Wie mich ein Savegame-Bug mit Telltale Games versöhnte

29.05.2015 - 17:30 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Game of Thrones - A Telltale Games Series
Telltale Games
Game of Thrones - A Telltale Games Series
0
0
Bugs sind in der Regel eine nervige Angelegenheit. Umso erstaunlicher ist es, dass ich froh über einen solchen Fehler im System bin, der meinen Spielstand von Telltales Game of Thrones unbrauchbar machte.

Disclaimer: Der folgende Artikel befasst sich mit Entscheidungen in The Walking Dead: Season 1  und Season 2 , The Wolf Among Us  sowie Game of Thrones, weshalb sich Spoiler nicht vermeiden lassen.

Als ich die 2. Episode  von Game of Thrones spielen wollte, warnte mich ein Textfenster, ich hätte den Serienauftakt nicht beendet – obwohl ich selbst seinen Abspann brav über meinen Bildschirm ziehen ließ. Aber hin und wieder bin ich gerne ein bisschen zerstreut. So kommt es schon mal vor, dass ich das frisch gekaufte Waschmittel im Kühlschrank lagere, während die Milch ihr Dasein neben dem Weichspüler fristet. Daher dachte ich mir auch erst nichts dabei.

Doch sobald der "Previously on"-Schriftzug der Zusammenfassung von Iron From Ice  wich, schien es, als habe ein Fremder meine Entscheidungen nachträglich geändert. Fast fühlte ich mich wie der Protagonist in einer kafkaesken Geschichte. Fehlte nur noch jemand, der mich verhaften wollte.

Der junge Lord Ethan und Duncan.


Plötzlich musste ich etwa mitansehen, wie meine Spielfigur Ser Royland statt Duncan zum Sentinel ernannte. Offenbar hinderte ein Bug das Adventure daran, meinen Spielstand auszulesen. Was für mich unter anderen Umständen ein Grund gewesen wäre, das Spiel einfach abzubrechen, stellte sich letztlich als Glücksfall heraus.

Ziehvater über Nacht

Um euch mein Verhältnis zu Telltale-Spielen zu erklären, gehe ich kurz etwas in der Zeit zurück: Vor ein paar Jahren weckte ein Steam Sale meine Neugier auf The Walking Dead . Obwohl ich das gemütliche Spielgefühl klassischer Adventures mochte, faszinierte mich Telltales radikale Neuinterpretation. Weshalb ich in einer Nacht von irgendjemandem, der nur die Zombie-Apokalypse überleben wollte, zu Clementines Ziehvater wurde.

Der Disclaimer, der sich vor dem Start jeder Episode aus der Dunkelheit schälte, versetzte mich anfangs noch in aufgeregte Erwartung. Immerhin versprach er mir ein Erlebnis, das mein Handeln als Maßband nehmen und seine Erzählung darauf zuschneiden würde. Aber schon nach dem Ende von A New Day  lud er mir die Tragweite meiner zukünftigen Entscheidungen auf die Schultern. Wessen Tod würde ich wohl beim nächsten Mal verschulden?

The Walking Dead überraschte mich mit seiner Kompromisslosigkeit.


Entsprechend lebhaft sprach ich einige Zeit später mit meinen früheren Kollegen über jeden unserer Abstecher in The Walking Dead: Season 2 und The Wolf Among Us. So wie andere beim Kaffeeklatsch über die neue Frisur einer Kim Kardashian tratschen, diskutierten wir darüber, wer Sarita den Arm abgehackt oder Tweedle Dum getötet hatte.

Ein gebrochenes Versprechen, das nie gegeben wurde

Allerdings wirkten diese Unterhaltungen zunehmend belanglos auf mich. Schließlich konnte keiner von uns den Handlungsverlauf in andere Bahnen lenken – trotz aller vermeintlichen Freiheiten.

Elise Favis bringt meine damalige Enttäuschung in seinem GameInformer-Artikel Deine Entscheidungen zählen nicht in Telltale-Spielen  auf den Punkt:

Figuren werden ganz unabhängig von deiner Entscheidung sterben – es hängt nur davon ab, wann.

Deshalb irritierte mich der Game of Thrones-Bug zwar, trotzdem störte er mich kaum. "Es ändert sich ja eh nichts.", überlegte ich. Die folgenden 90 Minuten bewiesen, wie sehr ich mich irrte. In Telltale-Spielen ging es nie darum, den Handlungsrahmen nach meinen Vorstellungen zurecht zu rücken, sondern dem Bild darin meinen Farbfilter zu verpassen. Oder um den Philosophen Epiktet zu zitieren:

Es geht nicht darum, was dir im Leben passiert, sondern wie du darauf reagierst.


Was das bedeutet, ließ mich vor allem die Konfrontation zwischen Rodrik Forrester und Gryff Whitehill gegen Ende der dritten Episode  spüren. Ich hätte mich meinem Schicksal in dieser Situation einfach fügen und die Machtdemonstration der Besatzer über mich ergehen lassen können. Stattdessen entschied ich mich, Widerstand zu leisten.

Immer wieder schlug er mich nieder, immer wieder stand ich auf – so verbissen, dass meine Hand kurz davor war, während der Quick-Time-Events zu verkrampfen. Für diese Anstrengung entlohnte mich Game of Thrones mit einem bloßgestellten Gryff, dessen Drohungen ins Leere liefen.

Sofort scharrten sich die Mitglieder von Haus Forrester um Rodrik, um ihn zu stützen. Seine Mutter umarmte ihn, doch prophezeite:

Du warst tapfer, aber das wird Konsequenzen haben, Junge.

Dabei weiß ich nun dank des Savegame-Bugs, dass es gar nicht darauf ankommt.

Jetzt entschuldigt mich, ich muss Game of Thrones: Episode 4 – Sons of Winter  spielen.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News