Netflix-Falle: Die Identität des Täters in Liebes Kind ist völlig egal und sie lenkt von der gruseligsten Figur ab

23.09.2023 - 11:00 Uhr
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Die Thriller-Serie Liebes Kind sorgt bei Netflix gerade weltweit für Begeisterung. Doch die Suche nach dem Täter raubt der unheimlichsten Figur ihren großen Auftritt.

Seit Liebes Kind am 7. September 2023 gestartet ist, hält der deutsche Thriller sich auf Platz 1 der meistgesehenen Netflix-Serien Deutschlands. Sogar weltweit  bekommt das Streaming-Publikum seit zwei Wochen nicht genug von dem Entführungs-Nervenkitzel.

Auch ich wollte wissen, was hinter dem Hype um Netflix' Überraschungshit steckte. Das Kriminal-Drama zog mich mit seinen Psycho-Spielchen schnell in seinen Bann. Mit der Frage nach der Identität des Entführers sowie mit der großen Bösewicht-Auflösung stellt sich Liebes Kind allerdings selbst ein Bein. Was mich nach einem starken Auftakt am Ende enttäuschte.

Die großen Twists in Netflix' Liebes Kind helfen und schaden der Serie zugleich

In Liebes Kind machen verblüffende Wendungen den größten Reiz der Serie aus. Zu Beginn sehen wir eine Frau und ein Mädchen aus einem unterirdischen Bunker fliehen. 13 Jahre war Lena verschollen, erfahren wir von ihren herbeigerufenen Eltern. Doch dann stellt sich am Ende der 1. Folge heraus, dass die Geflohene nicht Lena ist. Wieso sieht ihr Kind dann wie eine junge Lena aus?

Achtung, es folgen Spoiler zur gesamten Netflix-Serie und zum Ende von Liebes Kind.

Liebes Kind verschweigt lange den Täter

In den folgenden 5 Episoden haut Liebes Kind bei Netflix einen Twist nach dem nächsten raus. Lena (Kim Riedle) heißt eigentlich Jasmin und hat die Mutter der Bunker-Kinder Hannah (Naila Schuberth) und Jonathan (Sammy Schrein) ersetzt. Sie war nicht die erste Ersatz-Mutter. Der Täter wollte sich durch die Frauen-Entführungen eine "heile Familie" aufbauen. Tochter Hannah hilft ihrem Täter-Vater bei seinen düsteren Machenschaften.

Am Ende erklärt Liebes Kind all seine Rätsel. Die Schlag auf Schlag folgenden Enthüllungen halten mich bei der Stange. Doch während die Lösungssuche Spaß macht, ist die Auflösung nicht völlig zufriedenstellend. Das liegt an zwei großen Problemen, die die Netflix-Serie sich selbst einbrockt.

Problem 1 von Liebes Kind: Die Identität des Täters ist frustrierend egal

Anders als in der Romanvorlage Liebes Kind * von Romy Hausmann bleibt der Entführer in der Serien-Adaption die meiste Zeit im Hintergrund. Der Netflix-Thriller verbirgt den "Vater" vor uns, indem er ihn unscharf, vom Hals abwärts oder von Gegenständen verdeckt zeigt. Was Krimi-Fans sofort zu der Annahme führt, dass wir den Täter ohne Gesicht kennen müssen.

Ich verbrachte die ersten vier Folgen von Liebes Kind mit der Frage, wer aus dem Ensemble als Bösewicht infrage kommt. Sogar Polizei-Ermittler Gerd Bühling (Hans Löw) verdächtigte ich zwischenzeitlich. Die meisten Hinweise deuteten auf Lenas Vater Matthias Beck (Justus von Dohnányi). Hannahs Großvater war verdächtig, weil sein Aussehen zu den wenigen bekannten Merkmalen des Entführers passte. Aber auch, weil seine Enkelin Matthias erkannte und er gelegentlich ohne Erklärung verschwand.

Liebes Kind: verdächtiger Großvater Matthias

Am Ende entpuppten sich diese und andere Spekulationen als falsche Fährte. Der wahre Entführer in Liebes Kind ist Lars Rogner (Christian Beermann). Ein Mann, den wir nur ein einziges Mal sehr kurz im Hintergrund gesehen hatten. Die Lösung des Rätsels war ein Mann, der uns gar nicht zur Auswahl gegeben worden war.

Ich gehöre zu den Menschen, die sich gern von Twists wie in The Sixth Sense oder Die üblichen Verdächtigen an der Nase herumführen lassen. Aber hier fühlte ich mich als Rätsel-Freundin unangenehm verarscht.

Problem 2 von Liebes Kind: Bei ihrem letzten Twist geht die Netflix-Serie nicht weit genug

Hinter dieser Enthüllung eines unbekannten Täters steckt natürlich eine weitere Wendung: Wir halten nach dem Entführer-Vater Ausschau und übersehen die Täter-Tochter. Diese Erkenntnis hätte Liebes Kind aus der vorangegangenen Enttäuschung retten können. Nur leider verweigert die Serie am Ende den letzten Schritt in den Abgrund.

Eigentlich ist die Idee genial: Entgegen dem Serientitel ist das liebe Kind in Wahrheit ein böses Kind. Hannah ist das Lieblingskind ihres (nicht mal blutsverwandten) Entführer-Vaters. Sie spioniert ihre geflohene Ersatz-Mama aus und führt die Bunker-Familie am Ende wieder zusammen. Plötzlich ist Hannah die gruseligste Figur der Serie. Ein Mädchen, das hinter seiner Sonnenbrille über das Leben und Sterben ihrer wechselnden Muttis entscheidet.

"Liebes Kind" Hannah

Nur damit diese letzte Wendung ihre volle Durchschlagskraft entfaltet, müsste die Netflix-Serie Hannah noch unheimlicher – böser – inszenieren. Vielleicht sogar als Strippenzieherin, statt nur als kleine Mittäterin, die zu Papa aufschaut. Aber obwohl die Serie so düster ist, dass die Kinder-Stars veränderte Drehbücher bekamen, wagt Liebes Kind das nicht.

Was bleibt am Ende von Netflix' Liebes Kind?

Stattdessen tritt das Mädchen für Jasmins Begnadigung ein, weiß vielleicht nicht mal genau, was sie tut, und wirkt am Ende eher wie das bemitleidenswerte Opfer seiner Umstände. Das mag realistischer sein als ein furchteinflößendes Horrorkind. Aber so hat die große Auflösung nicht den Knalleffekt, den sie haben könnte.

Als unerwarteter deutscher Netflix-Hit und wendungsreiches Spannungsstück bereue ich nicht, Liebes Kind mitgenommen zu haben. Als herausragende Thriller-Serie wird sie allerdings nicht in Erinnerung bleiben. Denn am Ende ist ein Rätsel nur so zufriedenstellend wie seine Auflösung.

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