Just Cause 3 — Gewalt-Problem oder gewaltig unterhaltsam?

07.12.2015 - 16:46 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Just Cause 3
Square Enix
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Just Cause 3 von Avalanche Studios ist auch in unserer Redaktion gelandet und hat für Meinungsverschiedenheiten gesorgt. Wir lassen euch an unserer Diskussion teilhaben: Hat Just Cause 3 ein Gewalt-Problem oder ist es einfach nur gewaltig unterhaltsam?

Nachdem ich die letzten Worte meines Reviews zu Just Cause 3 ins Dokument getippt hatte, forderte mich Hannes mit dem Fehde-Handschuh zum Streitgespräch heraus.

In Wahrheit war das alles ein wenig unspektakulärer, aber das Ergebnis ist das gleiche: Hannes kann einen wesentlichen Aspekt meines Reviews nicht nachvollziehen und so kam es zu einem kurzen Gespräch, das wir euch nicht vorenthalten wollen.

Ich empfehle euch, vor diesem Gespräch mein Review zu lesen,  um unseren wirren Gedanken gänzlich folgen zu können. Viel Spaß!

Hannes: Dom, du regst dich über die Gleichgültigkeit auf, mit der die Gewalt in Just Cause 3 dargestellt wird. Woran machst du das genau fest? Welches Form von Feedback hättest du dir denn gewünscht?

Dom: Mich stört in der Tat, dass ich zahllose Zivilisten konsequenzlos ermorden kann und dies noch dazu in der Mehrzahl der Reviews als "selbstironisch" bezeichnet wird und das ganze damit fast noch einen anerkennenden Beigeschmack bekommt. Wie ich in meinem Review schrieb: Für das Spiel ist es einfach nicht interessant, diese Möglichkeit zum versehentlichen oder willentlichen Amoklauf zu besprechen. Es wird ignoriert, inhaltlich und spielmechanisch. Jegliche Bedenken werden mit dem “Hirn aus!”-Schlagwort weggewischt. Dann frage ich mich: Wieso braucht es überhaupt die vielen Zivilisten in den Straßen der Städten? Das Spiel macht sich so wenige Gedanken um die Zusammenhänge und Logik der Geschichte, da hätte doch auch ein "Alle sind ängstlich in ihre Häuser geflohen" ausgereicht, oder nicht? Belebt wirkt die Welt durch die Regime-Truppen ja dennoch.

Hannes: Dass die Zivilisten unnötig sind, da stimme ich dir auf jeden Fall zu. Aber das gilt aber für große Teile von Just Cause. Die ganze Hintergrundgeschichte um den Diktator und die Widerstandsbewegung schadet dem Spiel mehr, als es letztlich hilft. Ich würde mir wünschen, sie hätten gänzlich auf ein Storygerüst verzichtet.

Die Gewalt aber mit einer Amoklauf-Rhetorik aufzuladen, finde ich nicht zielführend. Du schreibst in deinem Review, dass du die fehlende Auseinandersetzung damit als antiquarisch bezeichnest. Ich hingegen finde, dass es gerade dann erst rückständig wirkt, die Action von Just Cause 3 zu moralisieren, wo doch der überzeichnete Stil, die Komik und die vielen B Movie-Motive deutlich genug machen, was von der Gewalt zu halten ist.

Ein Panzer gehört zum Inventar von Just Cause 3 wie Regen in die Regentonne.

Dom: Das ist interessant: Ich halte die hirnrissige, belanglose Geschichte für enorm wichtig, damit dieses Spiel in der ersehnten “Hirn aus!”-Sparte landen kann. Direkt ohne eine Geschichte um die Ecke zu kommen, die einen namenlosen Helden auf eine Insel schickt, um Chaos anzurichten, wäre zwar nur konsequent, würde aber ironischerweise für verstimmte Reviews sorgen. Da bin ich mir sicher. Und das scheinen auch die Entwickler zu wissen und haben die klügsten Autoren zusammengesetzt, um möglichst belanglosen Kram zu schreiben, über den sich niemand aufregen kann und der nicht von den Spielmechaniken ablenkt.

“Amoklauf-Rhetorik” halte ich hier für etwas übertrieben, aber letztendlich fühlte es sich für mich genau danach an, als ich das Fehlen von Konsequenzen versehentlich bemerkte. Ich verstehe deine Argumentation sehr gut, schätze das Spiel in seinem fertigen Zustand aber wesentlich unreflektierter ein. Grundsätzlich schadet es meiner Meinung nach nie, die Gegebenheiten zu hinterfragen: Ob man dann zu dem Schluss kommt, dass das überzeichneter B-Movie-Stoff ist oder kalkulierte Gleichgültigkeit, ist ein neues Fass — aber soweit kommt es momentan im allgemein Gespräch rund um das Spiel nicht einmal.

Diese Tatsachen werden übergangen, ignoriert, vergessen. Es gleicht einer Art Betriebsblindheit, solche Beobachtungen als “getreu dem Franchise” abzustempeln, statt sie zu hinterfragen. Das hat mich unheimlich genervt, als ich angefangen habe, mich mit der Reihe erstmals auseinanderzusetzen. Das Thema “Gewalt in Videospielen” sorgt immer noch für Augenrollen und das ist nicht nur anstrengend, sondern auch alles anderes als erwachsen. Just Cause 3 bietet in meinen Augen einen tollen Startpunkt, um darüber zu sprechen, wie wir Gewalt be- und verurteilen.

Der Greifhaken macht die kreative Destruktion erst interessant.

Hannes: Naja, du sprichst halt von einer Kopfschuss-Simulation oder einer Amoklauf-Mod. Das ist eine harte Sprache, die die Diskussion dann stark moralisch auflädt. Der Grad der Albernheit und das vollkommene Fehlen jeder Menschlichkeit der Zivilisten drängt moralische Implikationen für mich aber an den Rand. Ich kann beim besten Willen keine Verbindung herstellen, die es mir erlaubt, diese Gewalt ernstzunehmen oder die fehlenden Konsequenzen irgendwie als relevanter zu empfinden als die Parkbesucher aus Rollercoaster Tycoon, die ich in Massen im Teich ersäuft habe.

Die Tatsache, dass die Gewalt in Just Cause 3 in den Rezensionen kaum problematisiert wurde, liegt für mich hauptsächlich an der Offensichtlichkeit der humoristischen Darstellung. Dem Spiel ist es nicht egal, sondern es wird sogar sehr viel Energie darauf verwendet, alles sehr überdreht darzustellen und nie den Gedanken aufkommen zu lassen, dass dies kein mechanischer Arcade-Traum ist, der näher am Goat Simulator als an Grand Theft Auto V ist.

Dom: Mir persönlich fällt die Verbindung zwischen RollerCoaster Tycoon und Just Cause recht schwer: Auf der einen Seite stehen Pixelstriche, die in blauer Fläche versinken, auf der anderen Seite schieße ich in zeitgemäßer Grafik um mich. Der Grad der Abstraktion ist hier jeweils ein ganz anderer.Ich denke, da muss letztendlich jeder Spieler für sich entscheiden, ob das nun stört oder ausgeblendet werden kann — das macht die Diskussion darüber allerdings nicht irrelevant. Durch meine persönlichen Erfahrungen, auch abseits des Videospielkrams, fällt es mir persönlich aber schwer, über sowas einfach hinwegzusehen — aus dieser Perspektive heraus bin ich für solche Themen sensibilisiert.

Ob hinter der Präsentation von Just Cause nun die bewusste Anlehnung an B-Movie-Material steckt oder doch alles aus kalkulierter Gleichgültigkeit heraus passiert ist, können wir hier wohl leider nicht klären. Eine Interview-Anfrage zu genau diesem Thema wurde vom Team leider abgelehnt. Auch hier finde ich es schade, dass das Team so wenig Transparenz zulässt und nicht über die Philosophie des Franchises spricht. Naja. Mein Füller ist gleich leer. Noch ein abschließendes Wort, Hannes?

Hannes: Ja, vermutlich dreht sich hier alles um Abstraktion. Mir allein reicht die stilistische Einordnung durch die überdrehte Gewalt aus, um kein Problem mit plattgefahrenen oder hinweggeschleuderten Passanten zu haben. Eine zusätzliche Reflektierung über die Gewalt würde nur die Relativierung eines Tabubruchs bringen, den ich nie so empfunden habe.

Danke für das Gespräch, Schokobär.

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