Sind Disney Infinity & Lego Dimensions das Ende von Lizenzschrott?

05.10.2015 - 12:45 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Disney Infinity & Lego Dimensions
Disney / Warner Bros.
Disney Infinity & Lego Dimensions
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Quantität und Qualität müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, das zeigen momentan Disney Infinity 3.0 und Lego Dimensions. Ich habe mir ein paar Gedanken darüber gemacht, warum die Toys-to-Life-Spiele das Ende schlechter Lizenzsspiele einleiten könnten.

Ich habe keine Kinder. Trotzdem sieht mein Wohnzimmer momentan aus als wäre ein Kinderzimmer darin explodiert. Überall liegen Lego-Teile und Disney-Figuren aus Plastik zwischen ihren dazugehörigen Plattformen, die diese unterschiedlichen Charaktere in meinen Fernseher teleportieren sollen, damit ich dort mit ihnen spielen kann.

Batman, Gandalf, Wyldstyle und Chell. Luke, Leia, Han Solo und Darth Vader. Das sind nur ein paar der Charaktere, die sich gerade in meinen Regalen um Platz und in meiner Freizeit um meine Aufmerksamkeit streiten. Und ich könnte nicht viel glücklicher damit sein. Die letzten Wochen habe ich damit verbracht, mich mit Disney Infinity 3.0: Play Without Limits und Lego Dimensions zu beschäftigen und zwischen den beiden Spielen hin und her zu wechseln.

Lego Dimensions vs Disney Infinity

Dabei ging es mir weniger darum herauszufinden, welches Multi-Franchise-Spiel nun das bessere ist und vielmehr darum, zu sehen, wie die Titel das Toys-to-Life-System unterschiedlich umsetzen. Natürlich drängt sich die Frage "Was ist besser?" unwillkürlich auf, aber letztendlich bleibt es eine persönliche Geschmacksfrage, die sich nicht pauschal beantworten lässt.

Spielt ihr lieber mit Lego oder mit Actionfiguren? Bevorzugt ihr die Lego-Spiele oder doch eher klassische Action-Adventures? DC Comics oder Marvel? Disney-Streifen oder Science-Fiction-Komödien der 1980er? Zeichentrickfilme oder Zeichentrickserien?

Nicht Portal 3, aber immerhin

Eure Antworten auf diese Fragen sind entscheidend dafür, welcher Titel euch besser gefallen würde, denn sowohl Disney Infinity als auch Lego Dimensions sind hervorragende Umsetzungen des Toys-to-Life-Konzepts, in dem reale Actionfiguren via Plattform in ein Spiel teleportiert werden, das durch sie quasi unendlich erweitert werden kann. Damit meine ich nicht nur, dass sie mit Sicherheit genau die Gelddruckmaschinen sind, die sich sowohl Disney als auch Warner Bros. wünschen, sondern in erster Linie, dass es sich dabei schlicht um sehr gute Spiele handelt.

Das ist besonders spannend, wenn wir bedenken, wie furchtbar Lizenzspiele in der Vergangenheit waren und welchen schlechten Ruf sie noch immer besitzen – Tony Hawk's Pro Skater 5 sei Dank.

Der Fluch des Lizenzspiels

Lizenzspiele hatten schon immer einen schweren Stand , nicht zuletzt weil sie häufig als schnelle Geldquelle angesehen wurden. Die Lizenz wurde vielmehr als die eigentliche Qualität des Spiels als Kaufgrund angesehen. Lange Zeit durften wir uns sicher sein, dass jeder große wie kleine Kino-Blockbuster ein eigenes Spiel fragwürdigen Zustands erhalten würde – was manchmal sogar dazu führte, dass sie in der Wüste vergraben werden mussten  oder wir sie gerne in der Wüste vergraben hätten.

In den letzten Jahren schien es allerdings mehr und mehr so, als würde dieser Fluch endlich aufgehoben werden. Rocksteady bewies mit ihrer Arkham-Reihe, wie großartig sich Superhelden spielen lassen, und auch Injustice: Götter unter uns und Scribblenauts Unmasked untermalten die Vielseitigkeit der DC-Helden. TT Games entwickelten eine ganze Reihe an Spielen, die zeigten, dass Lego einfach zu allem passt: Egal, ob Star Wars, Jurassic World, Marvel Super Heroes oder Herr der Ringe. Ganz zu schweigen von Telltale Games, die mit The Walking Dead und The Wolf Among Us trotz einer noch länger zurückreichenden erfolgreichen Lizenz-Geschichte völlig neue Maßstäbe setzten.

Der Beginn von Disney Infinity

Das wollte auch Disney Infinity, das wohl eines der größten Lizenzunterfangen der Videospielgeschichte darstellen dürfte: Ziel Disneys war es, all ihre Franchises in einem Spiel vereinen zu können . Egal, ob es sich um Live-Action-, Zeichentrick- oder Computeranimationsfilm handelte, alles sollte in einem beliebig erweiterbaren Universum aufeinander treffen können und auch noch zusammenpassen. Das durch analoge Spielsachen inspirierte Resultat schaffte genau das mit so einem Erfolg, dass es dieses Jahr bereits in die dritte Runde ging. Während sich 2014 noch alles um Marvel drehte, ist 2015 Star Wars an der Reihe, die Regale zu füllen und die Geldbeutel zu leeren.

Eine neue Art von Lizenzspiel

Lizenzspiele sind gekommen, um zu bleiben. Egal wie wir es drehen und wenden, ob Disney Infinity 3.0 erschienen wäre oder nicht, Star Wars-Spiele hätten nicht zuletzt mit Star Wars: Battlefront, Star Wars: Der Widerstand und Star Wars: The Old Republic – Knights of the Fallen Empire auch so ihren Weg in unsere Hände gefunden.

Keiner dieser Titel spricht aber eine jüngere oder Casual-orientierte Zielgruppe an, die ohne Zweifel gemeinsam mit eingefleischten Gamern und Star Wars-Fans in die Kinos pilgern und danach auf der Suche nach mehr sein wird. Doch anstatt genau diese Spieler mit schlechten Lizenztiteln zu bedienen, die spätestens nach ein paar Wochen irgendwo ganz unten in der Wühlkiste im Elektrofachhandel vergraben sind, gibt es stattdessen Disney Infinity 3.0.

Nicht zuletzt dank der Möglichkeit, es konstant zu erweitern, präsentiert das Toys-to-Life-Spiel einen Mehrwert, den alternative Action-Adventures nicht hätten bieten können. Dadurch, dass es unterschiedliche Figuren aus dem Star Wars-Universum gibt, die sogar mitten in Missionen ausgetauscht werden können, wird dem Spieler eine größere Freiheit und Flexibilität geboten. Wer kein Fan von Yoda ist, kann – ob es nun Sinn ergibt oder nicht – problemlos zu Leia oder Chewbacca wechseln. Wer gleichzeitig mit Anakin Skywalker und Darth Vader spielen möchte, dem werden keine digitalen Steine in den Weg gelegt.


Disney Infinity hält sich bei Star Wars nicht mehr strikt an Logik und das Konzept, dass Figuren nur in ihrem eigenen Universum und ihrer Zeit unterwegs sein dürfen. Nicht einmal an ein Genre möchte sich Infinity binden lassen – sowohl innerhalb eines Playsets als auch verstärkt zwischen den verschiedenen Erweiterungen.

Diese Freiheit bietet die Möglichkeit, den eigenen Spieltrieb mehr auszuleben als andere Lizenztitel es ermöglichen würden. Und das noch, bevor wir überhaupt einen Schritt in die Toybox machen, die es euch ermöglicht, eigene Spielwelten und Spiele zu bauen und mit anderen zu teilen. Wer also schon immer einen Star Wars Racer haben wollte, in dem auch Micky Maus und Captain Jack Sparrow mit von der Partie sind, der kommt endlich auf seine Kosten. Dank der aktiven Community rund um die Toybox ist noch nicht einmal eigene Kreativität gefragt: Tausende von Fans erstellte, kostenlose Spiel warten dort nur auf den Download.

Lego Dimensions geht schon etwas klassischer mit seinem Crossover-Ansatz vor – wobei ich "klassisch" hier sehr großzügig verwende. Anstatt neue Level bietet Lego themabezogene Mini-Hubs, deren Zweck hauptsächlich Erkunden und Sammeln ist. Eine Alternative zu Portal 3 bietet uns Lego Dimensions also nicht, dafür dürfen wir etwas mehr Zeit mit GLaDOS und Chell verbringen und werden sogar mit einem neuen Lied belohnt.

Anders als Disney Infinity lässt euch Warner Bros. Crossover-Spiel allerdings wild seine Franchises mischen, was schon im Starterpack deutlich wird, in dem ihr gleichzeitig Batman, Gandalf und Wyldstyle aus The Lego Movie spielt – nachdem ihr eine halbe Stunde damit verbracht habt, mit realem Lego das Dimensionsportal und das Batmobil zusammenzubauen.


Anstatt eure Kreativität in einem Level-Editor zu fördern wie Disney, testet Warner Bros. eure Fingerfertigkeit mit Lego-Steinchen und schickt euch dann in weitere Abenteuer von Traveller's Tales, die ihr Klötzchen-Verständnis in den letzten Jahren ausführlich unter Beweis gestellt haben.

Die Franchise-Mischung bietet semi-unendliche Möglichkeiten für Crossover, über die niemand außer Fanfiction-Autoren bisher nachgedacht haben dürfte. Lego Dimensions nimmt sich nicht halb so ernst wie Disney Infinity und genau das gibt ihm einen ganz eigenen Charme. Anders als die anderen Spiele von TT Games teleportiert Lego Dimensions viel besser das nostalgische Gefühl, mit kleinen Lego-Figuren zu spielen und sie in abstruse Abenteuer zu schicken, auf den Bildschirm und lässt auch erwachsene Spieler wieder zu Kindern werden.

Disney Infinity & Lego Dimensions als Sargnagel für Lizenzschrott

Lego Dimensions und Disney Infinity unterscheiden sich nicht nur im flexibel aufsteigenden Preis von regulären Lizenztiteln, sondern vor allem in ihrer Qualität und dem Mehrwert, den sie bieten. Anstatt einfach nur die Handlung eines Films nachspielen zu lassen, bieten sie kreative Sandkästen, in denen sich Spieler austoben und eigene Werke erschaffen und diese dann teilen können. Toys wird im Toys-to-Life-Konzept wörtlich genommen, denn in erster Linie handelt es sich bei Lego Dimensions und Disney Infinity um Spielsachen – sowohl im realen als auch im digitalen Sinn.

Disney und Warner Bros. gehören zu den größten Unternehmen, die ihre Finger sowohl im Videospiel- als auch im Filmbereich haben. Es ist nur logisch, dass sie die beiden miteinander zu verknüpfen suchen. Allerdings bieten Disney Infinity und Lego Dimensions die Möglichkeit, dass dies nicht mehr in Form von lieb- und leidenschaftsloser Ramschsoftware geschieht, sondern durch Erweiterungen für hochwertige Basisspiele erfahrener Entwicklerteams, denen Qualität am Herzen zu liegen scheint.

Ein Teil der kommenden Lego-Erweiterungen

Dass Toys-to-Life-Spiele kein preiswertes Unterfangen sind, ist klar. Die bisher angekündigten Lego Dimensions- sowie Disney Infinity-Erweiterungen kosten mehrere hundert Euro, sofern jemand seinen Sammeltrieb vollständig ausleben möchte. Ein Vorteil des Systems ist allerdings, dass die Erweiterungen nicht alle zum Vollpreis daher kommen. Anstatt also zum nächsten großen Disney-Film ein Spiel für 60€ zu kaufen, reicht vielleicht schon die entsprechende Erweiterung oder eine einzelne Lieblingsfigur.

Und selbst wenn ein Add-on mal nicht so gut ist, immerhin macht es sich immerhin gut im Regal.

Disney Infinity 3.0 Play Without Limits inkl. Erweiterung wurde uns von Disney Interactive zur Verfügung gestellt, Lego Dimensions inkl. Erweiterung erhielten wir von Warner Bros.

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