Willkommen zurück in der Pubertät

29.09.2011 - 08:50 Uhr
Szene aus Submarine
Optimum Releasing
Szene aus Submarine
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Die Einen lieben sie, die Anderen haben sie als immer wiederkehrenden Einheitsbrei abgehakt: Coming of Age-Filme. Doch was hat es mit der Kritik auf sich?

Jungs waren plötzlich nicht mehr eklig, sorgten dafür aber für viele schlaflose Nächte, Pickel sprossen wie Unkraut im Blumenbeet, Zickenkriege verursachten filmreife Dramen und wir mussten uns mit Problemen herumschlagen, von denen wir nie zuvor auch nur etwas geahnt hatten. Ach, was war sie herrlich, die Pubertät. Bei all dem Stress bot die Zeit des Heranwachsens durchaus auch ihre Momente. Jeder von uns hat sie erlebt und von Zeit zu Zeit wird dieser so prägenden Lebensphase auf anschauliche Art und Weise in den sogenannten Coming of Age-Filmen ein Denkmal gesetzt.

Die Zeit der Sommerblockbuster ist allmählich vorbei, nun bestimmen wieder viele kleine Independent-Filme das Kinoprogramm. Restless, Submarine und Von der Kunst, sich durchzumogeln laufen in den kommenden Wochen an und drehen sich allesamt um junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden und die Probleme, die dieser Lebensabschnitt mit sich bringt. Mit diesem thematischen Schwerpunkt befinden sich die eben genannten Streifen in einer Traditionslinie mit Klassikern wie Breakfast Club – Der Frühstücksclub oder La Boum – Die Fete – Eltern unerwünscht. Auch neuere Werke wie Little Miss Sunshine, Into the Wild oder Juno brachten es zu großem Erfolg bei einem breit gefächerten Publikum.

Und täglich grüßt der Hipster-Film
Gleichzeitig ist das Genre des Coming of Age immer wieder harscher Kritik ausgesetzt. Bleiben wir doch gleich bei dem Beispiel Juno. In der Indiekomödie von Jason Reitman spielt Ellen Page eine Sechzehnjährige, die ungewollt schwanger wird und sich eigenständig auf die Suche nach Adoptiveltern für ihr Kind begibt. Der Film wurde von Publikums- wie auch Kritikerseite bejubelt und sogar als bester Film des Jahres betitelt. Es gab allerdings auch Ausnahmen. Kyle Smith, Filmkritiker der New York Post, schrieb auf seinem Blog: „Der Hipster-Film des Jahres zu sein bringt einige Probleme mit sich. Eines davon ist, dass Hipster irgendwie lästig sind.“

Mit dieser Argumentation steht Kyle Smith nicht allein auf weiter Flur. Er hat nicht einmal ganz unrecht, denn diverse Stilmerkmale treten in fast allen Filmen des Coming of Age zutage. Wir hören die immergleiche Singer-Songwriter-Folk-Gitarren-Musik à la Ben Folds und Belle and Sebastian, bekommen es mit dem immer gleichen optischen Look zu tun und von Glaubwürdigkeit der Dialoge wollen wir erst gar nicht anfangen. In Juno zitiert die sechzehnjährige Titelheldin 20.000 Meilen unter dem Meer von Jules Vernes, in Submarine hat der fünfzehnjährige Oliver Tate (Craig Roberts) ein Poster von Der eiskalte Engel an seiner Wand hängen und in Little Miss Sunshine ist der misanthropische Dwayne (Paul Dano) Nietzsche-Anhänger. Mal ehrlich: Welcher sechzehnjährige Teenager ist Nietzsche-Anhänger? Sind die nicht alle vollauf damit beschäftigt, sich wahlweise auf Facebook zu exhibitionieren oder ganz real zuzudröhnen? Vielleicht haben die Kritiker ja recht. Vielleicht sind Coming of Age-Filme nichts weiter als bemüht unkonventionelle Indieklitschen, die letztlich nur sich selbst genügend in Klischees und Wiederholungen haften bleiben. Um diese Frage zu klären, erscheint es sinnvoll, sich dem Phänomen von einer nüchternen Seite zu nähern. Was genau ist eigentlich Coming of Age?

Verfolgungsjagden, nackte Haut & die nie enden wollende Suche nach sich selbst
Coming of Age ist verwandt mit der Literaturgattung des Bildungsromans. Das sagt zumindest Wikipedia. Es zeigt das psychologische und moralische Wachstum eines meist männlichen Jugendlichen unter den Gesichtspunkten der Entwicklung der sexuellen Identität, der Lebensphilosophie und politischen Meinung. Dabei sind die Filme oft emotional, dialoglastig und kommen weitestgehend ohne Action aus. Hm. Klingt sehr theoretisch und irgendwie so überhaupt nicht reizvoll, von Abwechslung mal ganz zu schweigen.

Andererseits: Hat nicht jedes Genre bestimmte Konventionen, bestimmte Standardsituationen, die sich Film für Film wiederholen? Ohne solche wiederkehrenden Elemente wäre eine Genre kein Genre. Kaum ein Actionstreifen kommt ohne eine zünftige Verfolgungsjagd aus, kaum ein Liebesfilm zeigt nicht auch mal nackte Haut. In jedem Gruselschocker gibt es den von treibenden Violinen untermalten Moment, in dem die Zuschauer schreien „Nein, geh da nicht rein!“ und in jedem klassischen Western läuft ein einsamer Held mit gestrengem Blick und Colt im Anschlag durch eine ausgestorbene Kleinstadt. Und, stört das Jemanden?

Ewige Jugend
Auch die immer gleichen Themen in Coming Of Age-Dramen sind kein wirklich schlagkräftiges Argument. Versuchen wir, uns an unsere eigene Jugendzeit zurückzuerinnern, werden wir feststellen, dass Selbstfindung, erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und die Suche nach einem passenden Platz in der Welt eben genau jene Dinge waren, die uns vorrangig beschäftigten. Will ein Film über Jugendliche authentisch sein, muss er solche Themen auch berühren. Und mal abgesehen davon: In Restless geht es um den Tod, Into the Wild ist ein Roadmovie, La Boum – Die Fete – Eltern unerwünscht eine nie enden wollende Teenager-Party, in Breakfast Club – Der Frühstücksclub wird nachgesessen und in Juno ist ein junges Mädchen schwanger. Allzu sehr ähneln sich die einzelnen Filme nicht, jedenfalls nicht mehr als die fünfhundertachtundsiebzig Auftragskillerrollen von Jason Statham. Nichts für ungut.

Da wäre noch das Hipster-Argument. Ja, ich kann sie auch nicht mehr sehen, die Jutebeutel in Kombination mit Nerdbrille, Flannellhemd und gelangweiltem Blick. Aber wofür interessieren sich angeblich Hipster per Definition? Für Kunst, Mode, Musik, Film und Literatur? Meine Güte, steinigt sie.

Was bleibt also zu sagen? Coming Of Age ist ein Genre. Ein Genre hat Fans genau wie Gegner. Die Gegner haben wiederum eigene Lieblingsgenres und diese haben genauso Gegner. Merkste wat?

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