Das Sci-Fi-Epos Dune 2 ist deshalb so gut, weil es sein Publikum in eine verheerende Falle lockt

02.03.2024 - 12:00 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Dune: Part TwoWarner Bros.
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Dune 2 ist in den Kinos gestartet und sorgt für Begeisterung. Die Kunst des Sci-Fi-Sequels besteht allerdings nicht nur in seinen großen Bildern, sondern auch in seiner kompromisslosen Art, uns vorzuführen.

Dune: Part Two ist im Kino gestartet und beweist eindrucksvoll, dass es seinem Ruf als größtes Sci-Fi-Event des Jahres gerecht wird. Tatsächlich sind die euphorischen Dune 2-Reaktionen zu Denis Villeneuves umwerfenden Bildwelten und spektakulären Sandwurm-Ritten gerechtfertigt. Doch der wahre Gänsehaut-Faktor liegt darin, was das Sequel mit uns als Publikum anstellt.

Dune 2 wagt, was keine andere Verfilmung der Sci-Fi-Geschichte vermochte

Die Geschichte des fast 200 Millionen US-Dollar teuren Sci-Fi-Films ist klar: Nach den Ereignissen von Dune, in denen das verdorbene Haus Harkonnen dem ehrwürdigen Haus Atreides die Herrschaft über den Wüstenplaneten gewaltsam abnahm, findet Paul Atreides (Timothée Chalamet) mit seiner Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson) Zuflucht bei dem eingeborenen Wüsten-Volk. Von Fremen wie Chani (Zendaya) und Stilgar (Javier Bardem) lernt der totgeglaubte Atreides-Erbe in Dune 2 die Macht der Wüste kennen und plant seine Rache an denjenigen, die seinen Vater getötet haben.

Dune 2

Dune 1 war eine Geschichte des Erwachens und Erwachsenwerdens. Sie brachte uns den sympathischen Paul als schüchternen, fast passiven Helden nahe, der unter widrigen Umständen versuchte, in seine Rolle hineinzuwachsen. Eine Rolle, die ihm in die Wiege gelegt worden war und die dadurch verkompliziert wird, dass seine Mutter in Paul eine prophezeite Erlöserfigur sieht. Ob man diesen übermenschlichen Erlöser nun wie die kultische Schwesternschaft der Bene Gesserit als Kwisatz Haderach oder wie die Fremen als Lisan al Gaib bzw. Mahdi bezeichnet: Pauls strahlende Zukunft schien vorgezeichnet.

Bereits zwei Mal wurde Frank Herberts berühmte Sci-Fi-Romanvorlage * verfilmt. Doch weder David Lynchs Kinofilm Dune - Der Wüstenplanet aus dem Jahr 1984 noch die Dune-Miniserie von 2000 wagten, den letzten entscheidenden Schritt mit "Held" Paul Atreides zu gehen.

Achtung, ab hier folgen massive Spoiler zu Dune: Part Two.

Die gruseligste Figur in Dune 2 ist nicht Austin Butlers Harkonnen-Psycho

Dune 2 hat neben dem Baron (Stellan Skarsgård) und seinem Neffen Rabban (Dave Bautista) einen neuen Harkonnen-Bösewicht: Austin Butler bezeichnete seinen Feyd-Rautha im Vorfeld als "Kehrseite von Pauls Medaille". Er ist die schreckliche Alternative, die dem Wüstenplaneten und dem Universum blüht, wenn Paul scheitert. Eindrucksvoll zeigt der Film, wie furchtbar dieser psychotisch-kannibalistische Kämpfer ohne Gefühl und Moral ist, der sogar andeutet, seine Mutter getötet zu haben. Ein großartiger Schurke, ohne Frage.

Dune 2: Feyd-Rautha (Austin Butler)

Gegen einen solchen Gegner, so suggeriert uns Dune 2, muss Paul Atreides sich unbedingt behaupten. Weil eine Niederlage schlimme Folgen hätte. Aber ist ein Sieg nicht noch viel schlimmer? Einmal versucht Paul, seine Prophezeiung abzustreifen. Indem er die Erlöser-Rolle verweigert, wird ihm das von den Fundamentalist:innen als Demut eines bescheidenen Retters ausgelegt. Die von Jessica befeuerte Legende Paul Muad'Dibs ist nicht zu stoppen. Der widerwillige Paul darf uns leidtun, wenn er hier hilflos gegen Windmühlen ankämpft, während er "nicht Angst hat, die Kontrolle zu verlieren, sondern sie zu gewinnen". Er weiß, was auf uns zukommt.

Mit dem Wissen um die verheerenden Folgen seiner Entscheidungen wiegt Pauls endgültiges Aufgeben umso schwerer. Der einschneidendste Moment in Dune 2 ist der, wenn Paul nach einer Vision seine Harkonnen-Abstammung mütterlicherseits akzeptiert und aktiv beschließt, ein Harkonne zu sein. Er blickt in den Abgrund und springt offenen Auges hinein.

Dune 2: Böser Paul

In einer absoluten Gänsehaut-Szene bezeugen wir dank Timothée Chalamets fantastisch-bestürzender Schauspielleistung, wie unser Retter seine Moral abstreift. Um anschließend unter tiefgezogener Kapuze mit mitleidloser Härte und Atomraketen gegen seine Feinde vorzugehen. Wenn er den vorausgesehenen Heiligen Krieg in seinem Namen nicht stoppen kann, muss er als unheimlicher Schrecken eben darin aufgehen. Selbst wenn er damit universumsweit mehr Opfer fordert, als Feyd-Rautha je töten könnte.

Timothée Chalamets Paul ist ein düsterer Glücksfall für Dune 2

Star Wars hat sich als Franchise bekanntermaßen einiges von Frank Herberts Dune-Saga abgeguckt. Die aktuell kursierenden Vergleiche von Timothée Chalamets Paul Atreides mit Anakin Skywalker sind durchaus zutreffend. Aus dem mächtigen Kind und späteren Jedi wird der böse Sith-Lord Darth Vader, genauso wie sich der vermeintliche Messias Paul in einen Tyrannen verwandelt. Die dunkle Seite der Macht ruft beide.

Dune 2 krempelt Paul Atreides um

Wer die Buchvorlage kennt, weiß natürlich, dass Paul nicht der reine Erlöser ist, den sich alle erhoffen. Doch die bisherigen Verfilmungen (und in Teilen sogar Frank Herberts Werk selbst) scheuten davor zurück, den geliebten Helden vollständig zu brechen. Regisseur Denis Villeneuve hingegen führt uns mit unserer Leidenschaft hinters Licht und begibt sich mit seinem Film in die Dunkelheit: Er schafft, dass wir plötzlich Angst vor dem gerade noch verehrten Helden haben. Vorwürfe des "White Savior", denen der erste Film sich stellen musste, werden damit vollständig entkräftet. Denn wie ein Retter wirkt Paul Atreides am Ende von Dune 2 nicht mehr.

Die Anzeichen waren schon immer vorhanden. Bereits Dune 1 hatte gewaltige Truppen-Aufmärsche, schwarze Atreides-Uniformen und faschistisch anmutende Flaggen. Sie deuteten an, dass das gutartige Regime der Atreides schnell in eine Schreckensherrschaft umschlagen konnte, wenn sich deren Anführer dazu entschließen sollte. Anders als die Harkonnen bekämpft Paul die Fremen nicht. Er unterwirft sie sich, indem er ihre Lebensweise erlernt und sie anschließend auf seine Seite zieht: Eine perfekte Waffe, weil sie mit Inbrunst an ihn als Erlöser glauben. Beängstigender als ein verrückter Unterdrücker ist nur ein überzeugter Fanatiker.

Am Ende überzeugt Dune 2, weil wir uns selbst hinterfragen müssen

Denis Villeneuves Filme zeichnen sich nicht unbedingt durch eindringlich auserzählte Figuren aus, die ihr ganzes Innenleben vor uns ausbreiten. Doch genau das kommt dem Sci-Fi-Sequel zugute. Wir mögen mit Paul und Chanis vorsichtiger Liebesbeziehung mitfiebern, aber im Tumult bombastischer Kämpfe und kalter Intrigen bleibt wenig Platz für zarte Gefühle. Genauso wenig wie in Paul zum Filmende von Dune 2, das "noch tragischer Schluss als das Buch" ist.

Dune 2: Paul und seine Anhänger

Denn Paul mag vor seiner politischen Entscheidung zur Heirat mit Prinzessin Irulan (Florence Pugh) gegenüber Chani wiederholen, dass er sie lieben wird, bis er "aufhört zu atmen". Aber mit seinen Worten ruft er uns auch Chanis voriges Liebesversprechen in Erinnerung, die Paul schwor, bei ihm zu bleiben "solange er er selbst ist". Nur ist Paul am Ende nicht mehr derselbe. Wenn er das Wasser des Lebens trinkt und sich endgültig in sein Schicksal als hellseherischer Übermensch ergibt, verdrängt diese Persona den Menschen Paul.

Die Einzige, die Pauls Schrecken am Ende sieht, ist Chani. Abertausende verschreiben sich dem neuen Paul. Auch wir als Publikum laufen Gefahr, in diese fanatische Gefolgschaft gedrängt zu werden. Denn wenn wir dem Erlöser bis hierher gefolgt sind, können wir uns jetzt noch von ihm abwenden? Dieser Frage wohnt die erschütterndste Erkenntnis von Dune 2 inne: Dass wir an der Nase herumgeführt wurden und nicht einem strahlenden Helden, sondern einem erblühenden Bösewicht in die Schlacht gefolgt sind.

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