Eine Woche ohne Pokémon GO: Mein Leben am Rande der Gesellschaft

15.07.2016 - 15:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Pikachu's Summer Vacation
Warner Bros Film GmbH
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Die Welt hat sich verändert. Jeder macht Jagd auf Pokémon und begibt sich gemeinsam mit Freunden nach Draußen um von Arena zu Arena zu ziehen. Pokémon GO ist überall, nur nicht auf meinem Smartphone und alles was mir bleibt, ist der traurige Blick aus dem Fenster.

Wie ein unvorhergesehenes Sommergewitter brach Pokémon GO über die Welt herein und erwischte mich völlig unvorbereitet. Nicht nur, weil kaum jemand mit einem so frühen Juli-Release gerechnet hat, sondern insbesondere dadurch, dass seitdem unsere Welt ein anderes Gesicht trägt. Von jetzt auf gleich füllten sich die Straßen mit Pokétrainern, die als Teil eines Teams auf der ganzen Welt Ausschau nach den kleinen, bunten Taschenmonster halten. Das alles habe ich nicht kommen sehen. Das alles könnte großartig sein. Ist es wahrscheinlich auch. Wenn ich nicht nur teilnahmslos neben dran stehen würde.

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Wer sich mit dem Spiel ein wenig beschäftigt hat, dem wird bekannt sein, dass Pokémon GO einen gewissen Hardwarehunger an den Tag legt. Selbst neuere Smartphones haben teilweise mit Abstürzen zu kämpfen. Mich traf es dann auch noch besonders hart, denn erst sträubte sich mein iOS-Betriebssystem vehement gegen eine Installation noch vor dem offiziellen Release in Deutschland – und dann stellte ich zu allem Übel auch noch fest, dass mein iPhone 4S nicht einmal technisch in der Lage war, das Spiel sauber abzuspielen.

Während alle meine Freunde und Kollegen nun also bei schönstem Wetter draußen umherspazierten, saß ich allein daheim und sah verdrossen aus dem Fenster. All das war das Ergebnis einer katastrophalen Fehleinschätzung. Ich ging einfach nie davon aus, jemals ein Handy zu benötigen, auf dem so große Spiele laufen müssen. Mobile stand nie auf meiner Prioritätenliste, gleiches gilt für Pokemon GO. "Wie gut kann das schon werden", so dachte ich einst.

Die schieren Ausmaße, die das Spiel inzwischen angenommen hat, trafen mich mit unnachgiebiger Härte, obwohl ich es nicht einmal starten konnte. Plötzlich steht die Zeit für mich still, während alles um mich herum einen neuen Höhepunkt gemeinsamen Spielens durchlebt. Als würde mich der Fortschritt wie einen unliebsamen Verwandten meiden. Es kommt mir vor, als sei ich durch ein Wurmloch gefallen, und befinde mich jetzt in einer Welt, in der alle um mich herum auf einer ganz anderen Wahrnehmungsebene kommunizieren. Eine Ebene, zu der ich keinen Zugang habe. Dazu gesellt sich die schmerzhafte Gewissheit, was diese App für mich persönlich bedeutet. Was hätte mein 10-jähriges Ich dafür gegeben, nur um die Hoffnung auf ein solches Spiel hegen zu dürfen. Eine Hoffnung, die ich dem Kleinen wahrscheinlich ewig schuldig sein werde.

Die Welt ist verdammt in Eile geraten.

Da hilft es auch nicht, trotzdem als Teil einer Gruppe loszuziehen, denn wer Pokémon GO nicht spielt, kann nicht teil dieser Bewegung sein. Als Fremdkörper schwebe ich zwischen den Wortfetzen umher, die von allen Seiten auf mich einhageln und mir den Kopf verdrehen. Rotes Team, Blaues Team. Arenen, PokéStops, irgendein Sternenstaub. Das alles klingt vertraut, und trotzdem fehlt mir der Bezug. Ohne was zu tun, wurde ich an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Niemals zuvor fühlte ich mich von einem solchen Trend derart ausgeschlossen. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass er nicht nur in der Branche um sich greift, sondern auch auf Menschen überschwappt, die mit Videospielen wenig zu tun haben.

Eine Woche lang musste ich unter diesen Umständen leben. Musste ich mich mit meiner neuen Rolle als Sonderling abfinden. Inzwischen habe ich es immerhin geschafft, das Spiel auf meinem Handy zum laufen zu bringen . Den Rückstand allerdings, werde ich aufgrund der großen Performance Probleme niemals einholen können. Dafür ist es inzwischen zu spät, und allein der Versuch bringt mir jetzt hauptsächlich das müde Lächeln einiger Kollegen ein, die sich über meine späten ersten Schritte nur noch amüsieren können.

Mir bleibt bloß die Hoffnung, dass die Welt bald wieder zur Ruhe kommt und ich nicht länger durch technische Limitierungen aus der Gesellschaft falle. Das einzig Gute daran ist und bleibt, dass ich nicht Gefahr laufe, beim Spielen gegen eine Laterne zu rennen. Immerhin das.

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