XCOM 2 im Test — Am Ende bleibt ein großes Fragezeichen

05.02.2016 - 09:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
XCOM 2
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XCOM 2
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Das Rundenstrategiespiel XCOM 2 gehört derzeit zum besten, was das Genre zu bieten hat und schulte mich nicht nur im Kampf gegen Aliens, sondern erinnerte mich auch an eine Tugend: Es ist okay, loszulassen.

XCOM 2 gehört zu jener seltener Art Spiele, die mich auch lange nach dem Klick auf den "Beenden"-Button nicht mehr loslassen. Das kann in manchen Fällen durchaus nervig sein, erwies sich jedoch im Fall des neuen Rundenstrategiespiels von Firaxis Games aus ganz verschiedenen Gründen als ein ausgesprochen angenehmes Gefühl. Zum einen ertappte ich mich immer wieder, wie ich im Bett oder auf dem Arbeitsweg über meine Strategie im Kampf gegen die Aliens nachdachte, die die Welt fest in ihrem Griff hatten. Zum anderen berührte mich der virtuelle Widerstandskampf der Menschheit völlig unerwartet auf einer sehr persönlichen Ebene.

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Aber Halt, stopp, worum geht es in XCOM 2 eigentlich? Von welchem Krieg faselt Dom da schon wieder? Das ist glücklicherweise schnell erklärt.

Guerilla-Kampf in der Zukunft

Im Grunde ist alles schlimm: Eine außerirdische Supermacht, die wir im Vorgängerspiel und Reboot der Serie XCOM: Enemy Unknown noch versucht haben abzuwehren, herrscht als totalitäres Regime über die Menschheit. Während das Zusammenleben zwischen uns und den Besatzern als friedlich propagiert wird, werden täglich tausende Menschen verschleppt, terrorisiert und getötet. Allmählich aber regt sich Widerstand und wir beleben die alte Anti-Alien-Einheit XCOM wieder, um aus dem Verborgenen dort zuzuschlagen, wo es den Aliens besonders wehtut.

Unsere Aufgabe ist es, die Aliens wieder von der Erde zu jagen.

Dabei spielen wir an zwei Fronten: Während wir mit den ständig knappen Ressourcen die Heimatbasis ausbauen, neue Krieger rekrutieren und Entscheidungen treffen, die hoffentlich nützliche Forschung als nächstes ins Auge gefasst werden soll, kämpfen wir regelmäßig weltweit gegen die Aliens. Diese Auseinandersetzungen passieren rundenbasiert und verlangen von uns meist unter Zeitdruck die Erfüllung bestimmter Ziele. Mal sollen wir einen Computer mit sensiblen Daten hacken, woanders müssen wir Zivilisten vor einem Vergeltungsschlag der Aliens schützen. Egal, wie der Einsatz im Detail aussieht, eine Gemeinsamkeit teilen sich die Guerilla-Kämpfe der Zukunft: Das Leben unserer Soldaten steht jederzeit auf Messers Schneide.

Mit den besten Freunden in den Krieg

Auch dieser Krieg wirf auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen, die wir in XCOM 2 wohl so gut wie in sonst keinem Spiel dieses oder vergleichbarer Genres kennenlernen. Neben einer vom Spiel generierten Kurzbiographie für jeden (!) der Soldaten, dürfen wir nicht nur ihren Namen, und Geschlecht sondern auch ihr Aussehen in einem überraschend komplexen Editor jederzeit ändern und bestimmen. Während mich die im Vorgänger deutlich simpler ausgefallenen Möglichkeiten zur Individualisierung noch absolut kalt ließen, verbrachte ich nun viel zu lange damit, die Beatles oder meine Arbeitskollegen nachzubauen. Die emotionale Bindung, die ich entlang dieses Schaffensprozesses mit diesen Kriegern aufbaute, war enorm und so berührte mich jeder einzelne Bildschirmtod. Wenn der Gefallene dann auch noch einen hohen Rang bekleidet und dementsprechend gut ausgebildete Fähigkeiten hatte, rollten noch ein paar Extraliter Tränen.

Der umfangreiche Editor lässt uns die Soldaten schnell ans Herz wachsen.

Damit entwickelt sich recht bald der Kampf um die Zukunft der Menschheit zu einem Ringen um das Überleben der Krieger, die euch immer stärker ans Herz wachsen. Und glaubt mir, dieser Krieg fühlt sich oft verdammt unfair an.

Absolute Kontrolle ist eine Illusion

Treten wir einmal zwei Schritte zurück und betrachten XCOM 2 als großes Ganzes, so wird offensichtlich, dass das gesamte Spiel auf einer gemeinsamen Basis aufbaut: Das Streben nach absoluter Kontrolle. Wir versuchen, immer die richtigen Technologien zur richtigen Zeit zu erforschen, um im kommenden Kampf bestens ausgerüstet zu sein. Wir manövrieren Soldaten auf den Schlachtfeldern, um auf jeden Hinterhalt vorbereitet zu sein und gleichzeitig immer alle Feinde im Visier zu behalten. Das Überleben der Menschheit und unserer Krieger steht minütlich auf dem Spiel und das Risiko des Versagens versuchen wir, mit durchdachter Planung und einer guten Strategie auf Null zu senken.

Dieser Wunsch nach absoluter Kontrolle wird nur von der Intensität der Illusion übertroffen, dass wir jegliches Risiko tatsächlich eliminieren können.

Die Gegner sind zahlreich und beherrschen zahlreiche Tricks, um uns das Leben schwer zu machen.

XCOM 2 wird nicht müde uns daran zu erinnern, das wir am Ende doch im Treibsand dieses Krieges versinken werden, ganz egal, wie sehr wir strampeln. Schüsse gehen daneben, Aliens bekommen überraschende Verstärkung, der Sprung in die Deckung misslingt, eine Alienflotte greift unerwartet unsere Basis an. Und irgendwann haben uns die Angriffe der Weltmacht zermürbt und dann realisieren wir, dass absolute Kontrolle eine Illusion ist. Doch in dieser Erkenntnis liegt auch ein Gewinn, der mich noch lange nach Verlassen des Hauptmenüs begleitet hat: Es ist okay loszulassen. Um unsere Ziele nicht aus den Augen zu lassen, ist es wichtig, Verluste und Rückschläge hinzunehmen und das ein oder andere Opfer zu bringen.

Am Ende der Geschichte, wenn die letzten Rekruten gefallen oder das letzte Alien vertrieben wurde, müssen wir uns schließlich dem großen Fragezeichen stellen: War diese Reise die vielen Stirnfalten, Auf- und Jubelschreie und bitteren Tränen wert? Nach kurzem Zögern beantworte ich diese Frage mit einem Ja. Ein vergleichbares Erlebnis bietet euch derzeit schlichtweg kein anderes Spiel.

Fazit

XCOM 2 ist mehr als nur die Fortsetzung eines erfolgreichen Reboots, sondern die intelligente, reflektierte und fordernde Weiterentwicklung eines ohnehin tollen Konzepts. Der Rollentausch, der uns vom Verteidiger zum Angreifer macht, sorgt für ein frisches Underdog-Gefühl. Jeder Kampf ist wichtig, jedes Menschenleben, das wir retten können, wertvoll. Dabei lernen wir, wie sehr der Verlust eines Soldaten schmerzen kann, bis wir uns irgendwann regelrecht überwinden müssen, den nächsten Einsatz zu starten.

In gewisser Hinsicht ist XCOM 2 ein Antikriegsspiel in buntem Kostüm, das uns unterhält, herausfordert und ganz subtil vor Augen führt, dass Krieg ein Monster ist, dessen Bändigung eine Illusion bleibt.

Dieses Review wurde mit Hilfe eines vom Publishers zur Verfügung gestellten PC-Keys erstellt.

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