Wir schauen The Walking Dead - Staffel 6, Folge 2

20.10.2015 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Carol (Melissa McBride)AMC
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Wer hat gehupt? JSS, die zweite Episode der sechsten Staffel von The Walking Dead, verspricht den großartigen Cliffhanger des vergangenen Kapitels aufzuklären. Darüber hinaus gilt es zu erörtern, was sich hinter den titelgebenden Buchstaben verbirgt.

In First Time Again haben Rick (Andrew Lincoln) und Morgan (Lennie James) eingesehen, dass sie einen Schritt zurückgehen müssen, um neu anzufangen. Darüber hinaus dokumentierte der Staffelauftakt in klaren Bildern den Kampf gegen die Unerbittlichkeit der Natur, wobei hiermit in erster Linie der Kampf gegen die lebenden Toten gemeint ist. Die zweite Episode der sechsten Staffel von The Walking Dead, die den mysteriösen Titel JSS trägt, widmet sich nun der anderen Bestie, die in der Zombie-Apokalypse ihr Unwesen treibt, nämlich den Menschen.

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Wo die Beißer stets wie eine passive Gewalt für Unheil sorgen, greift dieses Mal ganz aktiv ein Trupp wildernder Überlebender ein - und eine unglückliche Verkettung von Ereignissen sorgt dafür, dass die gigantische Beißer-Herde der letzten Episode wieder Kurs auf Alexandria nimmt.

Make sure you got something worth dying for.

Bevor es jedoch so weit ist, erzählt JSS im Cold open eine kleine Geschichte aus der Zombie-Apokalypse, die sich ausschließlich um Enids (Katelyn Nacon) Vergangenheit dreht. Gemeinsam mit ihren Eltern, deren Stimmen nur aus dem Off zu vernehmen sind, befindet sie sich irgendwo im Nirgendwo. Plötzlich tauchen Beißer auf und umzingeln das Auto der Familie. Was daraufhin passiert, kann sich eigentlich jeder denken - und genau diese Freiheit lässt uns Regisseurin Jennifer Chambers Lynch, denn mit dem nächsten (mutigen sowie großartigen) Schnitt ist bereits alles geschehen. Jetzt tropft nur noch das Blut von der Fensterscheibe des Wagens und dahinter verbirgt sich ein verängstigtes Gesicht, das soeben das Unfassbare bezeugen musste. Später irrt Enid durch verregnete Wälder, bis sie die Sonne hinter den Mauern Alexandrias entdeckt. Sie zögert, entscheidet sich aber schließlich dazu, den Geräuschen vermeintlicher Normalität zu folgen, um fortan keine Schildkröten mehr essen zu müssen.

Morgan (Lennie James), die Ruhe in Person

Danach widmet sich Seth Hoffmans Skript wieder der Gegenwart. Während Rick und Co. unterwegs sind, um die Beißer-Herde abzulenken, nimmt der Tag in Alexandria seinen ganz normalen Lauf. Haare werden geschnitten und Carol (Melissa Suzanne McBride) demonstriert einmal mehr, dass sie ein Händchen im Umgang mit Kindern hat. Dann rennt jedoch ein Mann mit Machete ins Lager und schlachtet mitten am hellichten Tag eine Frau ab. Was folgt, ist ein Massaker sondergleichen. Schnell und unbarmherzig übernimmt die wilde Bande die Safe Zone und tötet jede Menschenseele, die ihr in den Weg kommt. Nach wenigen Augenblicken ist die Identitätsfrage ebenfalls geklärt: Die Wolves sind verantwortlich für das schockierende Schauspiel, das im Sekundentakt Leben kostet. Es werden keine Fragen gestellt, bloß das Blutvergießen ist von Belang. Die Mehrheit der Bewohner ist sichtlich überfordert mit der Situation - selbst Deanna (Tovah Feldshuh) lässt sich lieber von Maggie (Lauren Cohan) in ihre Schranken weißen, als selbst zu Waffe zu greifen.

"They’re just people", sagt Enid zu Carl (Chandler Riggs), der, bewaffnet mit einem Maschinengewehr, nicht nur das eigene, sondern auch das Leben seiner Schwester beschützen will. Von diesen Menschen ist allerdings nicht mehr viel übrig geblieben. Wie hungrige Tiere - und in dieser Eigenschaft den Beißern gar nicht so unähnlich - fallen sie über die Wehrlosen her. Doch das alleinige Töten reicht nicht aus. Nein, die Wolves hacken auf Leichen ein, bis nur noch Fleischfetzen übrig sind, und zerschmettern Schädel, um das herausquellende Blut im Anschluss als Kriegsbemalung zu verwenden. Im Eifer des Gefechts schießt Spencer (Austin Nichols) wie verrückt auf einen Lastwagen, der daraufhin in den Wall von Alexandria crasht und das unüberhörbare Hupen auslöst, das wiederum Ricks Zombie-Ablenkungsmanöver sabotiert. Wann und in welcher Vielzahl die Untoten in der Safe Zone einfallen werden, bleibt jedoch unklar.

Die Wolves rennen alles und jeden nieder.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt können wir sicher sein: Rick wird in dieser Episode nicht mehr auftauchen. Stattdessen rückt Seth Hoffman eine Figur in den Vordergrund, von deren Existenz wir bisher keinen blassen Schimmer hatten: Denise (Merritt Wever). Diese fungiert nach Petes (Corey Brill) Ableben als medizinische Fachkraft in Alexandria, obwohl sie eigentlich eine gelernte Psychiaterin ist. Denise bibbert vor Angst, da sie sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen fühlt. Tara (Alanna Masterson) und Eugene (Josh McDermitt) stehen ihr allerdings zur Seite und betonen, wie wichtig es ist, sich gerade in einer solchen Extremsituation am Riemen zu reißen. Ärgerlich ist dieser Subplot aus mehreren Gründen: Zum einen tritt er erst dann in Kraft, wenn er gebraucht wird und entsteht sozusagen aus dem Nichts. Zum anderen besteht er aus zusammengeklaubten Versatzstücken, die dermaßen lustlos vorgetragen werden, dass nicht einmal die lebendige Beziehung zwischen Tara und Eugene der Redundanz des Geschehens etwas entgegensetzen kann.

Auch die Konfrontation zwischen Carl und Enid greift das im Opening gestreute Potential kaum auf. Abseits der wenigen Bruchstücke aus Enids Leben vor der Ankunft in Alexandria versteckt sich ihre Figur weiterhin in einem geheimnisvollen Schleier, der zum Schluss immerhin die titelgebende Buchstabenkombination auflöst: "Just Survive Somehow." Carl findet den Ratschlag auf einem kleinen Stück Papier, nachdem Enid aus der Safe Zone verschwunden ist. Dass JSS trotzdem zum sehenswerten The Walking Dead-Kapitel avanciert, ist der unerwarteten Begegnung von Carol und Morgan zu verdanken. Während Carol im Rahmen des Wolves-Überfalls aus Alexandria kommt, schließt sich Morgan dem Gemetzel von außerhalb an. In der Mitte treffen sie aufeinander - und zwar mit komplett unterschiedlichen Einstellungen. Ohne Skrupel erschießt Carol den Mann, den Morgan zögernd begnadigen wollte. Zudem malt sie sich ein blutrotes "W" auf die Stirn, um sich unter die Angreifer zu mischen und diesen hinterhältig den Garaus zu bereiten.

Auch Jessie (Alexandra Breckenridge) muss über sich hinauswachsen.

Morgans Einstellung ist dagegen eine andere, wie es letzte Woche im Zusammenspiel mit Rick deutlich wurde. Wenngleich er in der Lage wäre, jeden Gegenspieler mit nichts weiter als mit einem Stock zurechtzuweisen, existiert in seinem Kopf der Gedanke an eine bessere Welt, in der kaltherziges Töten keinen Platz hat beziehungsweise nicht notwendig ist, weil Vernunft und Einsicht obsiegen. Von diesem Gedanken hat sich Carol unlängst verabschiedet und am Ende dieser Episode muss sich Morgan eingestehen, dass ihre Einstellung zwar nicht unbedingt mit seinem moralischen Kodex übereinstimmt, in Anbetracht der aktuellen Situation jedoch die eindeutig realistischere und somit sinnvollere ist. "You can't, can you? You should've", schnauzt Morgan einer der Wölfe mit höhnischem Lächeln an. "I'm sorry", antwortet dieser und es folgt ein Schlag inklusive eiskaltem Blick, wie er auch von Killer-Carol hätte stammen können.

Besonders schön an dieser Sequenz ist zudem der Umkehrschluss: Nur weil Carol auf dem Schlachtfeld im Badass-Mode unterwegs ist, heißt dieser Umstand noch lange nicht, dass ihre verletzliche Seite nicht mehr existiert. Denn diese findet sehr wohl ihren Weg in JSS - und zwar in Form einer Spiegelung, die Bände spricht: Als sich Carol nach der blutigen Auseinandersetzung das "W" von der Stirne wischen will, findet sie ein rotes "A" als Alexandria-Äquivalent auf den Treppenstufen neben ihr. Alle Menschen in der Zombie-Apokalypse sind gezeichnete. Die Frage ist nur, wie weit sie gehen, um zu überleben. Die finale Einstellung der Episode bietet auf diese elementare Fragestellung wie schon First Time Again eine versöhnliche wie hoffnungsvolle Antwort: Wie in einem Western kreuzen sich Carols und Morgans Wege. Stumm gehen sie aneinander vorbei, womöglich haben sich ihre Blicke nicht einmal getroffen. Doch der gegenseitige Respekt war in jeder Sekunde dieses starken Schlussakkords spürbar.

Was bisher geschah:

Staffel 6, Folge 1: First Time Again

Die sechste Staffel von The Walking Dead läuft in Deutschland beim Pay-TV-Sender FOX .

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