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Fantasia - Disneys ganz besonderer Zauber

01.03.2016 - 06:59 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Micky trifft Leopold Stokowski
Disney
Micky trifft Leopold Stokowski
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Die klassische Filmmusik entsteht so: Musik wird zu Bildern komponiert. Zuerst entsteht der Film und dann erst wird ein Komponist (sei es Hans Zimmer, John Williams oder Howard Shore) dazu berufen, diese Bilder mit Musik zu untermalen. Aber was, wenn man dieses Prozedere umdreht? Dass die Bilder plötzlich zu der schon vorhandenen Musik komponiert werden?

Music has always played a very important part since sound came into the cartoon. Now, the full expression that comes from the new Fantasound opens up a whole new world for us.

Walt Disney über Fantasia (Quelle )

Fantasia gilt als Herzensprojekt von Walt Disney. In diesem Werk verband der Visionär Musik mit Bildern in einer Art, wie es sie noch nicht gegeben hatte. Dass Disney ein Musikliebhaber war, darauf muss nicht näher eingegangen werden.
Nicht ohne Grund gilt die Musik zu Schneewittchen und die sieben Zwerge als erster offizieller Soundtrack überhaupt. Er war der erste, den es frei zu kaufen gab.
Auch sonst sind Disney Filme von ihrer Musik geprägt. Nicht ohne Grund erhielten die Disney Studios seit 1940, beginnend mit Pinocchio insgesamt 22 Oscars  (!) in der Kathegorie Beste Filmmusik und Bester Filmsong. Allein acht davon erhielt Alan Menken, das Genie hinter Klassikern wie Die Schöne und das Biest und Aladdin.

Doch kommen wir zurück zu Fantasia.
Man kann Fantasia als eine Vision Disneys bezeichnen. Durch diesen Film versuchte er, den Kinosaal in einen Konzertsaal zu verwandeln, um den Menschen die klassische Musik, für die er so schwärmte, näher zu bringen. So wählte Disney für Fantasia Kompositionen von einigen der bekanntesten und einflussreichsten Komponisten der Musikgeschichte und ließ sie von seinen Animationskünstlern mit Geschichten untermalen. Somit wird der Zuschauer Zeuge von den bildlichen Vorstellungen, die die Musik in den Künstlern Walt Disneys auslöste.
Über eine Länge von 124 Minuten werden dem Zuhörer und Zuschauer acht große Stücke der Musikgeschichte nähergebracht.

Doch wie genau sollte das von statten gehen?

Walt Disney verpflichtete keinen geringeren als den großen Dirigenten Leopold Stokowski , um das Philadelphia Orchestra  zu leiten. Zwischen den acht gespielten Stücken sieht man das Orchester und den Dirigenten, sodass dem Zuschauer nochmals vor Augen geführt wird, woher die Musik stammt.
Zudem wird der Moderator Deems Taylor gezeigt, der das Publikum durch die verschiedenen Stücke geleitet:

Johann Sebastian Bach  Toccata und Fuge

Original für die Orgel komponiert, wird es hier von dem Orchester gespielt. Bemerkenswert an diesem Film ist, dass nicht sofort die Zeichnungen der Künstler eingeblendet werden, sondern zuvor noch das Orchester und der Dirigent im Mittelpunkt stehen. Zu einem deutschen Komponisten gehört ein deutscher Zeichner, scheint sich Disney gedacht zu haben. Denn der deutsche Filmemacher und Pionier der abstrakten Kunst, Oskar Fischinger , arbeitete eine Zeit lang persönlich an diesem Abschnitt. Die Musik wird also von abstrakter Kunst untermalt. Dies war das erste Mal für einen Disney Film, dass abstrakte Kunst verwendet wurde.

Schon beim Orchester kommen die abstrakten Zeichnungen zu Geltung


Pjotr Iljitsch Tschaikowski : Stücke aus der Nussknacker-Suite

Hier wird nicht die gesamte Nussknacker Suite gespielt; Kürzungen wurden vorgenommen und auch die Reihenfolge der Stücke entspricht nicht ihrer originalen Anordnung. Wird Der Nussknacker heute vor allem als Winterstück angesehen, durchläuft das Publikum hier zusammen mit den Zeichnern die vier Jahreszeiten. Und wer kann einen besser durch diese führen als, Pflanzen, Pilze, Tiere und Feen?
Zusammen verzaubern die Klänge und die tanzenden Protagonisten jeden, der ihnen zusieht.

Tanzende Blüten


Paul Dukas  Der Zauberlehrling

Das wohl angesehenste Stück des Film ist diese Frequenz. Kein geringerer als Micky Maus  spielt die Hauptrolle in diesem kleinen Meisterwerk. Und er hat nie besser ausgesehen.
Es ist wundervoll mit anzusehen, mit was für einer Liebe die Zeichner die weltbekannte Komposition zum Leben erwecken. Wer kennt sie nicht, die kleine Maus mit der roten Robe, dem blauen Zaubererhut und dem Zauberstab? Diese Figur ist noch heute wohl immer noch die bekannteste des gesamten Films. Nach so einer gelungenen Vorstellung überrascht es niemanden, dass Micky zu Stokowski läuft, um ihm dafür die Hand zu schütteln.


Igor Strawinski  Le Sacre du Printemps

Auch hier wurden Kürzungen vorgenommen, dieses Mal sind es ganze 10 Minuten. Dieses Musikstück ist eine Ballettmusik, eine der bekanntesten Kompositionen Strawinskis. Das Ballett gehört zu den Ausdruckstänzen, mit welchem große Geschichten erzählt werden können. Und welche Geschichte ist größer als die Entstehung der Welt?
Zu den Klängen werden Bilder aus der frühen Geschichte unseres Planeten gezeigt: Die Entstehung der Kontinente, die ersten Einzeller bis hin zum Untergang der Dinosaurier. Biologieunterricht und Evolutionsgeschichte mal anders.

Die Erde als brodelnde Lavastätte


Wie es sich für ein Konzert gehört, gibt es auch in Fantasia eine Pause. Diese Intermission - wie sie in der Filmwelt heißt - dient bei Konzerten dazu, sich mit anderen Besuchern über das bisher Gehörte auszutauschen.
Nach der Pause wird der Star des Abends dem Publikum vorgestellt:
Der Ton.
Hiermit macht Disney nochmals deutlich, wer im Mittelpunkt des Films steht:
Nicht Mickey oder die anderen Figuren der Filme, sondern das Orchester, der Dirigent und über allem die Musik
.


Ludwig van Beethoven  6. Sinfonie

Kein Konzert ohne Ludwig van Beethoven. Dem Pionier, welcher als Wegweiser für die Romantik in der Musik gilt, wird ein Fest mit Göttern und Wesen der antiken griechischen Mythologie gewidmet. Auch wenn das Werk um mehr als die Hälfte verkürzt wurde, ist es doch lange genug, um ein Fest zu Ehren des Weingottes Bacchus vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang zu zeigen. Die Hauptakteure der Erzählung sind Zentauren und Zentaurinnen, eine Pegasusfamilie, Faune sowie Götter des Olymp. Und auch Zeus hat eine tragende Rolle: Er unterbricht das Fest und leitet so den Abschluss der Sinfonie ein.

Was für eine süße Pegasusfamilie


Amilcare Ponchielli  Der Tanz der Stunden

Ponchiellis Ballett hat in mehreren Hinsichten eine besondere Rolle in Fantasia. So ist es zum einen das einzig ungekürzte Stück des Films, zum anderen ist es mit Der Zauberlehrling mein persönlicher Favorit. Denn die Protagonisten dieses Kurzfilms sind Nilpferde, Alligatoren, Strauße und Elefanten.
Sie tanzen die fesselnde und dramatische Geschichte von einer entführten Prinzessin und ungestümen Piraten.

Ein wunderschönes Paar


Modest Mussorgski  Eine Nacht auf dem kahlen Berge

Dieses und die letzte Sequenz sind die düstersten Kurzfilme, die die Zeichner Disneys für den Film entwickelt haben.
Die Musik von Mussorgski, welche auch in einer seiner Opern Gebrauch findet, untermalt eine mit der Walpurgisnacht vergleichbare Feier: Die vom Chernobog (einem dem Balrog  nicht unähnlich sehender Dämon) zum Leben erweckten Toten kommen auf dem „kahlen Berge“ zusammen, um ein Fest zu feiern. Erst vom Klang einer Kirchenglocke und der Dämmerung werden die Feiernden unterbrochen und vertrieben.

Ein bisschen wie der Balrog


Franz Schubert  Ave Maria

Das von dem österreichischen Komponisten geschriebene Stück Ave Maria ist das einzige, welches nicht nur instrumental ist. Gemeinsam spielt das Orchester mit einem Chor und der Sopranistin Julietta Novis das letzte Stück Fantasias:
Zusammen mit einer Gruppe aus verhüllten Gestalten, die Kerzen in ihren Händen halten begrüßt der Zuschauer den angebrochenen Tag.

Wohin sie wohl gehen?

Fantasias Geschichte ist in mehreren Hinsichten einzigartig:

Zu seiner Uraufführung wurden die Zuschauer gebeten, wie bei einem Konzert in Abendmode (also Frack und Abendkleid) zu kommen. Zudem erfand Walt Disney über 40 Jahre vor der Erfindung der Dolby-Surround-Technik  den sogenannten „Fantasound “, indem er den Kinosaal je nach seiner Größe mit mehr als 30 bis 80 zusätzlichen Lautsprechern ausstattete. Somit wurde das Publikum von einem Meer aus Klängen umgeben und konnte die Musik noch einmal ganz neu empfinden.
Über 2.28 Millionen US Dollar kostete Fantasia, wodurch es eine der teuersten Produktionen Disneys zu dieser Zeit war. Die letzte Sequenz Ave Maria wurde übrigens nur ein paar Stunden vor der Premiere fertig gestellt. Drei Mal musste sie neu gedreht werden, unter anderem wegen eines Erdbebens, das die Dreharbeiten unterbrach und das zuvor aufgenommene Material nutzlos machte.

Fantasia ist ein Film, auf welchen man sich einlassen muss. Er lässt einen die Musik neu empfinden und führt einem vor Augen, was Musik auslösen kann.
Außerdem macht er einem bewusst, wie wundervoll, vielseitig und bewegend die klassische Musik ist. Nicht ohne Grund wurde Fantasia bei der Oscarverleihung 1942  mit zwei Ehrenoscars ausgezeichnet. Einen erhielten Walt Disney, William E. Garity und J.N.A. Hawkins für einen "herausragenden Beitrag zur Nutzung des Tones im Film" und ein weiterer ging an Leopold Stokowski und seine Mitarbeiter für die "einzigartige Visualisierung von Musik, die der Betrachtungsweise des Films als Unterhaltung und als Kunstform diente".

Disney hat durch sein Werk den Komponisten der klassischen Musik ein Denkmal gesetzt, welches als solches erst im Jahr 1999 mit Fantasia 2000 nochmals aufgegriffen wurde. Auch in Fantasia 2000 werden Kurzfilme mit klassischer Musik von acht Komponisten unterlegt.
Der Zauberlehrling wird auch in diesem verwendet, aber auch Donald Duck  hat in Fantasia 2000 eine Hauptrolle. In dem tollen Kurzfilm zu Edward Elgars  – Pomp and Circumstance Marches – Märsche 1, 2, 3 und 4, spielt Donald den Gehilfen Noahs, der die Tiere auf die Arche bringen und versorgen muss.

Mit Fantasia und Fantasia 2000 verbeugt sich einer der größten Filmemacher vor einigen der größten Komponisten aller Zeiten.


Cartoonist Walt Disney has made the twentieth century's only important contribution to music. Disney has made use of music as language.

Jerome Kern (Quelle )

Mit diesem Artikel verabschiede ich mich erst einmal von der Blog Aktion. Da ich ab April meine Abitur Klausuren schreibe, werde ich mich in der nächsten Zeit sehr auf das Lernen und die Vorbereitungen konzentrieren.
Ich hoffe, dieser Artikel hat euch gefallen und ich freue mich schon darauf, mit dem Abi in der Tasche weitere Artikel schreiben zu können.

Hier die Links aller anderen Teilnehmer, schaut und hört rein.
Und jeder, der Lust hat, ist herzlich willkommen, bei Blog me if you can mitzumachen. Das Thema zum nächsten Monat lautet: Animalisch.

Grimalkin: https://www.moviepilot.de/n…/joe-und-takeshi-am-strand-167527

chita91: https://www.moviepilot.de/…/soundtracks-und-filme-oder-leg-d…

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Absurda.: https://www.moviepilot.de/…/was-ist-rock-n-roll-und-wie-viel… 

HannaLotta: https://www.moviepilot.de/…/and-in-this-moment-i-swear-we-ar…

(VINCENTVEGA): https://www.moviepilot.de/…/michel-legrand-eine-verkannte-le…

Amarawish: https://www.moviepilot.de/…/eine-musikalische-geschichte-167…

Friedsas: https://www.moviepilot.de/…/zwischen-gewalt-und-dem-groove-s…

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