Goodbye Miami lautet der Titel der zehnten Dexter -Folge aus Staffel 8, aber „Goodbye Evelyn“ träfe es womöglich etwas besser. Wobei Evelyns Abschied aus ihrer Sicht kaum als „gut“ bezeichnet werden kann. Tatsächlich wurde ihr vom eigenen Sohn die Kehle durchgeschnitten – was Sigmund Freud wohl dazu sagen würde? Wäre er Serienfan, er wäre vermutlich zufrieden. Denn mit dem vorzeitigen Ableben des Gaststars Charlotte Rampling ist den Dexter-Autoren eine feine Wendung gelungen. Erstens, weil ihr Tod – wenn überhaupt – eher für die letzte Episode zu erwarten war und die faustdicke (tödliche) Überraschung der Episodendramaturgie gut tat. Zweitens, weil Evelyns Charakter sich zunehmend im Kreis drehte und selbst Charlotte Ramplings Spiel nicht mehr zu überzeugen wusste. In der Ellbogengesellschaft High Quality-Serie überleben eben nur die Stärksten. Die allerletzten Weichen für das Duell Dexter vs. Brain Surgeon sind gestellt – und einige weitere liebgewonnene Charaktere bleiben noch, die dem Kampf der Giganten zum Opfer fallen könnten.
Nach einer kurzen Zusammenfassung, sollen wie immer die neuesten Entwicklungen im Hause Morgan analysiert werden. Einem kurzen Seitensprung zu den Irrungen und Wirrungen im Miami Police Department folgt die zweite Familienanalyse des Tages: Den Anfang macht der Sohnemann alias Brain Surgeon, dann werden Mutter Evelyn einige (letzte) Worte gewidmet.
Was passiert
Eigentlich sollte Dexter (Michael C. Hall) seine gemeinsame Flucht mit Hannah planen, denn die Schlinge um die polizeigesuchte Giftmörderin zieht sich zu. Als sich Harrison bei einem Unfall am Kinn verletzt, muss sie ihn ins Krankenhaus bringen und wird prompt erkannt. Marshal Clayton nimmt ihre Fährte auf, wird jedoch vorerst von Debra (Jennifer Carpenter) abgewimmelt. Dexter arbeitet währenddessen an seinem Plan, den Brain Surgeon zu töten. Von diesem muss jedoch auch Evelyn überzeugt werden. Diese gesteht Dexter, dass sie Kontakt zu ihrem Sohn aufgenommen hat, bittet ihn jedoch Inständig vom Mord an Daniel abzusehen. Sie glaubt daran, ihren Sohn trainieren oder in eine Anstalt einweisen zu können. Dexter hat allerdings überzeugendes Argument: Ein Video zeigt Daniel beim genussvollen Mord an Zach. Evelyn erklärt sich nun bereit, ihren Sohn in die Falle zu locken. Doch der Plan geht schief: Als Dexter etwas verspätet bei Evelyns Wohnung ankommt, muss er durch das Fenster zusehen, wie Daniel seiner Mutter die Kehle durchschneidet.
Dex und Debra
Wie die Serie, so neigt sich auch diese besondere Geschwisterbeziehung dem Ende zu. Als Deb erfährt, dass Dexter nach Argentinien auswandern möchte, ist sie nicht gerade begeistert. Der geneigte Zuschauer möchte sie packen und wach schütteln: Was kann ihr Besseres passieren, als dass ihr serienmordender Bruder das Land verlässt? Sie könnte ohne Gewissenskonflikte (sehen wir mal von dem Mord an LaGuerta ab, aber die konnte sowieso niemand leiden) in den Polizeidienst zurückkehren. Zudem steht mit Quinn ein neuer Seelenpartner auf der Matte. Kommt Debra also endlich zur Ruhe? Womöglich. Eine Prognose sei jedoch erlaubt: Ein letztes Mal wird sie ihrem Bruder im Saisonfinale wohl noch den Allerwertesten retten müssen.
Miami Metro
Taschentücher raus: Quinn hat sich von Jamie getrennt – und gräbt noch in der gleichen Folge erfolgreich an Deb. Während Angel wie immer majestätisch-verständnisvoll reagiert, bekommen wir immerhin von Jamie ein bisschen Feuer: "Go f… yourself“ zischt sie in einer amüsanten Szene ihrer Konkurrentin zu. Dabei hat eigentlich Debra das böse F-Wort gepachtet. Doch mehr als ein stutenbissiger Kleinsterfolg bleibt nicht für Jamie, denn Folge 10 ist Debras Folge. Sie gesteht nicht nur Quinn ihre Gefühle, sie kehrt nun auch offiziell in den Polizeidienst zurück. Sogar Angel reagiert bei dieser tollen Nachricht, ähm, majestätisch-verständnisvoll – und bietet Debra den sofortigen Einstieg ins Tagesgeschäft an. Denn im Miami Metro wird auch ermittelt: Ein Fahrradfahrer wurde von einem Auto erfasst.
Der Brain Surgeon
Mehrfach habe ich mich in den Recaps als Fan des Brain Surgeons geoutet. Seine feine Metaphorik gepaart mit machtvoller Cleverness überzeugte. Doch ähnlich eines Spiderman, der als Peter Parker plötzlich zum langweilig-fluffigen Tobey Maguire mutiert, ist die wahre Identität des Brain Surgeon ziemlich enttäuschend. Anstatt als genial-böses Mastermind à la James Bond-Bösewicht, entpuppt sich Daniel als ständig beleidigte Leberwurst mit frodo-esquem Hundeblick. Doch vielleicht haben wir Glück und in Episode 11 und 12 bekommen wir wieder mehr Gehirnchirurg und weniger Daniel Vogel. Das furiose Episodenende deutet zumindest darauf hin.
Evelyn Vogel
Evelyn ist – wie so häufig – das Sahnehäubchen auf der Dexter-Episode. Diesmal jedoch auf Grund ihres überraschenden Todes. Ihre Leistung zuvor war dürftig – eine Kritik, die sich im Übrigen auf Darstellerin Charlotte Rampling übertragen lässt. Die unsägliche Szene, die die stets beherrschte Evelyn im Gespräch mit Tom Matthews als übertrieben nervöses Wrack zeigt, kann vielleicht noch den Drehbuchautoren in die Schuhe geschoben werden. Beim völlig misslungenen Plausch mit ihrem Sohn kurz vor dem Mord muss sich Charlotte Rampling allerdings an die eigene Nase fassen. Bei betretenem Schweigen noch Over-Acting zu betreiben ist zwar ein Kunststück, tat der Szene, ebenso wie die übertrieben atmosphärische Ausleuchtung nämlich überhaupt nicht gut. Zugeben, die Strafe für diese kleine Verfehlung war etwas hart. Wir werden Evelyn Vogel trotz allem als Staffel-Highlight in Erinnerung behalten.
Zitat der Folge
„Men do stupid things for beautiful women.“ (Spürhund Marshal Clayton nimmt Dexters Fährte auf)