Wie sich Tarzan seit über 100 Jahren durch die Medien schwingt

30.07.2016 - 09:05 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Johnny Weissmuller, Christopher Lambert, Disneys Zeichentrickfigur und Alexander Skarsgård als TarzanWarner Bros./Walt Disney
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Mit Legend of Tarzan kommt nach langer Zeit wieder ein Tarzan-Realfilm in die Kinos. Wir schauen, wie sich der Affenmensch jahrzehntelang erfolgreich durch die Medien schwang, und spekulieren, warum sich dieser Erfolg heutzutage nur noch sehr begrenzt einstellt.

Jeder kennt Tarzan, wie Owen Williams in einem Empire-Artikel  zum 100. Geburtstag des Dschungelbewohners 2012 bemerkte. Im Gegensatz zu etlichen anderen Helden, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschaffen wurden, ist Edgar Rice Burroughs' Affenmensch nie in Vergessenheit geraten, wie es Doc Savage, The Shadow oder Burroughs eigenem John Carter of Mars erging. Wer Tarzan ist, was ihn auszeichnet, weiß jeder, wenn auch aus eigener Anschauung heutzutage wohl mehr durch den Disney-Zeichentrickfilm als wegen eines der zahllosen anderen Auftritte des Charakters quer durch alle Medien. In den letzten Jahrzehnten machte er sich nämlich rar, der in dieser Woche startende Legend of Tarzan ist erst der zweite Realfilm im Kino seit Greystoke - Die Legende von Tarzan, Herr der Affen mit Christopher Lambert von 1984. Kann der reine, gute (aber auch rachsüchtige), weiße Tarzan als ernsthafte Figur heutzutage vielleicht gar nicht mehr funktionieren, nachdem er seit seiner Geburt Jahrzehntelang als Roman-, Film-, Radio-, Fernseh- und Comic-Held präsent war und damit mehr Medien erobert hat als wohl jeder vergleichbare Charakter?

Ein Debüt wie kein zweites

Schon sein Debüt im All-Story Magazine vom Oktober 1912 unterschied sich von anderen Pulp-Helden-Premieren dadurch, dass den Lesern nicht lediglich das erste Kapitel seines Abenteuers präsentiert wurde, sondern der komplette Roman auf einen Rutsch. Tarzan war hier auch kein einsilbiger Wilder, statt (dem so auch nie in einem Film gesagten) "Ich Tarzan, du Jane" sprach er korrektes Englisch und war mit den Regeln der britischen Gesellschaft vertraut. Der populären Premiere folgten noch 23 weitere Romane aus Edgar Rice Burroughs' Feder, deren Tarzan-Charakterisierung - abgesehen vom Serial The New Adventures of Tarzan von 1935, für das Burroghs selbst verantwortlich zeichnete - erst ab Tarzans größtes Abenteuer mit Gordon Scott von 1959 Einzug ins Kino hielt. Zwar gründete der Autor schon 1923 als einer der ersten eine eigene Firma, Edgar Rice Burroughs, Inc., um bei der Vermarktung seiner Werke die Zügel in der Hand zu haben, die meisten Filme entstanden jedoch ohne seine Beteiligung.

Der Schwung durch Kino und Wohnzimmer

Dabei turnte Tarzan schon zur Stummfilmzeit durch 4 Spielfilme und 4 Serials, seine Popularität als Leinwandheld kam allerdings erst mit Tarzan, der Affenmensch von 1932 so richtig in Schwung, in dem Johnny Weissmuller die neuen technischen Möglichkeiten beim Schopf packte und zum ersten Mal den berühmten Tarzan-Schrei ausstieß. Nachdem Weissmuller mit Tarzan in Gefahr 1948 sein 12. und letztes Abenteuer erlebte, nahmen bis 1968 noch 4 weitere Darsteller in 16 offiziellen Filmen die Liane in die Hand, dann folgte jedoch eine über zehnjährige Pause.

1932 sprach Tarzan allerdings nicht nur im Kino zum ersten Mal, mit der ersten von 4 Radio-Serien hielt leibhaftige Dschungel-Atmosphäre auch Einzug in zahllose amerikanische Wohnzimmer. Bis zur ersten Fernsehserie dauerte es dann allerdings noch 34 Jahre, bis heute folgten noch 3 weitere Real- und 2 Zeichentrickserien. Zwar modernisierten die jüngeren Realserien Tarzan allesamt auf die eine oder andere Weise (als Umweltschützer in Tarzan, mit Fantasy-Elementen in Tarzan - Die Rückkehr und als Polizei-Berater in New York in Tarzan mit Travis Fimmel), längerfristiger Erfolg blieb aber aus.

Meisterhaft gezeichnet

Doch schon lange vor den wöchentlichen Mattscheiben-Abenteuern hielten Tarzans Erlebnisse bildgewaltigen Einzug in die amerikanischen Haushalte, denn ab 1929 turnte der Herr des Dschungels auch durch Zeitungs-Comics, Anfangs ausschließlich in schwarzweißen Tagesstrips , ab 1931 auch in farbenfrohen Sonntagsseiten . Während die Tagesstrips nach über 10.000 Ausgaben "schon" 1972 eingestellt wurden, erlebte Tarzan Sonntags auf über 3600 Seiten bis 2002 neue Abenteuer. Hinzu kamen noch einmal fast 300 regelmäßige Comic-Hefte von 1948 bis 1979.

Diese Comics waren dabei mitnichten zweitklassige Ableger der Romane bzw. Kinofilme, sondern wurden lange Jahre von einigen der größten Künstler der Comic-Geschichte gestaltet: Für die zeichnerische Umsetzung der Tagesstrips war zunächst niemand Geringeres als der spätere Prinz Eisenherz-Schöpfer Hal Foster verantwortlich, der von 1931 bis 1937 dann die Sonntagsseiten zeichnete. Abgelöst wurde er von Burne Hogarth, der als größter Tarzan-Zeichner überhaupt gilt, während in den Heft-Abenteuern Russ Manning und Joe Kubert Karriere-Highlights ablieferten, die hier  und hier  zu finden sind.

Eingebaute Unmöglichkeit

Auch dank Edgar Rice Burroughs' Geschäftssinn brachte es Tarzan also auf eine beeindruckende medienübergreifende Karriere, die in den letzten Jahrzehnten trotz zahlreicher Wiederbelebungsversuche aber nicht an den Erfolg der Anfangszeit heranreicht. Lediglich Disneys Zeichentrick-Version konnte sowohl bei den Kritikern als auch an der Kinokasse punkten und zog nicht nur eine TV-Serie und Direct-to-Video-Fortsetzungen nach sich, sondern auch ein Musical. Dieser Erfolg deutet im Gegenzug auch darauf hin, dass Tarzan als ernsthafter Charakter heutzutage einfach nicht mehr zu funktionieren scheint.

Nicht zuletzt ist die Vorstellung eines weißen, grundguten Übermenschen, der im afrikanischen Dschungel für Recht und Ordnung sorgt und den Einheimischen zeigt, wo's langgeht, gerade heutzutage schlicht zu problematisch, um im Realwelt-Kontext zu bestehen. Disneys Tarzan verzichtete ganz auf schwarze Charaktere und umgab den Titelhelden stattdessen mit jeder Menge putzigen Tieren; auch eine Möglichkeit, ein Problem zu umgehen. Erwartungsgemäß wird auch Legend of Tarzan von  nicht  wenigen  Vorwürfen  begleitet , trotz vermutlich guter Absichten der Verantwortlichen Tarzan den Rassismus nicht austreiben zu können. Denn egal, ob Edgar Rice Burroughs "nur" genauso rassistisch war wie die meisten weißen US-Amerikaner zur damaligen Zeit, egal, ob es heutzutage prominent besetzte schwarze Nebenrollen gibt, eine Tatsache bleibt besten: Der weiße Tarzan schafft das, was die schwarzen Einheimischen nicht schaffen, er ist der Held, ohne den es für sie nicht läuft. Aber vielleicht ist es andersherum gerade dieses Archaische, das von Zeit zu Zeit immer neue Produzenten dazu animiert, einen Urwald-Ausflug zum Herrn des Dschungels zu finanzieren. Auch wenn sich dieser nicht als Traumurlaub entpuppt.

Was haltet ihr von Tarzan?

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