Wie Trautmann von der wahren Geschichte abweicht

01.04.2019 - 11:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Trautmann erzählt basierend auf wahren Begebenheiten die Heldengeschichte eines Nazi-Soldaten, der im England der Nachkriegszeit als Fußballer Karriere macht. Einige unangenehme Wahrheiten mussten dafür jedoch weichen.

Der Fußball schreibt die besten Geschichten, heißt es nach jedem Bundesliga-Wochenende und nach jeder WM. Die Geschichte von Bert Trautmann ist wahrscheinlich eine der spektakulärsten, die dieser Sport jemals hervorgebracht hat. Bert Trautmann, gespielt von David Kross, geriet als deutscher Soldat nach dem Zweiten Weltkrieg in britische Gefangenschaft, wird von einem Fußballtrainer entdeckt und hechtet sich auf der Insel zu einer Sportlegende hoch.

Von dieser wahren Geschichte handelt Trautmann, der gerade in den deutschen Kinos läuft und bei den Zuschauern gut ankommt. Dabei erzählt der Film nicht die ganze Wahrheit über den Fußballer.

Die historischen Hintergründe von Trautmann

Eine Dreiecksbeziehung würzt die Handlung, im Vordergrund steht aber natürlich der komplizierte Verarbeitungsprozess zwischen Engländern und Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Trautmann als Posterboy von Nachkriegsdeutschland mitten in England erlebt.

Die deutsch-britische Koproduktion stellt die Widerstände, die ein deutscher Torhüter nur vier Jahre nach dem Krieg in einem englischen Tor auslöst, auch offensiv dar. Trautmann dringt tief in die Krater und Wunden ein, die der Zweite Weltkrieg in der englischen Seele hinterlassen hat. Trautmanns eigene Traumata verhandelt der Film stets bedacht in Rückwirkung auf das Leid, das er anderen zufügte.

Trautmann

Mit anderen Worten: Trautmann ist sich der Komplexität seiner Themen bewusst. Umso mehr verwundert es, dass der Film einige unangenehme Wahrheiten, die Trautmanns Heldenreise zusätzlich beschmutzen würden, seinem Publikum nicht zumuten will. Es geht hier um verschiedene subtile Beschönigungen, Auslassungen und Glättungen, die die Trautmann-Geschichte verdaulicher machen - und nach denen wir gar nicht lange suchen mussten.

Bert Trautmanns Vergangenheit als Nazi-Soldat

Der echte Bert Trautmann ging vor seinem Tod im Jahr 2013 offener mit seiner Nazi-Vergangenheit ins Gericht als der Film es tut. 2010 erschien Catrine Clays Trautmann-Biografie Trautmann´s Journey. Aus dieser gehen die meisten Erkenntnisse über Bert Trautmanns politische Haltung vor der Fußballkarriere hervor.

Trautmann gibt etwa zu, "seinen tiefsitzenden Judenhass" (Zeit Online ) erst während des Aufenhaltes in England abgelegt zu haben. Von der jüdischen Gemeinschaft Manchesters wird Trautmann im Film abgelehnt, bis ein Rabbi sich in einem offenen Brief für ihn einsetzt.

Judenhass wird hier als allgemein deutsches Nazi-Merkmal behandelt, das auch Trautmann einfasst und wodurch sich seine Rolle sogar als die des machtlosen Opfers eines Kollektivurteils lesen lässt. Über Trautmanns persönlichen Antisemitismus schweigt der Film beharrlich. Zuschauer müssen dieses nicht ganz unwichtige Puzzleteil selber in die Trautmannfigur setzen - oder es eben weglassen.

Bert Trautmann, der Vorzeige-Nazi

Das ist seltsam, denn im Film bricht Trautmann unter seiner unleugbaren Teilhabe an der Kriegsschuld fast zusammen. Trautmann meldete sich freiwillig für den Kriegsdienst und verdiente sich die damals höchste militärische Auszeichnung, das Eiserne Kreuz. Trautmanns Gewissenskampf ist das wichtigste dramatische Motiv des Films, das heruntergebrochen wird auf einen Satz, den Trautmann häufig wiederholt: "Ich hatte keine Wahl". Der Film jedoch nimmt Trautmann diese vorgeschobene Entschuldigung nicht ab und entlastet ihn auch nicht als Mitläufer.

Dass Trautmann Hitlers Ideologien "mit ganzem Herzen" gefolgt sein soll, lässt sich aus David Kross' gequälter Figur und auch aus den Dialogen jedoch nicht herauslesen. Bert ist vom Gedankengut des Nationalsozialismus reingewaschen. Eingeführt wird er als geläuterter Soldat, dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus schon während des Krieges gespalten war.

Trautmann und Margeret

Trautmann schreibt damit das Narrativ des "guten Deutschen" weiter, das auch verbreitet wird von der Vereinsfolklore von Manchester City, für den Trautmann die meiste Zeit seiner Karriere spielte. Stattdessen sei Trautmann ein Vorzeige-Nazi gewesen, "blond, blauäugig [...] und rücksichtslos." (Guardian )

Die (falsche) romantische Geschichte in Trautmann

Aus der Biografie von Trautman geht ebenfalls hervor, dass an der genüsslich ausgerollten Beziehung mit der Trainertochter Margaret (Freya Mavor) nicht viel stimmen kann. Als Gefangener schon soll Trautmann ein Kind gezeugt haben - allerdings nicht mit Margaret. Mit Margaret Trautmann hatte der Torwart-Superstar zwar später drei Kinder, die er jedoch verließ, um in Deutschland einen Trainerjob anzutreten. Insgesamt war Trautmann bis zu seinem Tod dreimal verheiratet.

Bert Trautmann: Der Film verschweigt sportliche Tiefpunkte

Auch der sportliche Aufstieg in den englischen Fußball-Olymp verlief nicht so glatt, wie im Film dargestellt. Die Ungenauigkeiten beginnen bei den sportlichen Wurzeln des Torwarts. Der Film stellt Trautmann als eine Art Torwart-Genie dar, das praktisch aus dem Nichts in den Fußballhimmel aufschoss und sich seine Fertigkeiten als Torhüter ausschließlich auf matschigen Bolzplätzen verdiente. Tatsächlich war Trautmann ein ehemaliger Handballer und Völkerballer und ein schon immer begabter Mannschafts- und Ballsportler (RP Online ).

Trautmann

Der wundersame Schnelleinstieg Trautmanns in die oberste englische Spielklasse wird dadurch sogar plausibler. Zumal die ersten Spiele Trautmanns keineswegs ohne Unfälle verliefen, wie im Film dargelegt. Bei einem seiner ersten Auswärtsspiele setzten Trautmann die Proteste und Beleidigungen des Publikums so schwer zu, dass er kaum einen Ball festhielt und sieben Tore kassierte.

In Trautmann jedoch hält Bert selbst die Unhaltbaren und ist von Beginn an eine unüberwindbare Wand. Für sportliche Schwächen waren im Film also ebenso wenig Platz wie für eine Hauptfigur, die ihr nationalsozialistisches Gedankengut überwindet.

Was haltet ihr von diesen Änderungen in Trautmann gegenüber der wahren Geschichte?

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