Warum hasst ihr The Order: 1886?

24.02.2015 - 17:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
The Order: 1886
Sony Computer Entertainment
The Order: 1886
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Schon Wochen vor dem Release wurde The Order: 1886 in zahlreichen Internetforen als gehaltloser Grafikblender abgestempelt. Viele Stimmen gehen auch weiterhin in diese Richtung, teils in drastischen Worten. Warum polarisiert das Spiel derart?

Ein düsterer Third-Person-Shooter zieht Spieler wie Presse in seinen Bann. Und das trotz seiner Linearität, seines reduzierten Gameplays sowie eines Umfangs, der einer Wespentaille gleicht – eben weil er sich darauf konzentriert, eine ganz bestimmte Geschichte zu erzählen.

Mehr: Die Preisdebatte um The Order: 1886 nervt mich 

Worauf ich anspiele? Auf das 2003 veröffentlichte Max Payne 2: The Fall of Max Payne , das seinerzeit für ebendiese Tugenden zum Meilenstein erklärt wurde. Nun erfährt The Order: 1886  für den gleichen Ansatz eine ungeahnt harsche Kritik. Wie lässt sich erklären, dass das Abenteuer im viktorianischen London derart polarisiert?

Das viktorianische London ist beeindruckend in Szene gesetzt.

Vor allem die gnadenlose Konsequenz, mit der Ready at Dawn zu Werke geht, dürfte vielen "Core-Gamer" vor den Kopf stoßen, denn die The Order-Entwickler ordnen nahezu jedes andere Element der Narrative unter. Das führt dazu, dass sich Mechaniken, Leveldesign, selbst der Spieler jederzeit der Handlung beugen müssen. Daher definiert es noch klarer als beispielsweise Max Payne 2, auf welchem Weg und unter welchen Bedingungen es uns von A nach B führt.

Jedoch ergibt es innerhalb der konkreten Situation zumeist nie Sinn, nach C ausbrechen zu wollen. Die Grenzen der Interaktivität erlebt somit oftmals der, der bewusst danach sucht, The Order: 1886 also auf das Spielerische reduziert.

Spiel-Film

Dieses Unterfangen ist allerdings von vornherein zum Scheitern verurteilt, da The Order zu keiner Zeit den Anspruch erhebt, sich dem klassischen Erzählmuster von Videospielen zu unterwerfen. Dieser lässt sich regelmäßig auf folgendes Muster herunterbrechen: Gameplay-Sequenz, Cutscene, Gameplay-Sequenz, Cutscene.

Ready at Dawn wiederum entzieht sich diesem Mantra. Sie nutzen eine Reihe von Werkzeugen, darunter auch die von vielen verhassten Quick-Time-Events, um die Mauern zwischen den einzelnen Spielbestandteilen einzureißen. Auch die kontrovers diskutierten, schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand helfen optisch, ein in sich geschlossenes, filmisches Erlebnis zu kreieren.

Wer demnach substanzielle Kritik an The Order üben will, sollte es nicht stumpf nach gängigen Genrestandards abklopfen und es für schlecht befinden, nur weil er im ersten Moment einen hohlen Klang vernehmen könnte. Vielmehr sollte er es in seinem Bestreben ernst nehmen, indem er sich zum Beispiel mit Punkten wie dem Schnittrhythmus oder der Bildkomposition auseinandersetzt.

Das Gameplay präsentiert sich bewusst reduziert.

Die Tragik besteht nunmehr im zeitlichen Kontext, in welchem The Order: 1886 anzusiedeln ist. Eigentlich bewegen sich die Entwickler mit ihren Ambitionen am Puls der Zeit, immerhin mausern sich Cinegames zu einem festen Bestandteil der Branche. Doch umso deutlicher sie sich aus bestehenden Kategorien herausbilden, umso argwöhnischer werden sie beäugt. Gameplay-Puristen fürchten wohl, alle Großproduktionen würden sich dieses Konzepts bedienen, sobald es im Mainstream verankert ist.

Hier eine kleine Überlegung: Würde The Order von Telltale Games stammen, würden dieselben Personen, die voller Inbrunst gegen das Spiel wettern, vermutlich höchstens mit den Achseln zucken und sich denken: "War ja nicht anders zu erwarten.", oder?

Scheitern als Chance

Ich versuche dennoch, all dem Gegenwind, der Ready at Dawn momentan entgegenbläst, etwas positives abzugewinnen. Sollten sie es nämlich schaffen, sich seine Käuferschaft fernab der Internetforen und Leser von Spielemagazinen zu erschließen, dürfte der Shitstorm bei einem potentiellen Nachfolger oder ähnlichen Großproduktionen Stück für Stück abflauen, bis sie als Teil einer neuen Generation von Videospielen akzeptiert und ihren eigenen Ansprüchen gemessen besprochen werden.

Mehr: Warum wir ein neues Genre brauchen 

Oder um abschließend das Bild vom Schubladendenken zu bemühen: Wenn sich in einer Schublade statt der erhofften Gabel einmal ein Löffel befindet, ist das noch lange kein Grund, gleich den ganzen Schrank kurz und klein zu schlagen.

Vertretet ihr nach dem Release eine andere Meinung zu The Order: 1886 als davor? Wenn ja, was hat euch umgestimmt? Falls nicht, welche Kritikpunkte seht ihr durch das Spiel bestätigt?

Disclaimer: QWER ist eine Kolumne der gamespiloten. Die hier getroffenen Aussagen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der gesamten Redaktion wider, sondern beziehen sich auf den jeweiligen Autor selbst. Erst lesen, dann kommentieren.

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