Mit Uncharted 4: A Thief's End finden Nathan Drakes Abenteuer diese Woche ein nahezu perfektes Ende – zumindest könnten wir das im ersten Moment glauben. Zwar wird es das letzte Uncharted-Spiel von Naughty Dog sein, wie das Studio und Sony immer wieder zu verstehen geben, aber sie betonen eben genau das: Es wird das letzte Uncharted von Naughty Dog sein. Niemand hat gesagt, dass es das letzte Spiel Uncharted-Spiel überhaupt sein wird.
Als ich nach dem Epilog von Uncharted 4 den Controller aus der Hand gelegt habe, habe ich mir ein paar Gedanken darüber gemacht, warum ich glaube, dass A Thief's End trotz seines vielsagenden Titels nicht das Ende der Reihe darstellen und wie es mit Uncharted nun weiter gehen wird. Im folgenden Text wird es zu Spoilern kommen, die auf das Ende des Spiels eingehen. Wer Uncharted 4 noch nicht beendet hat, sollte also vielleicht noch ein bisschen warten, um meine Theorien zu Uncharted 5 und darüber hinaus zu lesen.
Noch da? Hervorragend, los geht's!
Warum ein Ende kein Ende ist
Die Uncharted-Reihe ist eines der großen Zugpferde der PlayStation. Daher war es keine geringe Überraschung, als Sony verkündete, A Thief's End würde das Ende von Nathan Drake darstellen und Naughty Dog würde sich danach anderen Projekten zuwenden. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Reihe ebenso ihr Ende findet, denn bekanntlich haben schon genug andere Entwicklerstudios die Arbeit an Franchises aufgenommen, nachdem ihre eigentlichen Studios zu neuen Aufgaben weiterzogen.
Noch bevor die Mitarbeiter von Rocksteady mit Batman: Arkham Knight das Ende ihrer Trilogie veröffentlichten, präsentierte uns Warner Bros. Montreal mit Batman: Arkham Origins ein Prequel, das einige Jahre vor dem ersten Teil spielte. Halo-Entwickler Bungie hat mit Halo 4 das Zepter an 343 Industries abgegeben und auch die Crash Bandicoot-Reihe wechselte zwischen Traveller's Tales und Radical Entertainment die Hände. Ein Ende bedeutet in der Videospielwelt nicht unbedingt Game Over für eine Reihe, besonders nicht, wenn eine Serie beliebt ist und sich gut verkauft. Und beides trifft bekanntlich auf Uncharted zu.
Theorie 1: EIn junger Nathan Drake – Zurück an den Anfang
Schon bevor wir Nathan Drake in Uncharted: Drakes Schicksal zum ersten Mal begegneten, war er ein etablierter Abenteurer. Das zeigen uns nicht nur die Rückblicke in A Thief's End und Uncharted 3: Drake's Deception, sondern auch der PS-Vita-Titel Uncharted: Golden Abyss oder der Roman Uncharted: Das vierte Labyrinth.
Es wäre daher keine Überraschung, wenn sich ein neues Studio ganz im Stil von Warner Bros. Montreal verpflichten sollte, sich um die frühen Diebestouren eines jungen Nathan zu kümmern. Batman: Arkham Origins hat zudem gezeigt, dass noch nicht einmal der Original-Synchronsprecher mit an Board sein muss, um für einen gelungenen Neuanfang zu sorgen – auch wenn wir Nolan North schmerzlich vermissen würden.
Theorie 2: Nathan Drake – Doch kein Ruhestand
Der Titel A Thief's End hat viele Bedeutungen, aber keine von ihnen beinhaltet Nathan Drakes Tod. Alle (guten) Charaktere überleben die Piraten-Schnitzeljagd rund um die Welt, inklusive des charismatischen (Anti-)Helden. A Thief's End bezieht sich stattdessen einmal auf das Ende der Piraten, deren Gier für ihr frühes Ableben gesorgt hat, er deutet aber auch auf das Ende von Nathan Drakes illegalen Aktivitäten hin.
Am Ende von Uncharted 4 ist es seine Frau Elena, die stattdessen mit einem neuen Plan auf ihn zugeht und ihn zu gemeinsamen und fast vollständig legalen Abenteuern herausfordert. Statt mit Pistolen sind sie mit Genehmigungen bewaffnet und arbeiten so wie eine (nicht ganz wissenschaftliche) Version moderner Archäologen.
Im Epilog bekommen wir einen kurzen Blick darauf, dass sowohl Nathan als auch Elena auch über zehn Jahre später noch abenteuerlustig um die Welt reisen und diese Sehnsucht an ihren eigenen Nachwuchs weitergegeben haben. Die Zeit zwischen dem Ende des finalen Kapitels und dem Epilog steckt voller unerzählter Geschichten, die sicherlich spannend zu erleben wären.
Allerdings gehe ich davon aus, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass sich ein Entwicklerteam dieser Zeit widmen würde. Nicht nur, dass es nicht das Finale für Nathan Drake wäre, das Naughty Dog uns versprochen hat, aus Gameplay-Sicht wäre es für die Reihe problematisch, einen radikalen Umschwung weg vom Gunplay zu machen. Das wäre aber nötig, um zu dem Ende zu passen, das uns Uncharted 4 präsentiert. Daher halte ich Theorie 2 für das unrealistischste Gedankenspiel meines Artikels.
Theorie 3: Ein neuer Held – Neue Gesichter, neue Abenteuer
Ein Neuanfang oder Spin-off unter demselben Namen ist eine der wahrscheinlichsten, wenn nicht sogar die wahrscheinlichste Möglichkeit, wie Uncharted weitergeführt werden kann. Das könnte so ähnlich aussehen wie bei der Mass Effect-Reihe, die mit Mass Effect 3 die Shepard-Trilogie beendete und mit Mass Effect: Andromeda einen neuen Helden/eine neue Heldin durch die Galaxie schickt.
Nathans Bruder Sam halte ich für einen unwahrscheinlichen Kandidaten. Während Uncharted 4 wirkte er wie eine ältere, aber unreifere und eindimensionalere Version des beliebten Helden, die für zu viele Vergleiche sorgen würde. Selbst das Ende, bei dem er sich mit Sully für den ein oder anderen Job zusammentat, ändert daran aus meiner Sicht nichts. Ein Neuanfang mit einem jüngeren Helden wäre in diesem Fall besser.
Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, denn in die Fußstapfen von Nathan Drake kann quasi jeder schlüpfen. Und es gibt eine Kandidatin, bei der es sich besonders anbieten würde.
Theorie 4: Cassie Drake – Die neue Lara Croft?
Das Finale von Uncharted 4 war zur großen Überraschung vieler Spieler nicht das eigentliche Ende des Spiels. Nach dem letzten Kapitel folgte ein Epilog, in dem wir allerdings nicht Nathan, sondern Cassie Drake spielen: seine und Elenas Tochter. Mit ihr wandern wir durch die beiden Strandhäuser der Familie auf der Suche nach ihren Eltern. Währenddessen können wir uns wie zuvor herumliegende Gegenstände ansehen und mehr über die vergangenen Jahre erfahren.
Unter anderem verrät uns eine Zeitschrift, dass Cassie bereits in die Fußspuren ihrer Eltern getreten ist und einen Hang für das Abenteuer entwickelt hat. Der Epilog endet damit, dass der Teenager zum ersten Mal von der ungewöhnlichen Vergangenheit ihrer Eltern und den Ereignissen der vorhergehenden Spiele erfährt. Dieses letzte Kapitel von Uncharted 4 legt somit die perfekte Basis für den Hauptcharakter eines neuen Spieles, der nur so dazu prädestiniert wäre, die Nachfolge von Nathan Drake anzutreten. Es liegt quasi in ihrer DNA.
Sony könnte somit eine weitere starke Heldin für sich aufbauen und einen eigenen weiblichen Gegenpart zu Lara Croft etablieren. Spannend wäre zu sehen, ob Cassie einen ruhigeren, gewaltfreieren Gegenpol zur brutalen Archäologin bieten würde, nachdem der Epilog auf ein sehr behutsames Aufwachsen hindeutete. Der Teenager ist schockiert, als sie den Pistolenholster ihres Vaters und ein Bild ihrer Eltern mit einer Shotgun entdeckt. Ähnlich wie Lara Croft in Tomb Raider könnte es allerdings auch passieren, dass sie im Überlebenskampf dazu gezwungen wird, mit dieser Vertrautheit zu brechen und sich der Gewalt hinzugeben. Auch das sollte in ihrer DNA stecken.
Da die Uncharted- und die Tomb Raider-Reihe schon immer viele Parallelen aufgewiesen haben, müsste Uncharted 5 vorsichtig sein, um dem Action-Adventure von Crystal Dynamics nicht zu ähnlich zu werden und sich stattdessen auf den Ausbau der eigenen Stärken konzentrieren. Ein neues Uncharted-Spiel mit Cassie Drake in der Hauptrolle könnte ein Risiko sein, allerdings eines, das sich auszahlen könnte. Die junge Frau bietet viel Potenzial und zumindest ich würde gerne herausfinden, wie viel ihrer Eltern wirklich in ihr steckt.
Nach Uncharted 4 und vor Uncharted 5
Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir eine Antwort auf die Frage bekommen, wie es mit Uncharted nach Uncharted 4: A Thief's End weitergeht. Mindestens ein Singleplayer-DLC wartet auf uns, der uns eventuell Aufschluss darüber geben könnte, in welche Richtung sich die Reihe bewegt. Vielleicht lässt er uns Cassie spielen, ähnlich wie The Last of Us: Left Behind uns in die Schuhe von Ellie steckte, vielleicht erwartet uns mehr von Nathan Drake, vielleicht etwas ganz anderes. Wir werden uns wohl noch eine Weile gedulden müssen, bis wir es erfahren.
Zum Glück haben wir ein großartiges Abenteuer, mit dem wir uns bis dahin (noch einmal) beschäftigen können. Der eine oder andere Hinweis lässt sich vielleicht schon finden.