Ready at Dawn: Grafik ist nur ein Werkzeug

23.02.2015 - 15:00 Uhr
The Order: 1886
Sony
The Order: 1886
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Kurz vor dem Erscheinen von The Order: 1886 haben wir ein wenig mit Game Director Ru Weerasuriya über das Spiel, Quick-Time-Events und Grafik als Werkzeug geplaudert.

Schon vor seiner Veröffentlichung am vergangenen Freitag hat The Order: 1886  für hitzige Diskussionen gesorgt – allen voran die Debatte, wie kurz ein Spiel eigentlich sein  und ob sich das auf den Preis auswirken darf .

Einige Tage bevor ein verhängnisvolles Video  eine Spielzeit von rund 5,5 Stunden andeutete, hatte ich die Chance, mich mit Ready at Dawn-Gründer und Game Director Ru Weerasuriya über Videospiele als Kunst, den schlechten Ruf von Quick-Time-Events, Grafik als Werkzeug und natürlich The Order: 1886 selbst zu unterhalten.

London mal anders

Gerade in den letzten Jahren rückte die Grafik von Spielen dank dem Erfolg von Indie-Games immer weiter in den Hintergrund oder ist zumindest nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs eines Titels. Spiele wie Minecraft , FTL: Faster Than Light  und Gone Home  bewiesen, dass ganz andere Elemente es schaffen können, ein Spiel aus der Masse hervorzuheben und zogen so die Handbremse im Rennen um die beste Optik, wie Brenda Romero erst kürzlich auf der DICE (Design, Innovate, Communicate, Entertain) Summit erklärte.

Dennoch ist es gerade die fast lebensechte Grafik und der filmische Stil, die zuerst bei The Order: 1886 ins Auge stechen. Ebenfalls während der DICE erklärte Ru Weerasuriya, dass Spieler Realität benötigen würden. Je besser die Grafik, desto tiefer tauchen Menschen ins Geschehen ein. Immersion scheint einmal mehr das Buzzword der Stunde zu sein. Aber steckt wirklich nicht mehr hinter Immersion als ein Haufen hübsch polierter Polygone?

Absolut nicht, so Ru Weerasuriya. Zuerst müssten wir darüber sprechen, was wir eigentlich unter Immersion verstehen. Für Ready at Dawn bedeutet es weniger Grafik, sondern vielmehr die emotionale Beziehung zum Charakter wie sie unter anderem auch in Filmen oder Büchern stattfindet. Realismus ist nicht gleichzusetzen mit Fotorealismus, diese Bindung zum Gesehenen könnte auch allein aus der Performance der Charaktere entstehen wie unter anderem Pixar erfolgreich bewiesen hätte.

Realismus durch Performance

Das Filmstudio legt keinen Wert auf klassischen Realismus, sondern schafft es, mit stilisierten Charakteren Emotionen zu übermitteln, die Zuschauer vor dem Bildschirm zum Lachen oder Weinen bringen. Grafik allein ist dazu nicht der Schlüssel.

Grafik ist nur ein Werkzeug, es ist nicht das Ziel. Du kannst etwas nicht einfach hübsch machen und glücklich damit sein. Wenn sich niemand damit verbunden fühlt, ist es egal. Grafik, Physik, Gameplay, … sind nur Werkzeuge. Und Werkzeuge dienen uns dazu etwas zu erschaffen, mit dem du eine Verbindung aufbauen kannst. Das ist es, was wir mit unseren Spielen versuchen.

Ähnlich verhält es sich mit den viel kritisierten Quick-Time-Events, von denen es gerade im Vorfeld von The Order: 1886 jede Menge zu sehen gab. Zu viel, wie viele anmerkten, was Ru Weerasuriya sehr überraschte.

Batman: Arkham City lässt grüßen

Auf meine Frage, warum sie sich trotz der anhaltenden Kritik an ansonsten hochgelobten Titeln wie Heavy Rain  oder den Telltale-Spielen für die starke Integration des umstrittenen Elements entschieden hätten, erklärte er, dass rund 80 - 90 Prozent von The Order: 1886 aus anderem Gameplay bestehen würde. Quick-Time-Events würden nur verwendet, wo sie auch wirklich benötigt werden:

Quick-Time-Events sind ebenfalls nur ein Werkzeug. Sie sind keine Antwort auf das, was wir tun wollen. Wir wollen kein ganzes Spiel dieser Art machen. [The Order: 1886] ist nicht Heavy Rain, es ist gar nicht wie diese Spiele. Was wir zu allererst machen, ist ein Spiel.

Der Grund, warum sie vorab so viele QTE zeigten, war, weil sie sich sicher waren, dass Spieler verstehen würden, dass es ein Third-Person-Action-Shooter sei. All die anderen Gameplay-Elemente seien nicht die Stellen, an denen sie Innovationen vorgenommen hätten. Stattdessen hätten sie sich darauf konzentriert, die Grenze zwischen Cinematics und Gameplay aufzulösen, sodass es keinen Bruch mehr gibt.

Es ist ein Werkzeug, das dich von einem Moment zum nächsten bringt.

Das Werkzeug heißt im Fall von The Order: 1886 Turning Points. Diese tauchen an verschiedenen Stellen im Spiel auf und lassen euch bestimmten, wie ein Quick-Time-Event sich entwickelt. Die Zeit verlangsamt sich und bietet euch verschiedene Möglichkeiten, mit der Umgebung und den Charakteren via Knopfdruck zu interagieren, nur um dann auf euch zu reagieren. In einer abgeschwächten Form konntet ihr das bereits in Telltale-Spielen wie The Wolf Among Us  erleben, allerdings führte Ready at Dawn den Gedanken in The Order: 1886 noch einen Schritt weiter.

Mehr: QWER: Warum wir ein neues Genre brauchen 

Die vermeintliche Innovation, die das Studio in seinem neuesten Werk sieht, scheint den meisten allerdings nicht zu genügen. Spieler und Kritiker gleichermaßen bemängeln, wie wenig Neues The Order: 1886 bietet, ohne es auf der anderen Seite mit Gameplay auszugleichen. Rund sechs Stunden für einen Vollpreistitel ist für viele inakzeptabel und erneut brach gerade auf Twitter die Diskussion um Videospiele als Kunst und was genau das eigentlich bedeutet, los. In meinem Interview mit Ru Weerasuriya rund eine Woche zuvor sprach ich ihn auf dieses Thema an und warum Spiele noch immer anders behandelt werden als Filme oder Bücher.

Spiele als Kunstform müssen wie jede andere Kunstform betrachtet werden. Die Ausdrucksfreiheit, die wir haben, ist unglaublich. Und doch werden Spiele noch mehr als Technik gesehen. Wie sonst würdest du dir erklären, dass wir noch immer so viele Grenzen haben, was wir in welchem Land zeigen dürfen?

Die offensichtlichste Vermutung ist, weil Spiele im Gegensatz zu anderen Medien noch sehr jung sind.

Jede Kunst wurde, als sie neu war, abgelehnt. Denk an Bücher als noch nicht jeder sie hatte, [...] denk an Rock'n'Roll. Elvis wurde von älteren Generationen im wahrsten Sinne des Wortes für den Teufel gehalten. Was du ultimativ als Kunstform bist, ist das, was du an andere Leute übermittelst. Spiele haben bereits viel getan, um so weit zu kommen. Wir haben bisher nur noch nicht dieselbe Konversation mit der breiten Öffentlichkeit.

Würde er sich wünschen, dass Spiele mehr Mainstream wären?

Ja. Ich glaube, je mehr [das geschieht], desto besser ist es für alle. Je mehr [Spiele] in das Bewusstsein eindringen und sich in die Gesellschaft eingliedern wie andere Kunstformen es getan haben, desto besser können Menschen sie verstehen. Wir öffnen sie einer breiteren Masse an Leuten, die sich dafür interessieren, die ein Risiko eingehen wollen.

Ready at Dawn selbst, so scheint es, ist mit The Order: 1886 keine Risiken eingegangen. Oder vielleicht war es gerade die Entscheidung, ein Spiel so strikt nach den eigenen Vorstellungen und entgegen allgemeiner Erwartungen zu machen, was in diesem Fall das Risiko war.

Geht The Order: 1886 zu wenige Risiken ein?

Ob es sich trotz der umstrittenen Meinungen auszahlen wird, bleibt anzuwarten. Ideen hätte Ru Weerasuriya jedenfalls genug, wie er mir mit einem Lachen verrät, als ich nach weiteren alternativen Realitäten frage.

Das ist eine Fangfrage! Aber ja, ich habe viele Geschichten dieser Art geschrieben. Wir haben viele Ideen.

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