amerikanischer Sicht lag der Schrecken nun nicht mehr in weit entfernten Ländern, in der Zukunft oder auf exotischen Inseln wie es in Horrorfilmen der Jahrzehnte vorher häufig der Fall war. Weiterhin waren es keine fantastischen Elemente, die in Halloween für Angst und Schrecken sorgten. Das Grauen war nun gefährlich nah gerückt, es lag im Alltag, es war Teil des familiären Lebens in bürgerlichen Häusern irgendwo in Illinois. Das gewählte Setting war simpel, durch seine Nahbarkeit jedoch enorm effizient.

Was wir ebenfalls der Innovationsfähigkeit John Carpenters zu verdanken haben, ist eine der ikonischsten Titelmelodien des Horrorkinos. Da das Geld knapp war, entschied sich Carpenter dazu, die Musik für Halloween schlicht und einfach selbst am Keyboard zu komponieren und vollständig auf einen orchestralen Soundtrack zu verzichten. Die simple Folge von Klaviertönen, unterlegt mit Synthesizerklängen, ist alles andere als aufwändig, alles andere als komplex - und doch erfüllt sie ihren Zweck. Sie geht ins Mark, bleibt im Kopf und komplementiert die Paranoia des Films auf besonders eingängige Art und Weise.

Jamie Lee Curtis und Tony Moran in Halloween

Warum der heutige Horrorfilm ohne Halloween nicht derselbe wäre

Ich will mich bei John Carpenter bedanken, nicht nur, weil er Halloween (und so viele weitere großartige Filme) gemacht hat, sondern außerdem, weil er sowohl den amerikanischen Horrorfilm als auch eine Reihe Regisseure, die ich heute schätze, inspiriert oder maßgeblich beeinflusst hat. So hat der Master of Horror beispielsweise Filmemachern wie Quentin Tarantino, Guillermo del Toro, James Wan, Drew Goddard oder David Robert Mitchell ein kleines oder aber ganz großes Stückchen Inspiration mit auf ihren Weg gegeben. Vor allem an letzterem kann die Relevanz von Carpenters Halloween klar verdeutlicht werden.

It Follows von David Robert Mitchell ist einer der Horrorfilme, die ich in den letzten Jahren besonders großartig fand. It Follows ist wie eine Anwort auf Halloween, 36 Jahre später. Es ist ein Werk, das dem totgeglaubten, durchgekauten Slashergenre wieder etwas Leben einhaucht, indem es das Genre kommentiert, reflektiert und in gewisser Weise auch dekonstruiert. Es ist somit nicht nur der Fall, dass sich It Follows mit seiner ruhigen Kameraführung, seinen langen Einstellungen, seiner minimalistischen Beleuchtung und seinem Soundtrack stilistisch gesehen enorm an Carpenter orientiert, es ist viel mehr: Ohne Halloween hätte es It Follows niemals geben können. Ohne einen Prototypen entstehen keine Stereotypen und ohne Stereotypen gibt es keinen Anlass, diese auf den Kopf zu stellen und spielerisch mit ihnen umzugehen, um letztendlich etwas völlig Neues zu entwickeln.

Carpenters Halloween ist ganz klar ein Meilenstein der Horrorfilmgeschichte, er ist das Urgestein des Slashergenres. Danke, John Carpenter, für deine Kreativität, deinen Einfallsreichtum und danke dafür, dass du mich gelehrt hast, das Fürchten zu lieben. Alles Gute zum Geburtstag!

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News