Doom im Test — Im Zwiegespräch mit Monstern

15.05.2016 - 23:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Doom
Bethesda
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1993 erschien Doom: Revolutionär, experimentell und atemlos schossen wir uns damals quer durch die Hölle. 23 Jahre später halten wir das nunmehr vierte Doom in den Händen und staunen, wie kurz die Zeitreise ausfällt, auf die uns der Shooter mitnimmt.

Wenn man doch nur mit diesen Kreaturen sprechen könnte, dann dürften wir vielleicht versuchen, uns mit ihnen anzufreunden, Bündnisse einzugehen… Das wäre mal wirklich interessant.

Mit diesen Worten beendet die Edge, ein englisches Magazin für und über Videospiele, vor rund 23 Jahren ihr Review zum ersten Doom. Seit damals ist die Floskel “if you could only talk to the monsters” vor allem im internationalen Sprachraum eine beliebte Redewendung geworden, um sich augenzwinkernd ein wenig über den Wunsch der Edge lustig zu machen.

Szenen wie diese werdet ihr im Minutentakt sehen.

Mit den Monstern reden, die uns Doom auch im Jahr 2016 in fast identischer, aber grafisch zeitgemäßer Form um die behelmten Ohren wirft? Nein, nein, nein. Doom geht stattdessen den Weg seiner Vorgänger, ja, seines Genres weiter und stellt uns den vielleicht durchdachtesten und sicher blutigsten Hindernis-Parkour der gesamten nun vierteiligen Reihe vor.

Die Hölle hört Metal

Doom hält sich nicht lange mit einem Versuch auf, tiefgreifende Geschichten zu erzählen: Als mythischer Supersoldat erwachen wir auf einer von Dämonen überrannten Marsbasis und schießen uns auf Anweisung eines Roboter-Aufsehers mehrfach durch die Hölle und verschiedene Mars-Anlagen. Das Ziel: Auf alles feuern, bis der Abspann über den Bildschirm rollt. Statt also mit einem langen Intro oder bedeutungsschwangeren Monolog zu beginnen, dauert es keine 20 Sekunden, bis wir nach dem Wegklicken des Hauptmenüs die erste Waffe in den Händen halten und mit ihr auf dämonische Gesichter zielen dürfen.

Der Soundtrack gehört zu den Höhepunkten des Spiels.

Das fehlende Interesse an einer ausgefuchsten Rahmenhandlung will Doom allerdings — heute wie vor über 20 Jahren — mit einer extrem schnellen, durchdachten und fordernden Spielmechanik wettmachen. Statt von Deckung zu Deckung zu pirschen, hämmern wir angesichts eines zahlenmäßig fast immer überlegenen Feindes die Sprungtaste im Sekundentakt. Gleichzeitig rufen wir minütlich das Waffeninventar auf, um in der nun kurzzeitig verlangsamten Spielgeschwindigkeit je nach taktischen Anforderungen zum passenden Schießeisen zu wechseln.

Jede Waffe verfügt dabei über zwei Upgrade-Möglichkeiten, die ihrerseits noch einmal Zugang zu Spezialboni bieten. Auch der Kampfanzug kann ganz nach dem eigenen Spielgeschmack aufgewertet werden und Runen mit passiven Boni gibt es auch noch! Ja, Doom hat verstanden, dass der moderne Ego-Shooter ohne Freischaltungen und sich langsam füllende Fortschrittsbalken nur noch halb so viel Spaß macht. Und um noch mehr Belohnungssysteme zu schaffen, die von der sich allmählich einstellenden Baller-Monotonie ablenken sollen, hat sich Bethesda den Soundtrack des Originals gründlich vorgeknöpft.

Während ihr die Mars-Basis und Hölle nach dem richtigen Weg absucht, hört ihr nur ein unterschwelliges Hintergrundrauschen, doch sobald ihr einen der unzähligen Räume betretet, die mit Gegner gefüllt sind, dreht Doom den Soundtrack so richtig auf.

Fans werden die meisten Monster sehr bekannt vorkommen.

Eine martialisch klingende Mischung aus Metal und Electro begleitet jede einzelne eurer Bewegungen und treibt euch zu riskanteren Manövern an, als eurer Spielfigur vielleicht gut tun. Sobald die gegnerische Silhouette zu leuchten beginnt, dürft ihr zur Hinrichtung (“Glory Kill”) ansetzen und löst damit eine von angeblich hunderten tödlichen Animationen aus. Dabei legten die Entwickler hier besonders viel Kreativität an den Tag: Unterkiefer werden herausgezogen, Beine zu Prügeln umfunktioniert und Nacken in alle Richtungen verdreht. Schnell wird die Suche nach der einen Animation, die wir noch nicht kennen, zur so wichtigen Motivation, um die Kämpfe nicht langweilig werden zu lassen.

Fallen die Gegnermassen einmal weg und haben wir es mit nur einem Bossgegner zu tun, treten Design-Schwächen allerdings umso schneller hervor: Die drei Kreaturen, die uns im Spielverlauf zu einem Kampf in einer abgeschlossenen Arena zwingen, sind nicht nur völlig unverhältnismäßig stark, sondern konfrontieren uns auch mit Fähigkeiten, die wir so im Spiel zuvor noch nicht gesehen haben. Statt also Gelerntes anwenden zu können, geraten diese Duelle zu einem Try&Error-Exzess, der Spielspaß und Nerven enorm belastet. Doom macht dann am meisten Laune, wenn ihr den Boden vor Feinden nicht mehr erkennt.

Fazit: “Klassisch” ist auch nur ein anderes Wort für “konservativ”

Es ist durchaus verlockend, diese sinnfreie aber unterhaltsame Abschusszone als “klassisch” zu bezeichnen. “Klassisch”, das hat etwas bewährtes, erprobtes, positives. Und berechtigt ist diese Deutung zweifellos: Doom weiß genau, was es sein will und erreicht dieses Ziel mit Bravour. Bethesdas Spiel ist ein schneller, fordernder, blutiger, befriedender Shooter — aber das war Doom auch schon vor 23 Jahren.

Auch der Abspann kann nicht ohne abgetrennte Körperhälften.

Und damit schaue ich dem Abspann mit gemischten Gefühlen dabei zu, wie er noch einmal die größten Arenen zeigt, in denen ich die vergangenen 12 Spielstunden verbracht habe. Doom legt ein eindrucksvolles Zeugnis darüber ab, wie leicht es uns fällt, Gefallen an den einfachsten Spielmechanismen zu finden. Fortschrittsbalken und ein dynamischer Soundtrack helfen uns heute Begeisterung für etwas zu empfinden, das vor 23 Jahren noch revolutionär und neuartig war.

In diesem Sinne ist Doom ungemein konservativ, ein in Blut getunktes Symbol für die Videospielkultur, die nach über zwei Jahrzenten noch immer darüber lacht, wenn jemand fragt, wieso wir nicht mit den Monstern sprechen dürfen. Ja, es gibt die bunten Indies und mutigen Ausreißer in alle Richtungen — aber der große Kern, der Millionen kostet und wieder erwirtschaften soll, hat keinen Platz für Experimente und viele Spieler nicht einmal Verständnis für deren Existenz .

Diesem alles überschattenden, konservativen Spielezirkel mit AAA-Etikett geht es nicht um die Erfindung neuer Konzepte, sondern um das grafische Aufpolieren und Renovieren von Ideen, die sich von Anfang an bewährt haben. Die innovative Kraft, die zum ersten Doom geführt hat, hat es sich heute als Tradition gemütlich gemacht. All dies sind allerdings keine Fehler, die nun dem neusten Franchise-Kapitel anzurechnen sind. Doch wenn dieses Spiel uns mehr geben kann, als nur die Jagd nach dem nächsten Achievement, dann vielleicht eine letzte Frage: Was soll eigentlich so dumm an dem Gedanken sein, mit den Monstern endlich einmal sprechen zu können? Ich bin mir sicher, sie hätten uns viel zu erzählen — und wir ihnen erstaunlich wenig.

Dieses Review wurde mit der PS4-Version des Spiels erstellt, die uns der Publisher zur Verfügung gestellt hat.

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