Just Cause 3 im Test & drei schlimme Wörter, die niemand aussprechen will

07.12.2015 - 16:47 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Just Cause 3
Square Enix
Just Cause 3
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Just Cause 3 ist der neueste Ableger des Boom-Päng-Knall-Franchises von Avalanche Studios und Square Enix, das dafür bekannt ist, mit kinoreifer Action und papierdünner Handlung um sich zu werfen. Auch ich habe nun versucht, mich in dieser seltsamen Welt zurechtzufinden.

Es ist schwierig, ein Review über ein Spiel zu schreiben, dessen bloßer Titel bereits alles zu implizieren scheint, was gesagt werden muss: Just Cause 3 steht für eine flache Handlung und uninteressante Charaktere, aber auch spektakuläre Explosionen und viel, viel Action. Das habe selbst ich begriffen, der die Serie rund um die spielbare Actionfigur Rico Rodriguez bisher immer ignoriert hat — und genau dieses belanglose, aber unübersehbare Spektakel habe ich auch von diesem Spiel bekommen.

Die Quintessenz von Just Cause.

Doch tatsächlich steckt in Just Cause 3 noch mehr, als sich mit einem einfachen "Hirn aus, Spaß an!"-Spruch zusammenfassen lässt. Es sind drei Wörter, drei Kategorien, die von den klassischen "Ich habe Teil 1 und 2 gespielt"-Reviews vieler Redaktionen ignoriert oder als "serientypisch" großzügig übersehen werden. Es sind drei schlimme Wörter, die niemand aussprechen will und die bei der Präsentation des Spiels gerne unter den Tisch fallen — und genau um diese soll sich mein Review von Just Cause 3 drehen.

Gewalt

Just Cause 3 bedeutet Action — darüber sind sich alle einig. Niemand spielt ein Just Cause-Spiel, um eine spannende Geschichte zu erleben, sondern um großflächig Zerstörung über das Land zu bringen, in dem eigentlich Bürgerkrieg herrscht. Und während ich Fabrikanlage nach Fabrikanlage auseinander nehme, beschleicht mich das allmähliche Gefühl, dass ich der Bevölkerung viel mehr schade, als der böse Diktator, den wir eigentlich absetzen sollen. Andererseits, wie sagte doch mein seelenloser Sidekick Mario: "Mach dir keine Gedanken, wenn du fertig bist, bauen wir einfach wieder alles auf!" Es ist eine Legitimierung meiner Zerstörungswut, mit der ich mich noch irgendwie anfreunden kann.

Eine weitere Anlage wartet auf ihre Zerstörung.

Doch eines wird über den Lärm der Explosionen viel zu oft vergessen und großzügig übersehen — auch vom Spiel selbst: Just Cause 3 hat ein Gewaltproblem. Theoretisch könnte ich stundenlang ausschließlich Zivilisten aufs Korn nehmen, die kopflos davonrennen, keine Gegenwehr leisten und auch keine Polizei an ihrer Seite wissen, die sie beschützen würden. Meinem Amoklauf entgegen stellen sich nur die Truppen des Regimes, die ich ja ohnehin ausschalten soll und für deren Ableben ich Bonuspunkte kassiere, während tote Zivilisten nur mit einem "Wooops!" und "Soooorry!" des Protagonisten kommentiert werden. Eigentlich bin ich der "Gute", der "Befreier" — ändere ich allerdings die Richtung meines Gewehrlaufs, nimmt das Spiel diese Entscheidung konsequenzlos hin.

Gleichgültigkeit

Diese völlige Gleichgültigkeit des Spiels und der Entwickler wird gerne mit Selbstironie verwechselt — aber dafür müsste Just Cause 3 laut Definition erst einmal ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie falsch meine Taten theoretisch sind. Das einzige, annähernd negative Feedback allerdings, dass ich für die Hinrichtungen im Gegenzug erhalte, ist das Ausbleiben von Pluspunkten. Die Gründe, warum dieses Problem im Jahr 2015 nicht von der Presse aufgegriffen und diskutiert wird, wirken antiquarisch und unreflektiert.

Momente, die am meisten Spaß machen: Der tollkühne Stunt klappt!

Die Entwickler lenken uns auch mit dem neusten Teil des Franchises in Richtungen, die bereits mit Just Cause vorgegeben wurden: Das Spiel soll "kompromissloser Spaß" sein, nicht "moralisch verwerflich". Jegliche Reibungsfläche wird durch die Wahl des Schauplatzes und der Geschichte entfernt. Just Cause 3 findet auf einer nahezu anonymen, gesichtslosen tropischen Insel statt und der gespielte Amoklauf, wie ich ihn oben als realistische Option zum Missionsmarker beschrieb, wird lediglich durch eine 08/15-"Stürze den Diktator"-Geschichte von der Sinnlosigkeit eines Kopfschuss-Simulators getrennt wird. Wir stehen den Taten von Rico gleichgültig bis belustigt gegenüber.

Und das ist Kalkül: Die hohle Geschichte und Eindimensionalität der Charaktere, die uns das gesamte Spiel nicht ernst nehmen lässt, entstand nicht aus einem Unvermögen der Entwickler heraus. Teil des sehr fähigen Autorenteams ist beispielsweise Greg Orlando, der letztes Jahr Quests und Charaktere für das Action-Rollenspiel Mittelerde: Mordors Schatten entwarf — und nun Dialoge für Chaos-Hohlnuss Rico Rodriguez schrieb. Würde sich Just Cause 3 allerdings um eine komplexe, verworrene Geschichte mit emotionalen Momenten bemühen, so müsste es sich mit einem gänzlich anderen Maß messen lassen — so aber ist uns der Massenmord am virtuellen Zivilisten egal.

Einfallslosigkeit

Für ein Spiel, dessen Daseinsberechtigung sich um die Zerstörung von Infrastruktur dreht, sind die möglichen Wege bis zum völligen Abriss erstaunlich kreativ. Mit ein wenig Trickserei in der Welt der Physik dürft ihr mit eurem Greifhaken Gegenstände auf andere Gegenstände knallen lassen, jeden Quadratzentimeter der Welt mit C4 liebkosen und komplizierte Kettenreaktionen in Gang setzen.

Keine grenzenlose Zerstörung: Die Welt muss erst freigespielt werden.

Die Kreativität der Anarchie beißt sich allerdings mit der übrigen Ausgestaltung der Spielwelt: GPS-Pfeile führen zu den Missionen, "Kehre um!"-Warnhinweisen beim Überschreiten unsichtbarer Barrieren und die offene Spielwelt wird auch erst so richtig offen, wenn wir die richtigen Herausforderungen bestanden haben. Ganz abgesehen von den technischen Problemen, die das Anarchie-Spektakel immer wieder zur Dia-Show machen, zwingen mich die Entwickler zwei Spuren zu aufdringlich, diesen und jenen Stunt auszuprobieren, bevor sie mir mehr Fläche zum Austoben schenken. Diese Einfallslosigkeit der Weltgestaltung jenseits der roten Fässer ist erstaunlich, das enge Korsett des Regelwerks nervenaufreibend. Das hat so viel mit Anarchie zu tun wie IKEA-Möbel mit individueller Raumgestaltung — und in meinen Augen scheitert Just Cause 3 damit sogar in der einzigen Disziplin, in der das Spiel wirklich von ganzen Herzen zum Wettkampf angetreten ist.

Fazit

Ihr könnt es euch sicherlich denken — mir hat Just Cause 3 nicht sonderlich gut gefallen. Es definiert sich alleine über die Möglichkeit, ziemlich viele Dinge explodieren lassen zu können, schränkt sich aber gleichzeitig unnötigerweise mit versperrten Arealen und unsichtbaren Barrieren ein. Hinzu kommt die Belanglosigkeit der Charaktere und der Geschichte, die als papierdünne Trennwand Just Cause 3 von einer selbstgebastelten Anarchie-und Amoklauf-Mod unterscheidet.

Doch fast noch unglücklicher bin ich über die Rezeption des Spiels und wie die offensichtliche Gleichgültigkeit des Spiels als "Hirn aus!"-Unterhaltung gerechtfertigt und gelobt wird. Just Cause 3 gut zu finden, ist alles andere als schlecht — jeder Spielgeschmack ist anders gestrickt. Die Gleichgültigkeit des Spiels mit Selbstironie zu verwechseln ist allerdings fahrlässig und die Möglichkeit, stundenlang und konsequenzlos auf Zivilisten Jagd zu machen, sollte nicht unerwähnt bleiben, nur weil es schon immer so war. Wer mit Rico Rodriguez loszieht, um das gesichtslose Inselparadies in Schutt und Asche zu legen, soll dies gerne tun — mir allerdings bereit die Tatsache großes Unbehagen, dass die Gleichgültigkeit des Spiels kaum mit der Gleichgültigkeit der Presse mitzuhalten vermag.

Just Cause 3 ist ein Spielplatz zum Austoben und das ist völlig okay so. Aber auch dieser Spielplatz hat einige üble Ecken, die nicht verschwiegen werden sollten, nur um die Kinder nicht zu verschrecken.

Dieses Review wurde mit Hilfe einer vom Publisher zur Verfügung gestellte PS4-Version erstellt.

Im Anschluss an dieses Review haben Hannes und ich ein kleines Gespräch über die Gewalt in Just Cause 3 geführt. Unsere Gedanken könnt ihr hier nachlesen! 

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