Sei mutig, Lincoln Clay. Sei mutig, Mafia 3.

18.08.2015 - 12:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Mafia III
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Mafia III
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Auf der diesjährigen gamescom präsentierte Mafia 3 hinter verschlossenen Türen erstmals eine große Portion Gameplay, kurz danach erreichte ein verkürzter Zusammenschnitt auch die Öffentlichkeit. Ich bin besorgt, Mafia 3, und ich will dir gerne erklären, wieso.

Unser letzter Ausflug in die anzugtragende Welt der Mafia liegt mittlerweile fünf Jahre zurück: Mafia II erschien 2010 und sorgte für viele traurige Blicke unter den Fans, die den Auftakt des Franchises stolze acht Jahre zuvor begeistert auf ihre Festplatten gejagt hatten.

Die Videospiellandschaft hat sich seitdem maßgeblich geändert: Weibliche, starke Figuren  erhalten immer häufiger eine Stimme, viele Spieler werden für Themen wie Rassismus und einfallslose Stereotypen verstärkt sensibilisiert  und das Konzept der offenen Spielwelt  wurde mittlerweile von zahlreichen Titeln gemeistert. Mafia III musste sich modernisieren, an die neuen Verhältnisse anpassen — und präsentierte seine Neuausrichtung erstmals in diesem Gameplay-Trailer, der mich nun zu einem offenen Brief an den Protagonisten Lincoln Clay bewegte.

Lieber Lincoln,

du hast es geschafft: Du hast die Hölle des Krieges in Vietnam hinter dir gelassen. Während mehr als 30.0000 amerikanische Soldaten nach ihrer Heimkehr heroinabhängig wurden und über 400.000 Veteranen mit einem schweren psychologischen Trauma diagnostiziert wurden , scheinst du ohne größere Folgeschäden nach Amerika zurückgekehrt zu sein. Das nenne ich Glück!

Und in was für ein Amerika du zurückkehrst: New Orleans, die wilden 1960er Jahre! Es ist eine verrückte und turbulente Zeit, in die du zurückgeschleudert wurdest. Ein Jahr vor deiner Rückkehr wurde der charismatische Bürgerrechtler Martin Luther King ermordet, der sich für die Gleichstellung der Schwarzen einsetze. Gleichzeitig scharen gewaltbereite Bewegungen wie Black Power und die Black Panther Army immer mehr junge Menschen um sich, die den jahrhundertealten Rassismus nun gegen die weiße Bevölkerung umkehren wollen. In den Seitenstraßen liegen tausende Obdachlose, die ihre Häuser im großen Erdbeben von New Orleans 1965 verloren. Ein schwerer Duft von Gras, Alkohol und zerstörten Leben wabert durch die Luft. Und mittendrin, Lincoln Clay, bist du.

Martin Luther King, Bürger- und Menschenrechtler (1929-1968)


Ja, du bist wütend — und ich verstehe deine Wut. Du warst orientierungslos in diesem neuen, wilden Amerika, bis sich Gleichgesinnte um dich kümmerten: Menschen, die ein kriminelles Netzwerk aufbauten, vielen ihrer Gläubigern Schmerzen zufügten. Aber das war nichts neues für dich, Lincoln, der Krieg hat dir weitaus schlimmeres zugemutet. Doch konnten dir diese Menschen neben all den Erpressungen, den Morden, den Überfällen etwas bieten, das du seit deiner Kindheit nicht mehr kennen lernen durftest: Eine Familie.

Diese Familie war für dich da, stützte dich — bis sie dir ein weiteres Mal gewaltsam genommen wurde. Du kennst die Täter, Lincoln, und du willst sie zur Rechenschaft ziehen, einer nach dem anderen. Die italienische Mafia ist dein Ziel. Aber ist das wirklich der richtige Weg? Die richtige Antwort auf deine Frage nach dem "Warum"?

Die italienische Mafia ist nicht der eigentliche Feind von Lincoln.


Ich glaube nicht. Die amerikanische Regierung ist dein wahrer Gegner: Sie unternehmen nichts gegen die rassistisch motivierten Bandenkriege, sie befeuern ihn sogar — und während deine schwarzen Freunde auf offener Straße von der Polizei grundlos belästigt werden, bist du damit beschäftigt, die nächste Auto-Explosion zu planen. Mit Raketenwerfern in der Hand und Jimi Hendrix auf den Ohren stürzt du dich von einer Straßenschlacht in die nächste und badest dich in Stereotypen — weißt du denn wirklich nicht, besser mit der Stadt umzugehen, die dich mit weit offenen Armen empfangen hat? Bedeutet eine große, offene Welt denn immer, sie möglichst schnell in Schutt und Asche zu legen?

Du könntest gemeinsam mit deinen Komplizen herausfinden, wer die Schlüsselfiguren in deinem Rachefeldzug sind — und gezielt gegen sie vorgehen. Erpressung, Einschüchterung, subtiles Handeln: Das sind die eigentlichen Methoden der Mafia. Vito, der nun an deiner Seite steht, hat das einst verstanden. Nun mach nicht den Fehler und morde dich gedankenlos mit einem gigantischen Buschmesser durch die italienischen Banden, sondern denke nach. Nutze dein Potential! Mache deinen Rachefeldzug nicht zu einem blutigen Amoklauf — nur, weil dir auf den ersten Blick nichts besseres einfällt.

Hier wirst du gebraucht, Lincoln — nicht in wilden Straßenschlachten.

Ich hoffe, du lässt dir meine Worte in Ruhe durch den Kopf gehen. Denn am Ende deiner Geschichte, wenn du dein Werk vollendet hast, dann will ich mit einem Grinsen auf die vergangene Zeit zurückblicken und behaupten können: Lincoln Clay hat seine Familie gefunden — und nicht etwa hunderte Familien eigenhändig ins Grab getragen.

Sei mutig, Lincoln. Sei mutig, Mafia 3.

Anmerkung: Eine frühere Version des Artikels erweckte den Eindruck, dass Hangar 13 Mafia 2 entwickelt hätte. Weil das nicht der Fall ist, wurde der Abschnitt entsprechend angepasst. /Phil

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