Übers (lange) Wochenende begleite ich die 2. Staffel von Daredevil mit Recaps zu allen 13 Episoden. Hier gibt es eine Übersicht aller bereits veröffentlichter Recaps.
Elektra (Elodie Yung) entführt Matt Murdock (Charlie Cox) und mit ihm Marvel's Daredevil in eine andere Welt. Sie sprengt gewissermaßen die bisherige Hochglanzskala der 2. Staffel, was mit im Hinblick auf die üblichen gammeligen Ecken Hell's Kitchens nun wenig schockiert. Damit entfernt sich Matt in der 6. Folge Regrets Only allerdings auch von seinen Freunden. Karen (Deborah Ann Woll) und Foggy (Elden Henson) - sie sind das günstige indische Restaurant um die Ecke. Elektra allerdings bewegt sich in ganz anderen Kreisen. Da mag Matt noch so sehr auf die neue Frau in seinem Leben beharren, schlussendlich schmuggelt er sich trotzdem in eine Edel-Party, anstatt seinen den beiden im Umgang mit Frank Castle (Jon Bernthal) beizustehen. Was zur Freude des Zuschauers zu einem Paar schicker Actionszenen führt.
Von einer überaus stylischen Motorradgang wird diese kurzweilige Folge von Daredevil an den Startblock gefahren. Daredevils Haupttätigkeitsfeld Hell's Kitchen bringt ihn wiederholt in heruntergekommene Buden, verdreckte Gassen und sonstige Orte, die mancher am liebsten weggentrifizieren würde. Elektras Welt ähnelt hingegen eher dem minimalistisch eingerichteten Apartment des reichen Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio). Entsprechend wird die erste Kampfszene der Folge in kaltes LED-Licht getaucht, während sich Daredevil und Elektra durch eine Riege von Helfershelfern prügeln. Die würden mit ihrem Krawatten, Lederjacken und schicken Frisen auch gut in einer J-Pop-Band aussehen. Naturgemäß weniger "unordentlich" kommt der Kampf daher, der als niedrigbudgetierte Version von Bonds Hochhaus-Fight in Shanghai aus Skyfall durchgeht. Orte und Figuren wie der Punisher und Elektra werden in Daredevils 2. Staffel hervorragend dazu genutzt, um die Action-Set-Pieces vielfältig zu gestalten. Das haben wir bei dem ausgedehnten Flur- und Treppenkampf in der 3. Episode gesehen, aber auch bei kleineren Szenen wie dem gemeinsamen Kampf von Punisher und Daredevil gegen die Iren, der die moralischen Vorstellungen der beiden unterhaltsam integrierte. Elektra bildet nun die nächste Variation, was sich in der Auftaktsequenz ebenso zeigt wie dem Heist-Set-Piece im Roxxon-Gebäude. Wenn auch die Charakterentwicklung in Daredevil vielfach zu wünschen übrig lässt, fängt sich die Serie in dieser 2. Staffel spätestens, sobald Matt Murdock seinem Adrenalin freien Lauf lässt.
Elektra Natchios wiederum ist das Adrenalin in Menschenform. Matt kann auch deswegen nicht von ihr lassen. So steigen die Spannungen innerhalb der Kanzlei, um deren Fortbestand sich Foggy aus gutem Grund gravierende Sorgen macht. Staatsanwältin Reyes (Michelle Hurd) will den Punisher aus der Welt schaffen und Nelson & Murdock bildet da auf den ersten Blick nur ein geringfügiges Hindernis. So bleiben erst die Klienten aus, dann steht mit Franks überraschendem Plädoyer für seine Unschuld ein Prozess an, den die in Naturalien bezahlten Neulinge unmöglich gewinnen können. Schuld daran trägt indirekt Karen, die Franks Erinnerung an seine Familie durch alltägliche Kleinigkeiten aus seinem alten Haus zurückruft: Geschirr, Spielzeug, ein Foto. Aus dramaturgischer Sicht lässt sich dieser Erweckungsmoment der anderen Art nur begrüßen. Frank wähnt nun in Reyes eine mögliche Verantwortliche am Tod seiner Familie, zumindest tat sie alles, um den Vorfall zu vertuschen. In dieser und hoffentlich kommenden Episoden belebt der Kontrast zwischen dem wieder einmal stark (traumatisiert) aufspielenden Jon Bernthal und der energiegeladenen Elodie Yung die Handlung, erst recht im Vergleich zur letzten Folge. Die angeblich große Verschwörung um die bislang charakterlich eher flache Reyes mag noch nicht recht mitreißen, die beiden Veteranen des Marvel-Universums schon. Unter anderem weil die Annäherung von Karen und Frank uns wieder zu ihrer moralischen Krise am Ende der 1. Staffel führen könnte. Mit Betonung auf "könnte".
Autorin Sneha Koorse bringt eine willkommene Prise Agententhrill aus dem Writers' Room von The Americans ins Roxxon-Set-Piece ein. Elektra und Matt funktionieren als Team ganz ausgezeichnet. Wie in den guten alten Zeiten, möchte man fast sagen, verschaffen sie sich Zugang zum 13. Stock des Gebäudes, klauen das Hauptbuch von Roxxon und vermöbeln unterwegs noch ein paar Helfershelfer. Damit rahmen zwei knackige Actionsequenzen eine Episode, die trotzdem die leisen, psychologisch nuancierteren Töne nicht überhört. Eine fast perfekte Daredevil-Mischung sozusagen.
Anmerkungen am Rande:
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"Hungry?"
- 37 Mordanklagen und 98 andere Delikte werden dem Punisher zur Last gelegt. Was soll Nelson & Murdock dem entgegenhalten?
- Matts Lieblingsmucke ist eher so die Top 40 der 90er Jahre
- Franks Argument, Karen wäre beim Anschlag au Grotto in Sicherheit gewesen, mag beim Scharfschützengewehr hinhauen. Mit der Schrotflinte im Krankenhausflur schießt es sich aber weniger präzise.
- Roxxon dealt mit Waffen, Drogen, Menschen und...?
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"Same time tomorrow, Matthew?"
- The People vs. Frank Castle gibt es dann hoffentlich in der 2. Staffel von American Crime Story zu sehen. Ich wäre für John Travolta als Castle, weil meta und so.
Alle Recaps im Überblick:
Staffel 2, Folge 1: Bang
Staffel 2, Folge 2: Dogs to a Gunfight
Staffel 2, Folge 3: New York's Finest
Staffel 2, Folge 4: Penny and Dime
Staffel 2, Folge 5: Kinbaku
Staffel 2, Folge 6: Regrets Only
Staffel 2, Folge 7: Semper Fidelis
Staffel 2, Folge 8: Guilty as Sin
Staffel 2, Folge 9: Seven Minutes in Heaven
Staffel 2, Folge 10: Man in the Box
Staffel 2, Folge 11: .380
Staffel 2, Folge 12: The Dark at the End of the Tunnel
Staffel 2, Folge 13: A Cold Day in Hell's Kitchen