Egozentriker und Narzissten beschäftigen sich in erster Linie mit ihrem eigenen Wohl und können sich schwerlich auf die Bedürfnisse und Gefühle ihrer Mitmenschen einlassen. Wie sieht eine Beziehung aus, wenn egoistische Misanthropen, die sich eigentlich niemals verlieben wollen, aufeinandertreffen? Für den unbeteiligten Zuschauer ist das ambitionierte Unterfangen in der Dramödie You're the Worst ziemlich unterhaltsam und witzig mit anzusehen. Die Idee, die Liebe und Partnerschaft von zwei Menschen zum Thema einer Serie zu erklären, ist wahrlich nicht neu. Doch aktuell wagen es ein paar wenige Serien, die klassische Boy Meets Girl-Geschichte aus ihrem angestaubten Gewand gängiger RomCom-Klischees zu befreien und einen ungeschönteren Blick auf die komplizierten Beziehungen unserer Tage zu werfen. Jüngst veröffentlichte Netflix Judd Apatows Beziehungskomödie Love, in der zwei grundverschiedene Charaktere wider jeglicher Genre-Klischees irgendwie zueinander finden und sich trotz aller Probleme auf das Projekt Partnerschaft einlassen. Vielleicht. Der US-Kabelsender FX (beziehungsweise der Schwestersender FXX) beweist neben You're the Worst mit Serien wie Man Seeking Woman und Married den Mut, schonungslos die Schattenseiten vom Suchen, Finden und Halten der Liebe aufzuzeigen.
Mein erklärter Liebling bleibt aber You're the Worst. Obwohl sie die denkbar schlimmsten Eigenschaften des Menschen nach außen kehren, bilden Gretchen (Aya Cash) und Jimmy (Chris Geere) das liebenswerteste Paar auf dem TV-Bildschirm. Clevere Dialoge und ein bissiger Humor machen jede Episode der bisher zwei Staffeln zu einem Vergnügen. Es gehört zu den Stärken der Serie, dass sie trotz des Zynismus behutsam mit ihren Figuren umgeht und sie auch in ihren finsteren Momenten zu keiner Zeit bloßstellt. An dieser Stelle sei auch der bemerkenswert gute Soundtrack der Serie erwähnt, der mit Künstlern wie TV On The Radio, La Luz oder Sinkane die Stimmungen hervorragend untermalt.
Boy meets Girl
Gretchen (Aya Cash) und Jimmy (Chris Geere) lernen sich auf einer Hochzeit kennen. Ihre einzige Gemeinsamkeit scheint die Verachtung für diese Veranstaltung zu sein. Während er auf den Einwegkameras der Gäste heimlich sehr intime Spuren hinterlässt, klaut sie Geschenke, um diese bei Ebay zu verhökern. Aus der Begegnung resultiert eine gemeinsame Nacht, bei der die beiden feststellen, dass sie sich nicht einmal besonders anziehend finden, geschweige denn sympathisch. Da es sich den Regeln eines One-Night-Stands gemäß um eine einmalige Nummer handeln soll, erzählen sich die zwei ungehemmt von ihren schlimmsten Eigenschaften und Schandtaten. Und trotzdem sehen sie sich wieder, denn Gretchen vergisst zunächst ihre Handtasche in Jimmys Haus und liefert mit dem anschließenden Diebstahl seines Autos einen guten Grund für ein Wiedersehen. Man einigt sich, die gemeinsame Zeit fortzusetzen, denn sie wird sowieso enden. Wer sich dessen bewusst ist, vermeidet Schmerz und Enttäuschung, so lautet die scheinbar simple These der Partner. Von nun an lieben, streiten, saufen, koksen und feiern Gretchen und Jimmy - natürlich ganz unverbindlich ohne jegliche Verpflichtungen oder Gefühle. Das klappt, wie jeder Mensch, der mal eine Beziehung geführt hat, weiß, natürlich nicht so wie gedacht.
"I'm not a Sidekick. I'm Beyonce, not Kelly Rowland"
Produzent und Drehbuchautor Stephen Falk steckt als kreativer Kopf hinter der Serie. Schon bei Orange Is the New Black bewies er Feingefühl in der Figurenzeichnung. Nicht nur mit Gretchen und Jimmy schuf er vielschichtige Persönlichkeiten, die gelungenen Nebenfiguren Lindsay (Kether Donohue), die beste Freundin Gretchens, und Oscar (Desmin Borges), der Mitbewohner Jimmys, bleiben keine blassen Sidekicks, sondern entwickeln sich zu vielschichtigen Charakteren, denen im Verlauf der Serie zunehmend Raum geboten wird. Lindsay ist schrecklich oberflächlich und naiv, legt diese wenig schmeichelhaften Eigenschaften aber mit einer herrlichen Portion Selbsterkenntnis und Ironie offen. Oscar ist ein gutmütiger Irakkriegsveteran, der seine posttraumatische Belastungsstörung und Drogensucht zunehmend als Probleme erkennt und zu verarbeiten versucht.
Schwarzer Humor und dunkle Zwischentöne
Obwohl You're the Worst in erster Linie vom schonungslosen Humor profitiert, werden auch ernstere Töne angeschlagen. Im Verlauf der zweiten Staffel erlangt die Serie ungeahnte Tiefe, als sich herausstellt, dass Gretchen hinter ihrem selbstzerstörerischen Verhalten eine klinische Depression verborgen hielt, die nun mit aller Kraft an die Oberfläche dringt und ihre Beziehung zu Jimmy zunehmend belastet. Bisher schafft die Serie den Spagat zwischen Komödie und Drama, ohne ins Wackeln zu geraten. Es bleibt abzuwarten, wie die dritte Staffel, die in diesem Jahr auf Sendung gehen wird, die (Liebes-)Geschichte weitererzählen wird. Ich freue mich darauf und wünsche den ewigen Egoisten Gretchen und Jimmy nur das Beste.
Schaut ihr euch Beziehungsserien wie You're the Worst an oder siegt eurer Bedürfnis nach einem Happy End?