Was ist los beim Crysis-Entwickler?

02.07.2014 - 12:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Homefront: The Revolution
Crytek
Homefront: The Revolution
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Mit Warface hat Crytek gestern eines ihrer Free-To-Play-Spiele auf Steam veröffentlicht. Die neue Ausrichtung auf diesen Markt ist nur ein Indikator für weit größere Probleme beim Entwickler.

Mit Crysis eroberte das deutsche Entwicklerstudio Crytek 2007 im Sturm das Herz von PC-Spielern. Durch die revolutionäre Grafik und die netten Spielereien mit dem Nanosuit fühlte sich der Shooter frisch an und auch heute noch – sieben Jahre später – ist Crysis ansehnlich. Es folgten drei weitere Ableger der Serie, die zwar allesamt gut bis okay waren, allerdings nicht an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen konnten.

Mit der Zeit wurden Anschuldigungen laut, Crytek würde nur Tech-Demos mit Gameplay-Fetzen veröffentlichen, die Abwechslung vermissen lassen und schnell langweilig werden. Diese Vorwürfe wurden durch Ryse: Son of Rome, ein Launch-Titel der Xbox One, bekräftigt. Das Action-Spiel stieß weltweit auf durchschnittliche bis schlechte Kritiken und setzte – erneut – ausschließlich auf beeindruckende Optik. Wirklich viel steckte dahinter nicht.
Ryse: Son of Rome
Vor Kurzem erschien nun ein Artikel auf gamestar.de (Paywall), in dem von massiven Problemen bei dem Entwickler mit deutschen Wurzeln berichtet wurde. Demnach hätte Crytek bereits im April kurz vor dem Bankrott gestanden, was von der Chefetage dann jedoch dementiert wurde. Mittlerweile hat sich auch das US-Magazin Kotaku mit der vermeintlichen Krise beschäftigt und dabei Insider-Informationen preisgegeben. So wurden einige Angestellte in der UK-Außenstelle offenbar seit Monaten nicht mehr bezahlt, was dazu führt, dass etliche Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben.

Zudem erklärten Ex- und Mitarbeiter auf Glassdoor, einer Bewertungsplattform für Firmen, wie viele Probleme der Konzern in jüngster Vergangenheit und auch gegenwärtig hat. Was ist also los bei Crytek? Und vor allem: Was hat zu der desolaten Lage geführt?

Glaubt man den Ausführungen von Kotaku und einigen Berichten auf Glassdoor und NeoGAF, entstanden viele der Probleme durch schlechte bis nicht vorhandene Kommunikation zwischen der Chef-Etage und den Mitarbeiten. Man merke an jeder Ecke, dass Crytek nach dem Erfolg vor einigen Jahren zu schnell gewachsen ist, so heißt es. Die Yerli-Brüder, ihres Zeichens Gründer und Schirmherren der Firma, hätten die Kontrolle verloren und würden sich für “die Könige” halten. Diese Kopflosigkeit spiegelte sich vor allem darin wieder, dass Projekte oftmals begonnen und dann letztlich schnell wieder eingestampft wurden. Die Beteiligten würfelte das Management danach offenbar wieder bunt durcheinander.

Unter den Spielen, deren Produktion eingestellt wurde, befindet sich angeblich auch Ryse 2, Nachfolger zum Römer-Action-Abenteuer auf der Xbox One. Grund dafür seien Streitigkeiten mit Microsoft, im Detail ging es um die Rechte an dem Franchise. Das dafür zuständige Studio in Frankfurt arbeitet seitdem an Homefront: The Revolution, Sequel zum Shooter von den Kaos Studios. Aber auch dort gibt es nun offenbar massive Probleme; ein Insider berichtet, dass seit Beginn der Produktion 40 Mitarbeiter die Firma verlassen hätten.

Hauptgrund dafür sei die Tatsache, dass Löhne nur unregelmäßig, zu spät, gar nicht oder nur teilweise ausgezahlt werden. Zudem hätte man Angestellten, die befördert wurden, keine Gehaltserhöhung zukommen lassen und ihre Verträge mit einer Klausel versehen, die eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorsieht. Die Chef-Etage fahre allerdings weiterhin mit Ferraris zur Arbeit und buche ausschließlich Flüge erster Klasse, was Unmut und Unverständnis bei den Mitarbeitern auslöst.

Was die verschiedenen Projekte Cryteks betrifft, so seien außerdem viele Mitarbeiter unglücklich darüber, dass Free-to-Play immer mehr in den Fokus geraten sind. Warface ist ein F2P-Shooter, der seit gestern auf Steam zum Download bereit steht, Arena of Fate ist ein F2P-Moba und auch der Koop-Titel Hunt: Horrors of the Gilded Age wird kostenlos sein. Damit sind drei von vier Spielen Free-to-Play. Anstatt sich also – wie zu Crysis-Zeiten – auf klassische Titel und Veröffentlichungsmodelle zu konzentrieren, scheint man bei Crytek andere und vor allem schnellere Wege zu suchen, um Spieler zu gewinnen. Auch in diesem Zusammenhang wurden nach Angaben einiger Mitarbeiter viele Projekte wieder eingestampft. Man habe nie wirklich gewusst, in welche Richtung es gehen soll, heißt es. Ob und wie erfolgreich Crytek mit den neuen Spielen sein wird, bleibt abzuwarten.
Warface
Erfolg erhoffte sich der Konzern auch von der Zusammenarbeit mit dem US-Militär. Für das sollte der Konzern mithilfe der CryEngine 3 “die realistischste Militär-Simulation, die je entwickelt wurde” liefern. Nach Angaben eines Kotaku-Kolumnisten waren die Verträge allerdings keinesfalls so rentabel wie manch einer es vielleicht dachte. Auch die Bereitstellung der Engine an sich war offenbar nicht so von Erfolg gekrönt wie einst geplant. Das liegt vor allem daran, dass es an einem Tutorial und vernünftiger Moderation des dazugehörigen Forums mangelt.

Crytek selbst dementiert die Vorwürfe, die schiere Zahl und die Genauigkeit der Berichte von Angestellten und Ex-Mitarbeitern geben allerdings genug Hinweise darauf, dass der Konzern in massiven Schwierigkeiten steckt. Im NeoGAF-Thread zur Thematik gehen einige User sogar so weit, zu behaupten, dass Homefront 2 darum nie das Tageslicht erblicken wird. Ich persönlich halte es für wahrscheinlicher, dass Crytek gekauft und so ein letzter Rettungsversuch unternommen werden könnte.

Was haltet ihr von der Crytek-Situation?

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