Sex wird im Slasherfilm alptraumhaft verzerrt

22.10.2018 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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In Slasherfilmen führt Sex meistens zum Tod. Anlässlich dieser festen Regel wollen wir anhand von zwei Horrorfilmen einen Blick darauf werfen, wie das Subgenre seit seiner Entstehung mit dem jugendlichen Sexualtrieb verfährt.

Als populäres Subgenre des Horrorfilms, dessen Ursprung ungefähr auf Alfred Hitchcocks Psycho zurückverfolgt werden kann, unterliegt der Slasherfilm einem festen Regelwerk. Zu diesem zählen einzelne Elemente, die sich typischerweise in jedem Slasher wiederfinden. Ein meist unbekannter Killer gehört beispielsweise ebenso zu diesen Regeln wie die Opfer, die häufig als Gruppe auftreten und einer nach dem anderen ermordet werden. Eine Konstante in Slashern ist zudem das Überleben einer einzelnen Figur, die häufig weiblich ist und als sogenanntes Final Girl bezeichnet wird. Das Final Girl nimmt es in einem abschließenden Showdown mit dem Killer auf und schafft es schließlich, diesen zu besiegen. Neben einem festen Regelwerk sind Slasherfilme genauso wie viele Werke des Horror-Genres auch ein Spiegel der Gesellschaft sowie Abbild der Zeit, der sie entstammen.

Im Slasherfilm führt Sex automatisch zum Tod

Eine Facette, die sich im Slasher regelmäßig wiederfindet, ist Sex. Über unzählige Filme des Subgenres hinweg hat sich in diesem Zusammenhang die zuverlässige Formel herauskristallisiert, dass Sex automatisch zum Tod führt. Spätestens im unangefochtenen König der ironischen Slasher-Dekonstruktion Scream - Schrei! wurde dieses Gesetz zusammen mit anderen Regeln des Horrorfilms noch einmal humorvoll aufgeführt. In Hinblick auf das Horror-Kino der jüngeren Vergangenheit ist es allerdings durchaus zu Brüchen innerhalb dieser Formel gekommen, die sich mit dem Wandel der Gesellschaft sowie dem Generationenwechsel zusammenbringen lassen. Anhand der beiden Slasherfilme Halloween - Die Nacht des Grauens von 1978 und It Follows von 2014 werfen wir im Rahmen unserer Horror-Monats Angst, Schrecken und Panik nachfolgend einen Blick darauf, wie der Slasher den jugendlichen Sexualtrieb auf differenzierte Weise alptraumhaft verzerrt.

Anchor Bay

Sex und Tod in Halloween als Spiegel konservativer Wertevorstellungen

Mit Halloween - Die Nacht des Grauens schuf Regisseur John Carpenter einen der wegweisendsten Vertreter des Slasherfilms. Auch wenn dieser bereits zuvor existierte, war es erst Carpenter, der mit seinem Horrorfilm gewissermaßen die Blaupause des Subgenres schuf und unzählige Nachahmer inspirierte. Mit einer Gruppe von jungen Protagonisten, die einem maskierten Killer nacheinander zum Opfer fallen, bis am Ende nur noch das Final Girl Laurie Strode übrig ist, enthält Halloween - Die Nacht des Grauens all die Elemente, über die der Slasherfilm maßgeblich definiert wird. Gleichzeitig kreierte Carpenter mit Michael Myers eine der bedeutendsten Ikonen der Horrorfilm-Geschichte. Daneben bietet sich Halloween - Die Nacht des Grauens ideal dafür an, um einen Blick auf das Verhältnis zwischen Sex und Tod zu werfen, welches speziell der Slasherfilm zum damaligen Zeitpunkt so einheitlich vermittelte.

Schon in der legendären Eröffnungsszene des Films, die aus Sicht des kleinen Michael Myers inszeniert ist, hat dessen ältere Schwester Judy Sex mit ihrem Freund. Kurz darauf wird sie von ihrem eigenen Bruder brutal erstochen. 15 Jahre später, als die eigentliche Handlung beginnt und Laurie Strode ins Visier von Michael Myers gerät, haben ihre Freunde Lynda, Annie und Bob entweder Sex oder sprechen offen über ihr aktives Sexleben, bevor sie alle von dem Serienkiller getötet werden. Nur Laurie, die offensichtlich noch Jungfrau ist, überlebt bis zum Schluss. Aufgrund dieser Moral dient Halloween - Die Nacht des Grauens als Spiegel damaliger konservativer Wertevorstellungen, bei denen Sex vor der Eheschließung gesellschaftlich verpönt war. Indem Regisseure wie Carpenter die damaligen konservativen Werte in Horror-Szenarien aufgreifen, wird der natürliche Sexualtrieb der vorwiegend jugendlichen Figuren unweigerlich alptraumhaft verzerrt und in ein bizarres Extrem überführt.

Halloween - Die Nacht des Grauens

It Follows als Spiegel moderner jugendlicher Promiskuität

Anfangs scheint sich der Horrorfilm It Follows, welcher das Publikum 2014 im Sturm eroberte, nahtlos in die Mechanismen des klassischen Slasherfilms einzufügen. Inszenatorisch hat Regisseur David Robert Mitchell dabei ganz offensichtlich von John Carpenter gelernt. Mithilfe von durchdachten Kameraeinstellungen und einem atmosphärischen Synthesizer-Score wirkt der träumerisch-verschlafene Vorort in It Follows so, als sei die fiktive Kleinstadt Haddonfield aus Halloween - Die Nacht des Grauens direkt in Mitchells Werk übergegangen. Ebenso unbestimmt, wie der Regisseur aufgrund des Verzichts von spezieller Technik oder eindeutiger Mode den konkreten Handlungszeitpunkt seiner Geschichte zwischen Retro und Moderne verschwimmen lässt, widmet sich Mitchell zudem dem Aspekt der Sexualität.

It Follows

In It Follows ist es das titelgebende Es, das die jugendlichen Figuren in wechselnder Gestalt verfolgt und tötet. Grund dafür ist ein nicht näher beleuchteter Fluch, den sich die Teenager untereinander weiterreichen, sobald sie Sex haben. Das übliche Klischee, dass Sex wieder einmal zum Tod führt, bricht Mitchell in seinem Film jedoch umgehend auf. Auch wenn Sex der Auslöser dafür ist, dass eine Person von dem tödlichen Fluch befallen wird, ist er zugleich auch der einzige Ausweg, um die rätselhafte Präsenz wieder loszuwerden und den Fluch mithilfe von Sex auf den Geschlechtspartner zu übertragen.

Was simpel als Metapher für Geschlechtskrankheiten gedeutet werden kann, offenbart hingegen vielmehr ein ausgelassenes Spiel mit dem Sexualverhalten einer modernen Jugendgeneration, die sich von den konservativen Wertevorstellungen ihrer Eltern distanziert. Passend hierzu dient It Follows als Spiegel einer jugendlichen Promiskuität, bei der im gegenwärtigen Zeitalter von Tinder & Co. eher oftmals wechselnde Sexualpartner und flüchtiger Spaß in den Vordergrund gestellt wird. Gemäß der Tradition des Horrorfilms verzerrt Mitchell dieses Bedürfnis abermals ins Alptraumhafte, wenn Enthaltsamkeit und Promiskuität in It Follows zu einem unkonkreten Schwebezustand adoleszenter Unsicherheit verschwimmen.

Was haltet ihr von dem Verhältnis zwischen Slasherfilmen, Sex und Tod?

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