Xenoblade Chronicles 3D & die Epik im Vorbeigehen

20.04.2015 - 15:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Gröbere Texturen, gleiche Spielwelt
Nintendo
Gröbere Texturen, gleiche Spielwelt
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Mit einer Portierung auf den New Nintendo 3DS kehrt das Wii-Rollenspiel Xenoblade Chronicles auf die heimischen Bildschirme zurück. Aber kann ein derart gigantisches Spiel überhaupt sinnvoll auf einem Handheld-Gerät umgesetzt werden? Ich habe mir das Ganze einmal angeschaut.

Nachträglichen Portierungen von Videospielen auf aktuellere Plattformen stehe ich in der Regel skeptisch gegenüber. Ich habe selten das Gefühl, dass das Spiel durch den Wechsel auf eine neue Konsole optische oder spielerische Gewinne einfährt, die einen Neukauf rechtfertigen würden. Viel eher wirkt das Ganze oft wie eine Verkürzung des Nostalgie-Effekts und Spiele werden schon nach wenigen Jahren so behandelt, als kämen sie aus der guten alten Zeit.

Der Wunsch, zum "Klassiker" zu werden, ist in einem schnellebigen Medium wie dem Videospiel zwar nachvollziehbar, wird durch Remastered Editionen und HD-Remakes manchmal aber ad absurdum geführt. Wie soll denn jemals das wohlige, nostalgische Gefühl im Bauch entstehen, wenn ein Spiel schon nach 3 Jahren wieder hervorgeholt wird.

Das Mini-Comeback ohne Pause

So uninteressant diese Neuauflagen für mich auch oft sind, bekommen sie aber eine ganz andere Bedeutung, wenn es um ein Spiel geht, dass zum Erst-Release nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die es verdient oder wenn es durch geringe Stückzahlen zu schwer (oder teuer) geworden ist, an sie heranzukommen. Genau in diese Kerbe schlägt für mich der Re-Release von Xenoblade Chronicles , einem der wichtigsten JRPGs der letzten 10 Jahre. Der Wii-Titel, der 2012 zwar durchaus Erfolge verzeichnen konnte, immerhin steht uns mit Xenoblade Chronicles X  bald ein groß aufgezogenes Sequel ins Haus, hat es vor allem im Westen sehr schwer gehabt. In die USA kam das Spiel sogar erst nach einer gigantischen Fan-Petition auf den Markt.

Details im Hintergrund sind auf dem New 3DS kaum auszumachen

Unter dem Namen Xenoblade Chronicles 3D kommt das riesige Rollenspiel nun abermals in die Läden und die Verantwortlichen haben mit dem New Nintendo 3DS die denkbar ungeeignetste Plattform gewählt, um uns die wohlverdiente Reprise des Titels zu liefern. Denn vorab sei gesagt, dass, auch wenn die Portierung auf den Handheld technisch funktioniert, viel von dem ursprünglichen Spielgefühl verloren geht. Denn Xenoblade Chronicles hat es vor allem durch ein ganz bestimmtes Stilmittel auf sich aufmerksam machen können, dem Gigantismus.

Die Großartigkeit der Größe

Dieser Größenwahn in seiner positivsten Form spiegelt sich in fast allen Aspekten des Spiels wieder. So ist die gesamte Spielwelt von Xenoblade Chronicles 3D nicht einfach nur ein sehr großer Planet, sondern bemüht lieber gleich die Metapher zweier Titanen, die mitten in einem urzeitlichen Kampf leblos verharren. Auf den Beinen, Armen, Rücken und Köpfen der beiden Giganten haben sich zwei verschiedene Welten etabliert. Haben wir uns in Shadow of the Colossus  nur einfach klein gefühlt, wenn wir auf den Kolossen herumspaziert sind, wirken wir in Xenoblade Chronicles schlicht verloren. Die riesigen, offenen Areale des Spiels sind nicht nur weitläufig, sondern schon fast lächerlich groß. Da auch verschiedene Ebenen der Spielwelt zum Einsatz kommen, ist die Gefahr, sich zu verlaufen und hochstufigen Monstern ins Maul zu laufen, Todesursache Nummer 1.

Gerade in den Gesichtern macht sich die Portierung bemerkbar

Das überwältigende Gefühl, mitten in diesen Landschaften zu stehen und keine Grenzen zu sehen, als könnten wir endlos weiterlaufen, geht auf den kleinen Bildschirmen des New Nintendo 3DS verloren. Das liegt weder an der mangelhaften Qualität der Umsetzung, noch an dem Zahn der Zeit, sondern schlicht an den Ausmaßen des Handhelds. Glücklicherweise beschränkt sich die Epik von Xenoblade Chronicles nicht auf die optische Inszenierung der Spielwelt, die Größe des Spiels findet sich auch in den Mechaniken und Inhalten des JRPGs. Denn obwohl sich Xenoblade Chronicles konservativ an die Grundpfeiler des Genres hält, schaffen es die Entwickler von Monolith Software uns durch den Gigantismus des Bewährten an die Welten von Bionis und Mechonis zu fesseln.

Erzählerische Bescheidenheit

Es ist überraschend, dass gerade bei der Geschichte auf einen verhältnismäßig kleinteiligen Fokus geachtet wird. Tatsächlich tut es Xenoblade Chronicles aber gut, dass sich das Spiel auf das Schicksal und den Rachefeldzug einer kleinen Gruppe von spielbaren Helden konzentriert. Zwar sind ihre Aktionen letztlich dann doch für die ganze Welt von Bedeutung, erzählt wird uns die Geschichte von Shulk, seinem mysteriösen Schwert Monado und der Invasion durch die roboterhaften Mechon aber stets aus einer sehr persönlichen Perspektive. So wie wir die Spielwelt als kleiner Hom (das Menschheits-Äquivalent des Spiels) erleben, so erfahren wir auch die Bedrohung der gesamten Welt aus den Augen eines jungen Erfinders, der gar nicht weiß, was überhaupt auf ihn wartet.

Die Story allein sorgt aber dennoch nicht für eine ausreichende Motivation, dafür ist der Spannungsbogen vor allem zu Beginn zu linear und auch die Figuren, so charmant sie auch sind, halten ihre Persönlichkeit sehr zurück. Das Abenteuer fällt durch die relative Einfachheit aber keinesfalls negativ auf, sie ist lediglich nur zweckdienlich und schafft es, eine Gruppe zu entwerfen, mit der wir liebend gern den toten Koloss-Körper erkunden. Der Reiz der Geschichte nährt sich eher durch das Erkunden neuer Städte, Ebenen und Dungeons, als durch den aktuellen Spannungsbogen.

Die Freude an der Wanderlust

Anders als bei The Elder Scrolls V: Skyrim  oder Dragon Age: Inquisition  definiert sich die Größe von Xenoblade Chronicles 3D nicht durch die Breite, sondern die Höhe. Das zeigt sich sowohl in der Levelarchitektur, in der wir unter riesigen Felsformationen spazieren oder durch den Sprung von einer Brücke hunderte Meter in die Tiefe fallen, ist aber auch in den Spielmechaniken zu finden. Es gibt keine Pluralität der Möglichkeiten, sondern nur eine handvoll komplexer, fast unausschöpfbarer Aufgaben. Neben der Geschichte, die sich wohl (glücklicherweise) als einziger Aspekt des Spiels dem Riesenwuchs verweigert, erleben wir die Welt von Xenoblade Chronicles vor allem durch bequeme Nebenqests, den Sammelheften und dem Harmoniediagramm.


So banal diese Dinge klingen, so clever spielen sie dem Erlebnis einer riesigen Spielwelt zu. Die Nebenquests sind beispielsweise keineswegs originell, sondern oft sogar uninteressant oder schlichte To Kill-Listen, ihre Erledigung erfordert aber keinen Aufwand, sondern sie geschehen nebenbei. Und wenn das gewollte Monster niedergestreckt ist oder die Materialen gesammelt sind, gilt die Quest automatisch als erfüllt. Keine unnötigen Wege, nur um dem Auftraggeber zu sagen, der Job sei erledigt. Dadurch lassen sich mehrere Aufgaben gleichzeitig angehen, ohne, dass die Erkundung der Spielwelt unterbrochen oder durch das Interesse an den Quests überlagert wird. Gleiches gilt für die Sammelhefte, die uns für jedes Spielareal einen Satz an Gegenständen geben, die wir finden sollen. Auch diese Dinge finden sich nebenbei, fördern aber unbewusst die eigene Beziehung zur Spielwelt.

Auch wenn es keinen zwingenden Grund gibt, die Karte ganz abzulaufen, gehe ich gern in der Spielwelt spazieren, weil ich neben der schönen Landschaft sogar noch spielerische Fortschritte mache. Dieser Ansatz findet sich dann auch in dem Harmoniediagramm wieder, wo die beiläufige Absolvierung der Nebenaufgaben zu mehr Sympathie in der Bevölkerung führt, was letztlich in der Freischaltung größerer Missionen resultiert. Allein das Sein in der Welt und die durch Neugier getriebene Erkundung des Spiels, lässt den Inhalt des Spiels noch reichhaltiger werden, ganz ohne Überforderung und nervigem Mikromanagement.

Fazit

Xenoblade Chronicles 3D ist keinesfalls eine perfekte Umsetzung des Originals, dafür sind die Abstriche in der Erfahrung der Welt dann doch etwas zu groß, auch kleinere Versäumnisse im Design (die Karte ist im Menü versteckt, nicht auf dem unteren Bildschirm) sorgen für unnötigen Mehraufwand. Dennoch bleibt das Rollenspiel in seiner Größe einzigartig und lässt uns eine Welt erkunden, die origineller und einnehmender ist, als es die direkte Konkurrenz in den letzten Jahren hat erreichen können. Das solide Kampfsystem und die einfache, aber gut aufbereitete Geschichte sorgen für die notwendige Basis, die uns diese intuitive Epik erleben lässt.

Die Portierung ist nicht wirklich ein Kaufargument für den New Nintendo 3DS, denn obwohl die Grafik opulent daher kommt, ist die weitläufige Welt des Spiels nicht für den kleinen Bildschirm geeignet. Wirklich schaden können diese Abstriche dem Spielgefühl aber nicht. Falls ihr nicht nach überteuerten Wii-Versionen von Xenoblade Chronicles auf eBay suchen wollt und sich der neue Handheld ohnehin schon auf eurer Wunschliste befindet, ist Xenoblade Chronicles 3D ein guter Startpunkt.

Xenoblade Chronicles 3D wurde uns in Form eines Review-Exemplars von Nintendo zur Verfügung gestellt.

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