Wenig Spaß für zu viel Geld

16.04.2015 - 18:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Ist The Order: 1886 seinen Vollpreis wert?
Sony
Ist The Order: 1886 seinen Vollpreis wert?
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Videospiele sind zu teuer. Der Markt hat sich verändert und es ist an der Zeit, dass die Preise für Spiele es auch tun. Und vielleicht können wir uns dann auch den großen Hype und die nächste Enttäuschung ersparen.

Erinnert ihr euch noch an The Order: 1886 ? Vor einigen Wochen erschien Ready at Dawns Actionspiel, doch der Hype bekam schon kurz vor der Veröffentlichung einen Dämpfer. Es sei mit lediglich fünf Stunden Spielzeit  zu kurz hieß es. Spiele wie der exklusiv für die PlayStation 4 erschienene Shooter sind das Äquivalent zum Kino-Blockbuster: Ein bombastisches Actionspektakel, aufwändig produziert mit dem vorrangigen Ziel, ein möglichst breites Publikum zu unterhalten. So ein Titel muss seine enormen Kosten für Entwicklung und Marketing schließlich wieder einspielen – und das möglichst schon in der verkaufsstarken ersten Woche.


Hype, Erwartung, Enttäuschung

Dabei brechen den Spielen immer öfter die eigenen Hypes unter den Füßen weg. Ob The Order: 1886, Assassins Creed oder Watch Dogs , die geschürten Erwartungen können nur noch selten mit dem Endprodukt mithalten. Diese AAA-Spiele sind in einem Kreislauf aus dem steigenden Risiko einer großen Investition und dem konservativen Festhalten an bekannten Vertriebsmodellen gefangen.

Seit die digitale Distribution auf dem PC und Konsolen zunehmend zum dominanten Vertriebsmodell geworden ist hat sich die Preislandschaft drastisch gewandelt. Es braucht keinen aufwändigen Vertrieb mehr, um sein Spiel an ein Publikum zu verkaufen und offene Plattformen wie Itch.io  ermöglichen inzwischen allen, Spiele einfach zu veröffentlichen. Indiegames, die unabhängig von den großen Publishern veröffentlicht werden, haben einen Preispunkt um die 20€ etabliert - weit weniger als die Hälfte dessen, was ein ein neues Spiel bei den Großen kostet. Für diesen Preis gibt es auf Hochglanz polierte und innovative Titel wie Transistor , The Banner Saga  oder Fez .

Und nicht nur die regelrechte Flut von guten Spielen hat die Preise gesenkt: Ob Steam Sales oder Humble Bundles , die Ausverkäufe mit reduzierten Preisen sind geradezu zu Events geworden , bei denen möglichst viele Spiele für möglichst geringe Einzelpreise eingekauft werden. Und auch ein Begriff wie der “Pile of Shame” - der Stapel gekaufter, aber ungespielter Spiele - konnte nur so entstehen.

Weniger ist meistens mehr

Womit wir dann wieder bei The Order: 1886 sind. Denn das Problem von The Order: 1886 ist nicht die Länge, es war eher der Preis. Natürlich kann auch ein Spiel für 70€ sein Geld wert sein sein, aber bei mittelmäßigen Reviews und der großen Konkurrenz wirkt der Deal für viele Kund_innen einfach nicht mehr fair.

Während also nun alle Welt darüber stritt, ob The Order: 1886 gut oder schlecht, viel zu kurz oder doch genau richtig war, lehnte ich mich zurück und spielte Resident Evil: Revelations 2 . Lediglich 6€ kostete mich die erste von vier Episoden und so lud ich mir spontan ein Spiel auf meinen PC, das ich bei einem höheren Preis vermutlich nicht einmal auf die bereits gut gefüllte Wunschliste meines Steam-Kontos gesetzt hätte. Ohne jegliche Erwartung ging fing ich an zu Spielen — und war überrascht. Laut meinem Steam-Profil hatte ich schon über 20 Stunden gespielt, bevor ich das erste mal weiteres Geld für die folgenden Episoden ausgab. Diese Zeit verbrachte ich nicht nur in der kurzweiligen Story-Kampagne, sondern auch in der zweiten Spielvariante: Der Raid Modus schlachtet die grundsolide Spielmechanik bis zum Letzten aus und entwickelt sich mit verschiedenen Levels, Schwierigkeitsgraden, mehreren Charakteren, freischaltbaren Waffen und vielem mehr zum eigentlichen Highlight.

Nun ist der günstige Horror-Shooter natürlich weit von der technischen Qualität oder Ambition eines The Order: 1886 entfernt. Revelations 2 sieht gut aus, aber auch nicht besonders beeindruckend. Es ist ein grundsolides Spiel, an das ich keine Erwartungen hatte. Trotzdem hat dieser trashige, selbstironische Zombie-Shooter mich mehr begeistern können, als all die mit übermäßigem Hype angekündigten Titel der letzten Jahre zusammen. Ein direkter Vergleich ist natürlich wenig sinnvoll, aber genau das ist seine Stärke: Revelations 2 weiß sehr genau, was es ist und daran gemessen verkauft es sich sogar deutlich unter Wert. Es ist mit den Ressourcen eines großen Studios produzierte Unterhaltung zu einem fairen Preis, ein Low-Budget-AAA-Spiel. Und vielleicht reichen zwei statt drei A ja auch schon. Vielleicht wird es Zeit für etwas mehr Bescheidenheit.

Neue Verkaufsmodelle müssen her

Capcom demonstriert mit der Art, wie es dieses Resident Evil verkauft, gleich mehrere Konzepte, die sich wunderbar auch auf andere Spiele übertragen ließen. Etwa, dass das Aufteilen der Story im Stil einer Fernsehserie nicht nur für Adventures wie Telltales Adationen von The Walking Dead  und Game of Thrones  gut funktioniert. Oder, dass der viel gescholtene Begriff “In-App-Purchase” auch in einem bereits kostenpflichtigen Spiel keine Abzocke sein muss, sondern besonders investierten Spieler_innen neue Möglichkeiten eröffnen und dem Studio weitere Einnahmen bringen kann - zumindest, wenn der Deal fair ist. Und in diesem Fall ist er es, denn Capcom überlässt Käufer_innen selbst, ob sie mehr ausgeben wollen.

Tatsächlich gibt es aber einen großen Publisher, der sich schon seit einigen Jahren ebenso konsequent wie erfolgreich von den eingefahrenen Strukturen gelöst hat: Valve. Half-Life  wurde bisher nur episodisch fortgesetzt, Left 4 Dead  und Portal  kosten auf Steam lediglich 20€, Dota 2  und Team Fortress 2  sind Free-to-Play-Titel mit DLC-Käufen. Alle diese Spiele erhielten Höchstwertungen, verkauften sich enorm gut und sind auf dem selben Niveau anderer AAA-Titel produziert. Falls Valve jemals einen dritten Teil eines ihrer Franchises auf den Markt bringen sollte, dann würde es mich kaum wundern, wenn es eben nicht 60€ kostet. Und vielleicht braucht es wirklich erst wieder ein neues Half-Life, um nach der Einführung von Steam im Jahr 2004 erneut an den Grundfesten des Marktes zu rütteln.

Valve wäre es jedenfalls zuzutrauen, die Preisstruktur von AAA-Games aufzubrechen. Wer auch immer es aber letztendlich schaffen sollte, es wäre eine Entwicklung von der alle profitieren könnten. Ein bisschen mehr Bescheidenheit würde vielen Studios und ihren teilweise arg überanstrengten Franchises gut tun. Der nächste große Hit muss eben kein Blockbuster sein, der an seinem eigenen Hype fast erstickt. Vielleicht ist ein Weg, um endlich aus dem Kreislauf aus Erwartung und Enttäuschung der letzten Jahre auszubrechen einfach mal wieder etwas tiefer zu stapeln.

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