Wim Wenders - Eine lange Reise zwischen Tanz und Tod

14.08.2015 - 08:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Immer perfekt: Wim Wenders
Stella Artois
Immer perfekt: Wim Wenders
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Heute feiert einer der größten deutschen Regisseure unserer Zeit seinen 70. Geburtstag. Wim Wenders erschuf nicht nur Klassiker wie Himmel über Berlin, sondern setzte auch mit kleineren Werken neue Maßstäbe in der Filmwelt.

Zum 70. Geburtstag von Wim Wenders durchforste ich ein wenig meinen Kopf, um mich zu erinnern, wie der Regisseur mein Leben streifte. Ich muss feststellen, dass dies gar nicht so lange her ist. 2011 belegte ich in meinem Studium ein Seminar mit dem Titel 'Wim Wenders: Unterwegssein und den Tod erleben ohne sterben.' Hoch kryptisch klingt das schon. Meine Intention war es eher, mich ein wenig mit Wenders' Filmographie zu beschäftigen und hinterher darüber zu quatschen. Ein paar beeindruckende Streifen sind mir dabei unter die Augen gekommen, die durch eine einzigartige Herangehensweise im Gedächtnis bleiben.

Endlich gutes 3D

Da wäre zum einen Pina, das bildliche Denkmal für die Tänzerin Pina Bausch mit dem großartigen Untertitel Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren. In ergreifenden Bildern huldigt Wenders hier nicht nur der Choreographin, sondern auch dem Tanztheater an sich und in den Ecken der Dokumentation auch ihrer beider Heimat Wuppertal. Heraus kommt ein Film, der uns ein wenig die Arbeit von Pina Bausch erklärt (aber nicht zu viel), visuell faszinierend auch die Nicht-Tanzliebhaber abholt (aber nicht zu gezwungen) und emotional an die Nieren geht (kein aber).

Pina: Tanz in Wuppertal

Wim Wenders entschied sich nach dem Tod Bauschs, das gemeinsame Projekt eines 3D-Tanzfilms etwas umzumodellieren und ihr zu widmen. Ich hatte damals im Kino zum ersten Mal das Gefühl, dass der 3D-Effekt sinnvoll eingesetzt war. Seien wir ganz ehrlich: Mehr als in die Tiefe zu gehen, schafft der moderne Brillentrick auch nicht. Und wofür bietet sich eben dieser besser an als für einen Film über das Tanztheater? Der Kinosessel wird plötzlich zur Theaterloge und ich muss mich zurückhalten, nicht zwischen den Tanzeinlagen zu klatschen. Da war sie endlich wieder, die Kinoatmosphäre, die kein Fernseher der Welt nachahmen kann.

Wie lange noch?

Mit dem Film Bis ans Ende der Welt hat mir Wim Wenders damals die Kraft geraubt. Nicht nur, dass der Film meinen Vortrag über Joseph Campbells Heldenreise untermalte, er wollte zusätzlich einfach nicht in meinen Besitz übergehen. Drei Wochen habe ich auf die DVDs gewartet. Richtig, Mehrzahl. Denn die Reise Bis ans Ende der Welt dauert unterm Strich 279 Minuten. Wim Wenders, Sie machen mich fertig. Ich freue mich schon ziemlich früh auf den irgendwann kommenden Abspann, quäle mich durch den Film und empfinde ihn als nicht ganz so prall. Was jedoch in den nächsten Wochen folgen sollte, habe ich noch bei keinem anderen Film erlebt.

Solveig Dommartin, Sam Neill und Rüdiger Vogler

Das Studium seziert alles, was ihm unter die Finger kommt. So ist es mir auch mit Bis ans Ende der Welt gegangen. Die Seminardiskussion lässt uns immer mehr in dem Film entdecken: vom Heldenmythos über Wenders' Besetzungsstruktur und das traurige Schicksal der Solveig Dommartin bis hin zu Anspielungen auf jede Menge Gottheiten und ihre kleinen und großen Fehler. Letztlich bin ich aus dem Seminar gekommen und hatte sofort wieder Lust mir den Film noch einmal anzusehen. Ich hatte das Gefühl, jetzt alles zu verstehen. Ich habe den Wenders bezwungen! Natürlich habe ich das nicht, aber der Film, den ich eigentlich nicht mögen wollte, wurde nun irgendwie zum Symbol für meine Sicht auf den bebrillten Wuppertaler.

Krebs und was daraus gemacht werden kann

Jetzt folgt die schwere Kost. In Nick's Film - Lightning Over Water folgt Wenders den letzten Tagen des Regisseurs Nicholas Ray (... denn sie wissen nicht, was sie tun). Ray war 1979 schon im Endstadium des Lungenkrebses und Wenders dokumentiert sein Leid. Eigentlich sollte der Film nur Lightning Over Water heißen, aber irgendwann musste Wim Wenders feststellen, dass Nicholas Ray fest entschlossen war, einige Dinge zu spielen und Regieanweisungen zu geben. Dadurch wird der Film nicht nur zu einer undurchsichtigen Mischung aus Dokumentation und Fiktion, sondern auch zu dem Werk, wie Ray es haben wollte: Es wird Nick's Film. Wenders tat Nicholas Ray mit der Doku einen Gefallen, wie er selbst erzählt :

Nick hat mir von seiner Krebserkrankung erzählt. Er wußte, daß er unheilbar krank war. Er wollte arbeitend sterben. Unser gemeinsamer Film war ein Versuch, dem Krebs etwas entgegen zu setzen, eine Sterbebegleitung, bei der auch ein Film entstanden ist. Aber wir alle, die diese letzte Reise mit Nick gemeinsam gemacht haben, hätten dies auch ohne Film in der Kamera getan.
Arbeit bis zum Schluss: Regisseur Nicholas Ray

Heraus kommt ein kleines Meisterwerk, das uns nicht nur Nicholas Rays vehemente Arbeitswut zeigt, sondern auch eine Freundschaft der besonderen Art. Ray hatte immer Einfluss auf das Werk von Wim Wenders, sei es bei Bis ans Ende der Welt, dessen Titel ein Zitat aus Rays König der Könige ist, oder aber bei Der amerikanische Freund, in dem Ray sogar eine kleine Nebenrolle spielt und für dessen Auftritt Winders noch einmal das Drehbuch umschrieb.

Ob ihr nun Wim Wenders-Fans seid oder nicht: Niemand kann dem 70-Jährigen das Herzblut absprechen, das in seinen Werken steckt. Und ist es nicht genau diese Leidenschaft, die uns alle vorantreibt? Für das Seminar gab's übrigens 'ne 1,7, aber darum geht's ja hier nicht. Danke schön und alles Gute zum Geburtstag, Wim Wenders!

Was haltet ihr von Wim Wenders' Filmen?

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